Kein Sommernachtstraum. Sanne Prag

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kein Sommernachtstraum - Sanne Prag страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
Kein Sommernachtstraum - Sanne Prag

Скачать книгу

Wer hatte ihn getötet?

      Aliens fielen ihr ein. Würde jetzt gleich ein Raumschiff über ihr erscheinen und sie mit einem Strahl hochbeamen? Als Versuchsobjekt. Würden sie ihr alle Zähne reißen und sie mit Krankheiten infizieren – nur so, aus Wissensdurst? Einfach aus Forscherdrang? Funktionierten Aliens wie Menschen? Und was würde dann sein – ein Restleben in einem weißen Käfig?

      Sie fühlte sich wie ein Astronaut, dessen Verbindung zum Raumschiff abgerissen war. Ein Bild von einem sehr hellen Menschen in einem Anzug wie ein Marshmallow-Männchen drängte sich vor, frei schwebend im unendlichen, stockdunklen All, hinter ihm einzelne Sterne, die dünne, helle Schnur zum Raumfahrzeug gerissen. Die Gestalt schwebte davon. Was war dann? Wie konnte man im luftleeren Raum heimfinden? Wie konnte man Richtung machen? Vielleicht schwimmend? Nein, nicht ohne Luft. Sie saß wie versteinert, starrte durch die Windschutzscheibe und hielt sich am toten Lenkrad fest.

      Dann machte sich Restvernunft bemerkbar. Sie konnte keine Aliens sehen und Autos waren auch nur Maschinen, die halt gelegentlich Defekte hatten. Sie ließ das Fenster ganz herunter und setzte sich damit den unsichtbaren Bedrohungen des Waldes aus. Die Luft war angenehm und die dunkle Masse der Bäume machte leise Geräusche.

      Sie könnte bis zum Tagesanbruch sitzen bleiben, war aber dann vor dem gleichen Problem wie gerade eben – es war nicht klar, ob jemand vorbeikäme, ob der halten würde, Hilfe leisten … Denn sie wusste ja nicht, wo sie war, und sie hatte auch einen Job. Sie musste anwesend sein am nächsten Vormittag. Da begann diese seltsame Aufgabe. – So etwas hatte sie noch nie gemacht. 11 Uhr am nächsten Vormittag begann dieser Auftrag in einigen Kilometern Entfernung … Hoffentlich in wenigen Kilometern Entfernung …

      Aber jetzt in diesem Moment musste sie mit dem Alienangriff fertigwerden. Sie versuchte, in sich hineinzulächeln. Aber der Witz gelang nicht so richtig. Die Einsamkeit umschlang sie rücksichtslos. Vernunft befahl ihr, auszusteigen und die Straße weiterzugehen – irgendwo musste die ja hinführen, das war die Aufgabe von Straßen. Vielleicht war ja das „Waldhotel“ näher, als sie dachte?

      Den letzten Ort der Sicherheit zu verlassen, kostete einige Mühe. Der Widerstand war heftig. Sich panisch auf dem Sitz einzuringeln war so naheliegend …

      Vorsichtig stieg sie aus und ging um das stille Auto herum. Dann packte sie die notwendigsten Kleidungsstücke aus ihrem kleinen Koffer in einen Sack, hängte noch ihre Tasche über die Schulter, stellte das Pannendreieck auf und versuchte, sich sportlich aktiv zu fühlen. Die Bewegung war nicht das Problem – es fühlte sich gut an, Beine zu haben, auf denen man schnell weglaufen konnte, vor was auch immer… Sie gab sich einen Stoß ins Dunkle hinein. Es fühlte sich an wie ein Sprung vom Zehnmeterbrett. Dann aber begann sie, forsch auszuschreiten – sie wollte sich forsch fühlen.

      Der Wald führte neben der Straße weiter und weiter – sie hatte Sehnsucht nach einer Wiese – wenigstens einer Wiese. Eigentlich hatte sie Sehnsucht nach bewohnten Häusern mit Licht. – Ein Lichtlein im Dunklen wie im Märchen, das war es, was eine gute Fee für sie herzaubern sollte …

      War da ein seltsames Geräusch? Hatte sie etwas gehört? Wahrscheinlich akustische Halluzinationen, weil sie so angespannt war.

      Nein, da war ein seltsames Geräusch. Es klang wie ein musikalisches Surren. Was war das?

      Ein kleiner Weg führte in den Wald in der Richtung, aus der sie glaubte, den seltsamen Ton zu hören. Es klang jetzt wie Luft in Telegraphendrähten. Wie eine Harfe, die seltsam gespielt wird – aber doch bitte nicht mitten in der Nacht. Vorsichtig folgte sie dem Pfad ein kleines Stück, schaute immer über die Schulter, um die Straße noch im Blick zu haben. Das Geräusch war jetzt von anderen Tönen begleitet. Es war deutlich, es war erzeugt – von Menschen? Durch die Bäume war ein blasser Schein zu sehen, bläulich. Wenn es Menschen waren, dann könnte vielleicht Hilfe zu holen sein. Räuberbanden waren ja inzwischen selten geworden – oder nicht? Die wohnten jetzt in den Städten, nicht im Wald.

      Sie verhielt sich sehr leise – sicher war sicher. Es schien etwas wie eine Lichtung vor ihr zu liegen, von der die Töne kamen.

      Vorsichtig spähte sie durch das Buschwerk. Das Geräusch war jetzt klar von ungewöhnlichen Instrumenten erzeugt. Sie konnte aber noch immer nicht sagen, wovon genau es erzeugt war. Ein fremder Klang – erinnerte sie ein bisschen an ein Didgeridoo, luftig, wie Musik vom Wind.

      Da lief etwas über den schmalen Spalt, den der Wald an der Mündung des Weges in die Lichtung frei ließ. Es war etwa so groß wie sie. Es war hell. Judith hatte ein Gefühl in ihrem Brustbein, das schlagartig alle anderen Gefühle verdrängte. „Da sieht man, wozu Ängste fähig sind“, dachte sie. Etwas hatte sie ein Alien sehen lassen. Sie kroch geräuschlos näher. Zwischen den Bäumen durch starrte sie auf etwas im schwachen Licht, bis ihr die Augen weh taten.

      Auf der Lichtung bewegten sich Geschöpfe seltsam, wie in Zeitlupe. Helle, glatte Gestalten, und jede hatte Antennen auf dem Kopf, die aussahen wie Fühler von Insekten. Der Klang des Didgeridoo veränderte sich nur wenig. Die Gestalten schienen im Kreis zu gehen, aber jeder Schritt war übertrieben lang, die dünnen Beine wurden bis zur Brust hochgezogen und dann lang vorgestreckt. Und so wanderten die rundum. Es war nicht grauenhaft – es war nur unmenschlich.

      Judith stand zwischen den Büschen und wagte kaum, Luft zu holen. An der Szene veränderte sich die ganze Zeit nichts. Die Gestalten gingen wie in Zeitlupe im Kreis. Die Antennen waren nicht gleich, fiel ihr auf. Manche hatten 2 Fühler und manche nur ein Ding, das aussah wie eine antike Fernsehantenne in Schlingen und Mustern gedreht auf dem Kopf. Und wieso leuchteten die Gestalten blass? Es war kein Licht im Umkreis zu sehen. Sie waren nicht beleuchtet, sie leuchteten selbst.

      Während sie dort stand, entwickelte sich kalter Schweiß in ihren Achseln und unter ihrer Brust. Schließlich kam sie zu einer Entscheidung. Es schien nicht wirklich möglich, in dieser Szene nach dem Weg zu fragen. Nein! Sie zog sich vorsichtig zurück, sehr vorsichtig.

      Als sie die Straße wieder unter den Beinen hatte, war es vor allem wichtig, dass die kleinen Steinchen unter ihren Schuhen still blieben, kein Knirschen, kein Rascheln. Das, was sie da gesehen hatte, war sicher keine Erfindung ihrer gereizten Fantasie. Sie hatte tatsächlich etwas wahrgenommen, das wie Aliens ausschaute … Was tun mit der Erfahrung? Wer immer es war, schien sie nicht bemerkt zu haben. Sie wollte auch weiter nicht bemerkt werden, nein … sicher nicht.

      Sie versuchte, sehr schnell wegzukommen, ohne ein Geräusch zu machen. Am Straßenrand stand die dunkle Form eines schlafenden Traktors – hatte vielleicht auch einen Defekt, zeigte aber Spuren von Zivilisation. Immer wieder über die Schulter schauend lief sie möglichst lautlos die Straße entlang und kalter Schweiß sickerte in ihr Gewand.

      Der Wald nahm noch immer kein Ende, die Straße wand sich bergauf. Sie hoffte so sehr auf ein Ortsschild. Diese weißen Tafeln mit der schwarzen Schrift wurden zum Ziel ihrer Sehnsucht. Schon mehrmals war vor ihr eine Erweiterung in der Wald-Wand erschienen. Eine Fata Morgana für ihr Verlangen – aber da waren nur Baumstämme, keine Lichtung, keine Wiese. Irgendwo musste diese Straße hinführen, das war ihre Aufgabe. Oder nicht?

      Schließlich kam sie wieder zu einer Erweiterung, die sie nicht mehr ernst genommen hatte. Der Himmel hatte sich inzwischen von dunkel zu blass verfärbt, und sie stand über einem Dorf in der Tiefe mit allem, was ein Dorf zu bieten hatte, außer Licht. Es schlief noch, was ja auch zu erwarten war.

      Sie ging den Hang hinunter fand eine Bank zwischen den Häusern und setzte sich, um den Morgen zu erwarten.

      ZEITIGER MORGEN

      Als alle Ansprechstellen wieder erwacht

Скачать книгу