Grenzgold. Carlo Fehn

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Dass er seinem Vater nicht helfen konnte, das war offensichtlich. Der Alte – das wurde seinem Sohn erst jetzt so richtig bewusst – hatte um den Hals eine Fahne gebunden, die neben den Farben Schwarz, Rot und Gold mittig auch Hammer, Zirkel und Ährenkranz zeigte. Kaiser konzentrierte sich nun, der erste Schock war überwunden. Jetzt bemerkte er auch, dass unter seinem Vater eine braune, zähe Flüssigkeit in regelmäßigen Tropfen hinunter auf den Boden fiel. Kaisers Augen wurden immer größer. Auf der Palette schien zudem noch eine Flagge ausgebreitet zu sein, die er aufgrund der bereits erheblichen Verschmutzung durch die Fäkalien seines Vaters nicht mehr genau identifizieren konnte, allerdings für die US-amerikanische hielt.

      Kaiser wollte schon ansetzen und seinen Vater etwas fragen, als er ein Summen hörte. Auf einer aus leeren, gestapelten Getränkekästen errichteten Säule in kurzer Distanz zum Stapler, auf der oben eine Kunststoffplatte befestigt war, lag ein Mobiltelefon. Dem Unternehmer war klar, was das bedeutete. Er ging hinüber, nahm das Handy und schaute auf das kleine, blau leuchtende Display. Anonym stand da zu lesen. Von den wenigen Tasten drückte Kaiser ängstlich und voll gespannter Erwartung die mit dem grünen Telefonhörer. Dann führte er das kleine Gerät vorsichtig an sein Ohr.

      »Hallo!«, sagte er schüchtern und gar nicht nach seiner Art. Die Stimme, die er zu hören bekam, war verstellt, klang monoton und düster.

      »Ich will wissen, wo das Gold ist! Dein Vater will das Geheimnis mit ins Grab nehmen. Seine Entscheidung! Er wäre ohnehin gestorben! Er hat meine Familie und mich zerstört! Jetzt zerstöre ich seine! Also, ich frage dich jetzt. Wenn du mir keine Antwort gibst, die mir gefällt, ist er tot! Überlege dir genau, was du sagen wirst! Hast du das verstanden?«

      Instinktiv hatte Joseph Ferdinand Kaiser die Schultern etwas hochgezogen und versucht, seinen Kopf so tief wie möglich davor zu verstecken. Er war auf alles gefasst!

      »Ja!«, antwortete er zögerlich. Ohne weitere Unterbrechung formulierte der Unbekannte dann klar und deutlich die Frage.

      »Wo ist das Gold?«

      Es war wohl eine Art Reflex; möglicherweise hatte Kaiser auch nicht damit gerechnet, dass die Drohung so kompromisslos in die Tat umgesetzt werden würde.

      »Von welchem Gold reden Sie?«

      Es war wie ein dumpfer Aufprall eines Geschosses auf Holz, dass Joseph Ferdinand Kaiser, kaum, dass er die Gegenfrage ausgesprochen hatte, vernahm und das ihn, wie zu einer Salzsäule erstarrt, bewegungsunfähig machte. Vor Schreck hatte er das Handy auf die Platte fallen lassen. Langsam drehte er nach einigen Sekunden seinen Kopf nach links und sah, was er befürchtete.

      Sein Vater war in sich zusammengesunken und mit dem Oberkörper nach vorne gekippt, soweit es die Fixierungen zugelassen hatten. Am vorderen seitlichen Kopfbereich rechts klaffte eine große Wunde. Joseph Ferdinand Kaiser meinte zu sehen, dass Teile der Schädeldecke fehlten, leichter Qualm waberte durch das schüttere und verklebte Haar. Auf dem Boden unterhalb der Staplergabel lagen kleine, blutverschmierte Teile. Kaisers Mund wurde trocken. Der Schock über das, was gerade passiert war, verhinderte, dass er schrie.

      Im nächsten Augenblick fiel er auf die Knie und musste sich übergeben. Mehrmals erbrach er eine Mischung aus allem, was er in den Stunden vorher gegessen und getrunken hatte. Speichelfäden hingen ihm aus dem Mund, Tränen liefen ihm über das Gesicht und er wünschte sich, an irgendeinem Ort ganz weit weg und ganz allein zu sein. So allein, wie er sich gerade fühlte! Wo war der Polizist? Wo waren seine Frau, seine Kinder? Niemand war jetzt da, um Joseph Ferdinand Kaiser aufzufangen, ihn zu beschützen, ihm zu helfen. Sein Vater hing angekettet eine Staplergabelhöhe über ihm und war tot! Kaiser fühlte sich nackt und verletzlich. Langsam rappelte er sich auf, mit den Händen dabei durch sein Erbrochenes tastend.

      Das Mobiltelefon summte bereits einige Sekunden. Kaiser spukte demonstrativ aus, wischte sich dann die Hände an seiner Jacke und den Mund am Ärmel ab und torkelte mehr, als dass er anständig ging zu dem provisorischen Tischchen. Er drückte die grüne Taste und legte das Handy wieder an sein Ohr. Langsam drehte er sich dabei einmal im Kreis, wohl wissend, dass er den unbekannten Schützen nicht würde sehen können. Er hatte noch nicht einmal eine geringste Ahnung, aus welcher Richtung der Schuss gekommen war.

      »Hör jetzt gut zu!«, ermahnte ihn die emotionslose Stimme.

      »Ich lasse dir die Zeit, dich von deinem Vater zu verabschieden. 72 Stunden! Am 25. um spätestens 24 Uhr hast du, was ich will oder du bist der Nächste!«

      »Aber…«, versuchte Kaiser wie ein kleiner Junge zu protestieren. Der Unbekannte ließ ihm keine Chance.

      »Du erfährst noch rechtzeitig den Ort für die Übergabe. Lass die Polizei aus dem Spiel! Halte dich bereit!«

      Dann war das Gespräch beendet, Joseph Ferdinand Kaiser schaute wie benommen auf das Display. Dann drosch er das Mobiltelefon mit voller Wucht auf den Boden und schrie so laut er nur konnte. Anschließend sank er wieder auf die Knie, ließ sich nach vorne auf die Ellenbogen fallen, stütze den Kopf in seinen Händen ab und weinte hemmungslos.

      ***

      Pytlik hatte sein Auto am Rand der breiten Zufahrtsstraße zum Firmengelände der Kaisers geparkt, weit genug abseits der vorgelagerten Wohnsiedlung. Er nahm eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach und machte sich schnellen Schrittes auf den Weg. Nachdem er durch das große geöffnete Gittertor wieder in Sichtweite des beleuchteten Staplers war, suchte er sich eine geschützte Nische, die er für sicher befand und aus der heraus er alles beobachten konnte.

      Kaiser ging langsam und auf wackeligen Füßen in Richtung der ausgesetzten Palette, auf der sein Vater mit dem Rücken zu ihm kniete. Der Hauptkommissar konnte sehen, dass der alte Mann kurz zuckte, da er anscheinend von seinem Sohn angesprochen worden war. Hören konnte Pytlik allerdings nichts. Dann machte er sich ein genaueres Bild von der Situation. Neben dem Stapler, nur wenige Schritte entfernt, stand eine Art Säule, auf der ein kleiner Gegenstand lag. Pytlik kombinierte schnell und wusste, was gleich passieren würde. Wilhelm Kaiser war in einem erbärmlichen Zustand. Pytlik fror bereits beim bloßen Hinschauen. Außerdem hatte der Senior eine Wunde am Kopf. Die Hände waren nach vorne gefesselt, und auch die Beine schienen irgendwie fixiert zu sein. Er wäre ein schlechter Ermittler gewesen, wenn er das nicht bereits als einen ersten Hinweis auf das wahrgenommen hätte, was seiner Vermutung nach noch folgen würde.

      Am meisten wunderte sich der Hauptkommissar über die Fahne, in die Wilhelm Kaiser gehüllt war. Pytlik konnte die Flagge der ehemaligen DDR erkennen. Plötzlich tat sich etwas! Kaiser schaute zu dem Stapel Getränkekisten – Pytlik hatte es mittlerweile so erkannt – und lief anschließend hin, nahm den Gegenstand in die Hand, schaute ihn kurz an und legte ihn dann an sein Ohr. Der Hauptkommissar konnte nichts hören, ließ seine Augen zwischen Wilhelm Kaiser und dessen Sohn hin und her wandern. Als er wieder den Alten im Fokus hatte, schreckte er plötzlich wie vom Blitz getroffen zusammen. Pytliks Puls begann zu rasen. Ein Geschoss – dessen war er sich sicher – hatte Wilhelm Kaiser offensichtlich am Kopf getroffen. Er schaute schnell zu Kaiser Junior. Das Handy hatte er vor sich fallen lassen. Er war wie paralysiert und starr vor Schock. Dann schaute er hinauf auf die Palette, fiel anschließend auf die Knie und übergab sich mehrmals. Pytlik war innerlich zerrissen! Zum einen versuchte er, schnell zu analysieren, von wo der Schuss gekommen war. Andererseits wollte er natürlich irgendetwas tun und eingreifen; schließlich war er Polizist! Aber er musste erkennen und sich eingestehen, dass es keinen Sinn machte, gegen einen unsichtbaren Gegner anzukämpfen und sich selbst dabei zusätzlich in Gefahr zu begeben. Derweil rappelte sich Joseph Ferdinand Kaiser langsam wieder auf. Er machte einen zerbrechlichen Eindruck, wischte sich Mund und Hände an seinen Klamotten ab und lief langsam wieder zum vorbereiteten Tisch, da das Handy sich anscheinend noch einmal meldete. Pytlik sah, das Kaiser zuhörte, einmal kurz ansetzte etwas zu sagen und wenig

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