Lady Hamilton. Alexandre Dumas

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Lady Hamilton - Alexandre Dumas

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eine Stunde und ließ mich von dieser entnervenden Atmosphäre durchdringen, welche Bajä für die Tugend der römischen Matronen so gefährlich machte.

      Wie weit war es von hier bis zu der milden und intelligenten Atmosphäre, welche ich in dem Hause von Leicester Square, oder zu der merkantilen und bürgerlichen, welche ich in Mr. Plowdens Kaufladen, und endlich zu der puritanischen und strengen, welche ich in dem Hause des älteren Mr. Hawarden geatmet!

      »Ich lasse dich als Herrin des Hauses zurück,« hatte Miß Arabella beim Fortgehen zu mir gesagt. Warum das? Welche Rechte hatte ich? Wodurch hatte ich mir eine solche Gunst erworben? Und dennoch, von welcher Art auch der Beweggrund sein mochte, dem ich sie verdankte, so war sie doch wirklich vorhanden. Ich bemerkte dies sehr bald an der Art und Weise, auf welche Mistreß Norton mich fragte, ob ich ihr noch irgendwelche Befehle zu erteilen hätte.

      Befehle zu erteilen! Ich, die ich bis jetzt stets Befehle empfangen hatte! Ich darf es nicht verschweigen, daß ich immer noch von dem Gefühl meiner untergeordneten Stellung durchdrungen war. Vielleicht vergaß ich zuweilen den Punkt, von welchem ich ausgegangen war; sobald ich mich aber mit mir allein befand, fühlte ich mich eher aufgelegt, das Glück für seine Gunstbezeigungen, die mich bloß emporzuheben schienen, um meinen Fall desto tiefer zu machen, zu schelten, als ihm für diese ungeahnte Erhebung zu danken, welche, wie ich instinktartig fühlte, von seiten der Vorsehung nur ein Irrtum sein konnte. Ich antwortete, wenn Mistreß Norton mir das Vergnügen machen wollte, mit mir zu Mittag zu speisen und mich dann ins Theater zu begleiten, so würde ich ihr dafür sehr dankbar sein.

      Mistreß Norton verlangte nichts Besseres, denn es war für sie ebenfalls ein hoher Genuß, ins Theater zu gehen. Sie fragte mich, welchem ich den Vorzug gäbe. Ich kannte nur eins, nämlich Drury Lane. Man gab »Macbeth«. Es war dies ein Stück, in welchem Mistreß Siddons einen ihrer größten Triumphe feierte. An diesem Abend waren die Eindrücke, die ich empfing, sehr verschieden von denen des ersten Abends. Ich durchlebte alle Phasen der Angst und des Schreckens. Jene Eigenschaften der Milde und Sanftmut, welche Mistreß Siddons in der Rolle der Julia abgingen, wurden jetzt durch die entgegengesetzten Eigenschaften ersetzt. Die Energie der Stimme, die Unbeweglichkeit ihrer Physiognomie gaben den ehrgeizigen Bestrebungen dieses Felsenherzens eine Vollkommenheit des Spiels, welche in der Szene, wo sie Macbeth zum Verbrechen treibt, ans Erhabene grenzte. Ich meine die Szene, wo sie ihren von Banquos Geist bedrohten Gatten beruhigt, und dann die, wo sie in ihrem Schlafe, mehr noch durch ihre erschütterte Macht als durch die Reue verfolgt, im Nachtgewande mit offenen, aber der Sehkraft beraubten Augen, mit hohler, klangloser Stimme kommt, um klagend das Schauspiel jener nächtlichen Schrecken zu geben, welche den Mörder verfolgen. Ich war, als ich wieder nach Hause zurückkehrte, vielleicht von noch größerer Bewunderung ergriffen, als das erstemal, dennoch aber weniger gerührt. Ich bewunderte, aber ich weinte nicht. Ich fühlte, daß ich, indem ich Macbeth gesehen, einer Kunstleistung beigewohnt hatte, während ich in »Romeo und Julia« meinen Anteil an einer Szene der Natur zu nehmen geschienen. Aufgeregt kehrte ich in meine kleine Wohnung zurück und wollte unter dem Eindruck dessen, was ich soeben gehört und gesehen, ebenso wie ich an dem Abend getan, wo Mr. Hawarden mich in das Theater geführt, das Gesehene und Gehörte zu reproduzieren versuchen.

      Ich sah aber sehr bald ein, daß weder meine Physiognomie noch meine Stimme für furchtbare Eindrücke geschaffen waren. Meine Stimme war zu sanft, meine Physiognomie zu zärtlich und zu jugendlich. Ich lachte über mich selbst, als ich sah, wie unmöglich es mir war, jene düstere Betonung und jene unwiderstehliche Versuchung nachzuahmen, welche Macbeth sagen läßt:

      ».....Bring forth men children only,

       For this undaunted mettle

       should compose Nothing but males.«

      (Bringe mir männliche Kinder zur Welt,

       denn dein unbesiegbares Herz

       darf nur Männer zeugen.)

      Wider Willen verfiel ich immer wieder in jene sanften, liebeskranken Biegungen der Stimme zurück, welche mich glauben ließen, daß ich in Julias Rolle neue und unbekannte Gefühle gefunden. Meine Physiognomie stimmte damals wunderbar mit dem harmonischen Wohllaut meiner Worte zusammen. Ich fühlte mit einem Wort, daß es mir unmöglich sein würde, irgendeinen Macbeth mit mir bis zum Throne zu erheben, welche Anstrengungen ich auch zu diesem Zwecke machte, während ich nur zu sprechen, anzublicken und zu lächeln brauchte, um den widerspenstigsten Romeo bis auf den tiefsten Grund meines Grabes hinabzulocken.

      Ich sah jetzt an meinem inneren Auge jene bezaubernde Ballszene vorübergehen, wo die beiden Liebenden, fast ohne zu sprechen, sich eines dem anderen widmen, so daß, als Romeo sich entfernt hatte, Julia, welche fühlte, daß der teure Unbekannte ihr Herz mit hinwegnimmt, ihre Amme ihm nachschickt und ausruft:

      »Geh', frage wie er heißt. Ist er vermählt,

       So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt.«

      Ich deklamierte diese Worte, indem ich die ganze Seele und die ganze Leidenschaft hineinlegte, deren mein Herz fähig war, bis ich plötzlich im Garten am Fuße des Balkons mich nicht mit dem Namen Emma, sondern mit dem Namen Julia rufen zu hören glaubte. War es eine Verirrung meiner Einbildungskraft, eine Täuschung meiner Sinne? War ich in meinen Träumen so weit gekommen, daß sie sich gleichsam in Wirklichkeit verwandelten? Ich näherte mich leise dem Fenster, öffnete es und eine Stimme, so sanft wie ein Seufzer des Nachtwindes, rief abermals: »Julia! Julia!« Romeo war also gefunden. Romeo war am Fuße des Balkons, aber wer war er?

      11. Kapitel.

      Bei dieser Gewißheit, daß ein Unbekannter da war, hätte ich das Fenster wieder schließen, den Vorhang fallen lassen, in mein innerstes Zimmer fliehen und dasselbe verriegeln sollen. In jeder anderen Gemütsstimmung würde ich dies sicherlich auch getan haben, aber es war, als ob jenes Wesen, welches die heilige Schrift nicht zu nennen wagt, sondern bloß mit den Worten: »Der, welcher im Finstern wandelt,« bezeichnet, sich an mich geheftet hätte wie an eine Beute. Es schien geschworen zu haben, mich nicht eher loszulassen, als bis es mich in den tiefsten Abgrund hinabgezerrt hätte. Anstatt daher das Fenster zu schließen, anstatt zu fliehen, lehnte ich das Ohr an den nicht ganz geschlossenen Fensterflügel und horchte. Zu meinem großen Erstaunen sprach nun der Unbekannte mit sanfter, frischer Stimme die folgenden Verse, als ob es unsere Aufgabe wäre, jedes unsere Rolle vor einem unsichtbaren Publikum zu spielen, oder als ob ich wirklich Julia und er wirklich Romeo wäre.

      Mit verhaltenem Atem lauschte ich und der Unbekannte sprach:

      »Doch still, was schimmert durch das Fenster dort?

       Es ist der Ost, und Julia die Sonne.

       Geh' aus, du holde Sonne! Ertödte Lunen,

       Die neidisch ist, und schon vor Grame bleich,

       Daß du viel schöner bist, obwohl ihr dienend.

       O, da sie neidisch ist, so dien' ihr nicht.

       Nur Toren gehn in ihrer blassen kranken Vestalentracht einher; wirf du sie ab!

       Sie ist es, meine Göttin! meine Liebe!

       O, wüßte sie, daß sie es ist!«

      Der Leser kennt die Zaubermacht, welche das Altertum dem Gesang der Sirenen zuschrieb, eine Macht, welcher Ulysses nur dadurch entrann, daß er seine Reisegefährten an die Masten seiner Schiffe festband und sich selbst die Ohren mit Wachs verstopfte. Leider ward ich durch kein Band gefesselt. Meine Ohren standen allen sinnlichen Melodien der Liebe geöffnet, die Stimme lockte mich mit unwiderstehlicher Gewalt. Ich setzte

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