Kein Sommernachtstraum. Sanne Prag

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Kein Sommernachtstraum - Sanne Prag

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Judith, um zu fragen, ob sie die Psychologin sei. Beide waren erleichtert, ein wenig Klarheit zu haben. Wie ein kleines Stückchen blauer Himmel, der plötzlich durch eine dichte Wolkendecke schaut. Er sagte: „Frau Dr. Dilmon gibt eine Pressekonferenz über ihre glückliche Rettung. Ich habe hier die Hotelbetreuung übernommen. Ich werde Ihnen Ihr Zimmer nach der Pressekonferenz zeigen.“ Leise fügte er hinzu: „Ich denke, die Pressekonferenz ist für Sie ein guter erster Einstieg.“ Damit lief er weiter. Judith erkannte, der Mann weiß, worum es geht. Das war ihr wissender Anker für die nächste Woche. Langsam wurden ihre Muskeln lockerer. Sie suchte sich einen Platz mit guter Sicht auf den langen Tisch und wartete.

      Noch mehr Mikrofone wurden hereingetragen. Es wurde drauf geklopft, woraufhin sie hüstelten, ein Zeichen, dass sie im Arbeitsmodus waren. Der ältere Mann strich angespannt um die Tische, sehr konzentriert.

      Schließlich kam ein moderner jüngerer Mann, schick, sichtbar tüchtig mit Windstoßfrisur. Der große ältere stand jetzt neben dem Tisch. Er hatte ein unauffälliges Aussehen, unscheinbare Kleidung, aber er wirkte gezielt und mächtig. Er war zweifellos einer der Organisatoren. Still stand er dort, seine Schultern angespannt, sein Nacken leicht nach vorne gerichtet, wuchtig wie ein Stier mit einem Ziel vor Augen. Sehr aufmerksam scannte er den Raum. War das ein Kollege von ihrem kleinen grauen Mann? Zweifellos einer, der Fäden in der Hand hielt.

      Eine elegante, grauhaarige Dame, stark geschminkt, setzte sich hinter ein Mikrofon. Also wohl eine Journalistin.

      Judith hatte ein wunderbares Gefühl, nur anwesend zu sein und Forschung zu betreiben, still und ohne Stress, nicht wie letzte Nacht. – Bei einer Pressekonferenz gab es keine Aliens – oder waren das alles verkleidete Aliens? – Bei Tag war auch das kein Problem. Der breite Ältere setzte sich an das Ende des Tisches als ob er den Tisch beherrschen würde.

      Schließlich kam eine einfach gekleidete, schlanke Frau mit sehr großen, dunklen Augen in einem schmalen Gesicht. Sie erforschte die Menschen hinter den Mikros vorsichtig, sehr zurückhaltend, sah aber nicht in den Raum. Judith sah starke Emotion. Die Frau war angespannt und hatte ein Taschentuch in einer Hand, das sie zu einer festen Kugel gedreht hatte. Der flotte junge Mann richtete ihr einen Sessel und nahm ein Mikro in Besitz.

      Sie ließ sich vorsichtig nieder, als ob Stacheln auf dem Sessel wären, und hatte noch immer keinen Blick in den Raum zu den Journalisten gleiten lassen, die Fragen stellen würden.

      Das war Dr. Dilmon oder die Frau, die es sein wollte. Judith fand ihre Haltung unsicher, verhalten. Sie wirkte vorsichtig und verkrampft. Man sah der Frau an, dass sie eine heikle Aufgabe zu erfüllen hatte. Kein Jubel an die Freiheit.

      Der junge Mann rückte mit seinem Mikrophon nahe an sie heran. Sie rückte ein wenig zurück. „Und was war das für ein Ort, an dem Sie gefangen gehalten wurden?“, fragte er nach einer kurzen Vorrede.

      Frau Dr. Dilmon saß mit sehr geradem Rücken auf ihrem Sessel. Ihre Hände waren im Schoß gefaltet, die Schultern hochgezogen. Ihre Stimme war ruhig, sachlich, aber kam tief aus der Kehle. Etwas hielt diese Stimme im Hals fest. Sie sagte: „Es war ein Lager im Urwald.“

      „Und wie war das Lager?“

      „Es waren Holzhütten, kleine Holzhütten.“

      „Und wie ist man dort mit Ihnen umgegangen?“

      „Das war normal, einfach. Wasser war genug da, in der Nähe läuft ein Fluss. Ich war nur immer wieder beunruhigt, dass sie es nicht abgekocht hatten. Wir westlichen Menschen vertragen die Bakterien schlecht, die dort normal sind.“

      „Das heißt Sie hatten große Angst, sich eine gefährliche Krankheit zuzuziehen.“

      Sie rückte ein klein wenig auf der Sitzfläche und hob den Kopf: „Nun, das ist ja immer ein Problem. Wer Jahre an unwegsamen, fremden Orten verbracht hat, hat immer diese Sorge.“ Judith merkte eine Veränderung in der Stimmlage und in der Haltung der Schultern. Jetzt hielt die Frau nichts zurück, sondern sie präsentierte etwas. Was wollte sie denn wohl gesagt haben? Was genau an dem, was sie gesagt hatte, war Absicht, musste präsentiert werden?

      …wer Jahre an einem unwegsamen Ort verbracht hat, hat immer diese Sorge… Sie wollte darauf hinweisen, dass sie jahrelang geforscht hatte, schon Jahre im Urwald war?

      Jetzt neigte sich die elegante Dame vor: „Hatten Sie oft Hunger in der Gefangenschaft?“

      „Das Essen war kein Problem.“ Die Schultern hatten sich gesenkt und wanderten dann wieder ein wenig hoch, registrierte Judith. „Ich brauche nicht viel.“ Sie saß weiter mit sehr geradem Rücken. Es entstand eine lange Pause, weil der tüchtige junge Mann sichtbar nicht wusste, ob die elegante Dame noch mehr Fragen hatte… Dr. Dilmon registrierte die Pause und sagte dann schnell: „Man muss nur immer aufpassen, dass man keine Mangelerscheinungen bekommt…“

      Alle warteten auf mehr. Der ältere Mann erbarmte sich und fragte: „Hatten Sie Mangelerscheinungen?“ Er hatte eine besonders tiefe Stimme, die hallte klar im Raum. Gleichzeitig besann sich der tüchtige junge Mann auf seine Rolle und fragte: „Und wie war das dann mit ihrer Befreiung?“

      „Die Mangelerscheinungen sind ein bekanntes Problem“, antwortete die Biologin, als ob es nur eine Frage gegeben hätte. „Aber Gott sei Dank gibt es einige Pflanzen in der Region, die man gut einsetzen kann, um Ausgleich zu schaffen. Verschiedene Abarten der Liane und auch Bodenwuchs…“ Es entstand wieder eine Pause, der junge Mann holte Luft, um seine Frage erneut zu stellen, da sagte die Biologin schnell: „Einige davon sind ziemlich giftig, man muss mit der Dosierung sehr aufpassen. – An diesem Ort vor allem gab es viele Giftgewächse, die aber genau den Mangel ausgleichen konnten, der durch die eintönige Kost immer entsteht.“ Es entstand wieder eine Pause. Judith hatte den Eindruck, Frau Dr. Dilmon wollte diese Pause nicht, es war, als ob sie sich einen Stoß geben würde, wie ein Sprung über einen Abgrund: „Es ist nicht zu vermeiden, dass Giftanreicherung im Körper entsteht“, sagte sie mit fester Stimme. „Das baut sich dann nur langsam wieder ab. Ich bekomme dadurch immer Hautprobleme. Aber gerade an diesem Ort gab es keine andere Möglichkeit.“ Hastig fuhr sie fort: „Mir geht es auch im Moment nicht so gut. Ich glaube, ich kann nicht mehr Fragen beantworten…“ Sie sagte das sehr sachlich – es war keine Veränderung an ihrer Atmung oder ihrer Haltung zu bemerken.

      „Probieren wir vielleicht noch drei Fragen aus dem Publikum?“, versuchte der ältere Mann, die Pressekonferenz am Leben zu erhalten.

      Eine junge, blonde Frau hob die Hand: „Fühlten Sie sich durch sexuelle Übergriffe bedroht?“

      Frau Dilmon sah sie intensiv an. Schließlich sagte sie langsam – mit einer anderen Stimme: „Übergriffe – nein, so war das nicht.“

      Ein junger Reporter fragte: „Waren die Menschen im Lager hauptsächlich einheimisch oder mehr Weiße?“

      „Es schien mir, als ob einige wechselnde weiße Personen sich in einem Dorf mit der dort üblichen Dorfstruktur eingenistet hätten. Es waren nicht immer die gleichen…“

      „Wie viele Leute waren dort?“, rief einer aus der dritten Sesselreihe.

      Dr. Dilmon ließ sich Zeit mit der Antwort: „Genau kann ich das nicht sagen. Ich denke, zu dem Dorf gehörten vielleicht 30 Personen, und dann waren immer so zwischen vier und acht Menschen, die anders aussahen.“

      „Und wie war das nun mit Ihrer Befreiung?“, fragte einer.

      Frau Dilmon veränderte ihre Haltung ein wenig: „Mir geht es wirklich nicht gut.“ Sie sagte das abschließend. „Ich

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