Kein Sommernachtstraum. Sanne Prag

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Kein Sommernachtstraum - Sanne Prag

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Weg zu seinem Empfangspult überlegte Ezra, was das eben zu bedeuten hatte. War der Mann aus der Region und verteidigte seine Gemeinde? Aber so hatte es nicht wirklich geklungen. Wer war „einfach nicht so“? Mit einem Mord hätte der nicht gerechnet. Womit hatte der dann gerechnet?

      Ezra ging mit dieser Frage den langen Gang bei den Zimmern entlang und scannte im Vorbeilaufen kurz die Ecken – keine Spinnweben, keine Mäuse. Hatte er etwas übersehen? Eine große Vase mit Blumen überdeckte Risse in der Wand. Die hatte er erst am Vortag dort arrangiert – wegen der Risse. In seiner Hektik und dem Stress fragte er sich auch kurz, ob er gestern vielleicht einen Toten im Hof übersehen hatte. - Nein, sicher nicht. Der wäre sogar ihm aufgefallen. Wolfgang hatte vermutet, dass Warhol im Hof erschossen wurde. Er müsste also zuerst einmal im Hof gelegen haben.

      Wann war das Ganze wohl passiert?

      Er hatte jedenfalls gar nichts bemerkt. Wann hatte er denn im Hof zu tun gehabt? Ezra konnte sich einfach nicht erinnern, wann er dort war. Sein letztes Bild waren die Tische und Sesseln mit den Tischtüchern – die hatte er aber eigentlich nicht in den Hof gestellt. Er hatte sie zwar aus dem Haus geholt, wo er den Toten dann gefunden hatte, aber nicht in den Hof gebracht, sondern nur durchgetragen. Hatte da vielleicht etwas gelegen, was dort nicht hingehörte? Nein, sicher nicht.

      Er hatte alles in den Durchgang zum Parkplatz gestellt, weil dort die Türe neben dem Speiseraum ins Freie führte. Man konnte von dieser Stelle nicht wirklich in den Hof hineinsehen, weil die Hausecke den Blick verstellte. Seine Gedanken kreisten um den Toten und gleichzeitig schuldbewusst um alles, was er übersehen haben konnte und im Hintergrund arbeitete sein Organisator-Hirn und plante die To-do-Liste für den nächsten Tag. Die Zahnräder knirschten im Kopf.

      Er musste bei seinem Empfang vorbeischauen, ob inzwischen irgendwelche neuen Probleme auf seinem Pult lagen – natürlich unlösbar. Selbstverständlich - so war das in diesem Haus. Da kam ein Mädchen die Treppe hoch. Ein hübsches, blondes Ding. Eine von denen, die im ersten Morgengrauen draußen waren – warum auch immer – vielleicht Außerirdische betreuen oder Flugkörper parken…? Irgendwas in der Art.

      Sie lächelte ihn fröhlich an. Er würde dann gleich auch dem Lehrer Mitteilung von dem Toten machen, aber wahrscheinlich wusste der es schon. Jetzt fand Ezra es gut, wenn er ohne lange Umwege fragte: „Wie seid ihr denn in der Früh wieder reingekommen?“

      „Oh“, sagte sie. Sie hatte eine attraktive Stimme, wie eine Jazzsängerin, fand Ezra.

      „Ich weiß, dass ihr draußen wart – und ihr hattet wohl keinen Schlüssel?“

      „Mmmkrm.“ Sie war verlegen. Schließlich bekannte sie: „Das Fenster von der alten Speisekammer haben wir gestern aufgemacht, damit wir wieder rein konnten.“

      Also Planung – hier war Logik am Werk. Himmel, die alte Speisekammer, die war einer von den Dunkelräumen, die noch keine Abklärung bekommen hatten – nur die Kühlkörper hatte er hineingestellt, - für Besucher absolut ungeeignet. Das Fenster war auch ziemlich schmal. Es war deutlich höher als breit. Das Bild tauchte vor Ezras Augen auf, er hätte große Mühe gehabt, dort durchzuklettern. Es ist erstaunlich, wie schlank sich so ein Jugendlicher machen kann, wenn er wo rein oder raus wollte. Wie eine Ratte.

      Sie lächelte wieder und musste dann lachen.

      Konnte er nach ihrem UFO fragen?

      Das verlangte vielleicht zu viel Beichte auf einmal...

      MITTAG

      Warhols Tod bewirkte, dass überall Polizei mit Equipment angerückt war. Sie liefen im Hof und im Haus und rund ums Gelände, suchten, maßen und hatten himmelblaue Schutzanzüge an. Zwei befragten Leute und Ezra musste den Betrieb aufrecht halten. Dabei war er unsicher und aufgewühlt: Wie konnte der Mensch so sang- und klanglos aus der Welt verschwinden? Gerade Warhol, der immer Getöse gemacht hatte, der sein Leben verbracht hatte, wo es am gewalttätigsten und am lautesten war, der verschwand so still von der Bildfläche? War es wirklich so, als ob es ihn nie gegeben hätte? Ezra bezweifelte das sehr. Er hatte das Gefühl, dass es ein mächtiges Nachspiel geben würde. Er horchte, ob er nicht schon fernen Lärm hören konnte, sich nähernde Gewitter. Ein Warhol, der still abtrat, war für Ezra einfach nicht vorstellbar. Vielleicht kam die wilde Jagd schon heran, um einen der ihren in richtiger Form abzuholen? Und ein paar andere mitzunehmen.

      Sein Magen in Aufruhr stand er in „seiner“ Halle und versuchte herauszufinden, was seine nächste absolut notwendige Aufgabe war. Wolfgang musste er so schnell wie möglich um Klärung bitten. Irgendwer von dessen „Firma“ hatte das Ganze schließlich organisiert – die Stimme am Telefon. Was hatte der genau organisiert? Hatte der einen Mord organisiert? Was sollte Ezra dabei für eine Rolle spielen? Was sollte er tun? Wenn die ihn engagiert hatten, um einen Mord möglich zu machen, einen Mord zu decken, was konnte er dagegen unternehmen?

      Ezras Hirn ratterte und seine Gedanken sprangen zwischen dem Mord und den Verpflichtungen seines Jobs hin und her: Im Dorf gab es ein Wirtshaus – er konnte anbieten, dass er Essen dort bestellte, wenn seine Damen das alles nicht bewältigen konnten mit der Polizei im Haus – das würde er telefonisch klären können. Er lief zu seinem Pult mit dem Tuch in der Hand. Er konnte auch Kuchen bestellen mit Aufpreis… und Getränke – nein, nicht notwendig, Getränke hatte er natürlich. Er hatte den Kaffee- und Teeautomaten noch immer neben seinem winzigen Waschbecken stehen, auf einem Regal ums Eck. Im Raum war kein Platz. Das elektrische Kabel führte an der Türe vorbei, sodass er sie nicht schließen konnte. Einen kleinen Schrank hatte er auf dem Haufen in dem „Mordhaus“ gefunden. Das war lange vor der Zeit, als Leute ihre Leichen dort versteckten – mindestens drei Tage vorher. Er hatte auch ein krummes Regal gefunden, darin war seine Wäsche in einer kleinen Ecke eingeschlichtet. Den großen Raum nahm ein neuer Satz Kaffee und Teegeschirr ein. Mit sehr teuren Servietten, die er gekauft hatte, versuchte er, das vorzutäuschen, was Leute wohl von einem Hotel erwarteten.

      Ezra servierte Kaffee und Tee in der Halle auf diese Art auf eleganten Tabletts. Wenn er mit dem Service auf der vornehmen Unterlage ums Eck kam, war der Anblick erstklassig, und hinter die Ecke durfte keiner blicken. Er schwebte mit seinen Tabletts hinter dem Naturholzpult hervor, das einen feinen Duft von Bienenwachs verströmte, und keiner bekam je die schwarzen Punkte im Spiegel zu sehen. So war das System.

      In der Empfangshalle – Ezra nannte den Raum inzwischen so – um sich selbst das Gefühl von Hotel, Eleganz und Größe zu geben – stand ein kleiner grauer Mann an seinem Pult. Ah, der fehlende Gast für das vorbestellte Zimmer 4 – sicher Geheimdienst. Wenn das ausnahmsweise einmal klar war, fragte er sich, ob diese Erkenntnis mehr oder weniger Stress mit sich brachte. Er sah einen seiner Arbeitgeber dort stehen, musste sich also beweisen. Er musste ihm aber nicht vormachen, dass hier ein erstklassiges Hotel seit Jahren seine Gäste verwöhnte. Das war auch schon Erleichterung.

      „Wie soll ich Sie eintragen?“, fragte er daher und schlug sein Gästebuch auf. Es war gut, dass dieses Buch so gebraucht aussah, so nach Antiquität. Das gab der Sache eine Aura von Tradition, von Geschichte und musste seinen Arbeitgeber beeindrucken. Der abgewetzte Einband aus echtem Leder zeigte doch, dass sich hier seit Jahrzehnten Gäste eintrugen. Oder?

      Der kleine graue Mann lächelte müde. „Schneider. Ich bin schon seit gestern im Umkreis hier, habe das Haus nicht gleich gefunden. Ist mein Zimmer bereit?“

      Seltsam - wieso fand der den Ort seiner eigenen Organisation nicht? „Ja, das Zimmer wartet auf Sie. Was soll ich Ihnen bringen lassen?“, fragte Ezra beflissen.

      „Hätten Sie vielleicht Duschgel und Zahnpasta und Zahnbürste, ich konnte nicht richtig packen.

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