Auf getrennten Wegen. Christian Linberg

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Auf getrennten Wegen - Christian Linberg

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an, als würde sie langsam von ihnen zermahlen. Hätte sie die Kraft gehabt, sich zu wehren, hätte sie es getan, aber so blieb ihr nichts anderes übrig, als sie stumm zu ertragen. Der Schmerz sammelte sich, wurde stetig schlimmer, bis sie das Gefühl hatte, ihr Kopf müsste jeden Augenblick platzen, wenn nicht zuvor ihre Muskeln rissen. Fieber hatte sie gepackt. Ihr Körper verkrampfte sich.

      Zwischendurch fiel sie zum Glück in die schwarze Leere der Bewusstlosigkeit, nur um unsanft wieder herausgerissen zu werden. Jedes Mal, wenn sie glaubte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, wachte sie mit noch größeren Schmerzen wieder auf.

      Ein leises Wimmern entwich ihren Lippen. Obwohl kaum hörbar, schien es als wäre es doch bemerkt worden, denn plötzlich hörte das rhythmische Schaukeln abrupt auf. Zu den heißen Luftstößen gesellte sich ein leises Donnergrollen, das ihren ganzen Körper vibrieren ließ.

      Shadarr hatte ihre leisen Schmerzlaute sehr wohl vernommen.

      Knurrend stand er auf einer flachen Hügelkuppe in Sichtweite des Flusses, an dem er mit Jiang im Maul seit einigen Kerzenlängen folgte. Trotz der hereingebrochenen Dunkelheit hielt er sicher stets den gleichen Abstand.

      Er spürte und vor allem roch er, dass sie krank war. Als er sie mit seinen Zähnen gepackt hatte, um sie aus dem Sumpf zu tragen, hatte er wieder einmal gemerkt, wie merkwürdig es war, Gedanken zu formen, die nicht dem entsprachen, was er anschließend auch tatsächlich tat. Er übte sich darin, seit er Drakkans Gedanken und Gefühle empfing.

      Natürlich hätte er Jiang fressen können. Und sie hätte auch gut geschmeckt. Davon war er überzeugt.

      Doch wenn er das wirklich hätte tun wollen, hätte er es längst getan. – Vor vielen Wintern schon, als er sie zum ersten Mal gerochen hatte.

      Jetzt darüber nachzudenken, erschien ihm merkwürdig verwirrend. Für gewöhnlich tat er auch, was er dachte oder dachte was er tat oder höchstens noch, wie er es am besten tun konnte.

      Jiangs Geruch lud in der Tat dazu ein, sie zu fressen, doch sie war Drakkans Weibchen, auch wenn sie sich noch nicht gepaart hatten. Er verstand nicht, warum nicht, denn sein Rudelführer paarte sich sonst gerne und oft und mit vielen Weibchen. Ganz so wie es gut und richtig war.

      Sehr langsam ließ er Jiang zu Boden gleiten, damit sie sich ausruhen konnte.

      Sie mussten den Sumpf möglichst bald verlassen, damit er für sie beide etwas jagen konnte.

      Außerdem war das Wasser hier ungenießbar.

      Statt nach den anderen Mitgliedern des Rudels zu suchen, beschloss er, erst das zierliche Weibchen in Sicherheit zu bringen. Die Übrigen waren körperlich stärker und würden ohne seine Hilfe zu Recht kommen.

      Er blickte auf Jiang hinunter, die sich unruhig hin und her wälzte, ihre Hände abwehrend vor sich haltend.

      Ihr war nicht ganz klar, wo sie sich befand und warum ihre Reise aufgehört hatte, denn sie versuchte gerade, Zi tsin Tau davon abzuhalten, sie in sein Bett zu zwingen. Obwohl sie wusste, dass es keinen Zweck haben würde, versuchte sie immer wieder, ihn von sich weg zu schieben.

      Dieses Mal hatte er sie in einen kleinen Raum gedrängt, mit hartem, kaltem Boden. Er hatte sie zu Boden gezwungen, offenbar in einer Wäschekammer, denn alles um sie herum war feucht, klamm und dunkel.

      Sie wehrte sich nach Kräften, doch das schien ihn nur anzuspornen. Sie wagte nicht, ihre mystischen Fähigkeiten einzusetzen, denn er war ein hoher Beamter des Kaisers. Sie konnte sich nur wehren, bis er hoffentlich bald von ihr abließ.

      Shadarr stand ein wenig ratlos neben der zappelnden Shâi, die sich unsinniger Weise im Schlamm hin und her wälzte. Vielleicht half ihr das, wieder gesund zu werden. Dafür erregte ihr Gezappel mehr Aufmerksamkeit als seine massige, aber reglose Gestalt.

      Sein Magen knurrte. Zeit aufzubrechen.

      Jiang wurde plötzlich von starken Armen gepackt, die Ihr jeden Bewegungsspielraum nahmen. Wie eiserne Fesseln hielt man sie fest, so dass sie sich nicht mehr wehren konnte.

      Rücken und Beine meldeten sofort wieder Schmerzen.

      Beinahe sämtliche Muskeln verkrampften sich, aber wenigstens war ihr Nacken entlastet, weil sie auf dem Bauch lag. Obwohl sie voller Angst drauf wartete das Zi tsin Tau sie wie ein Stück Vieh bestieg, ergab sich ihr Körper schließlich den Anstrengungen und dem Fieber. Dunkelheit umhüllte sie, als sie allmählich das Bewusstsein verlor.

      1 - 6 Badefreuden -

      Das Wasser war sogar noch kälter als erwartet. Tausend Nadelstiche bohrten sich in seine Haut. Wie Öl klebte die Brühe an ihm, als er mit kräftigen Schwimmstößen auf das Ufer zu strebte. Auch der Gestank war so knapp über der Oberfläche noch unerträglicher. Droin hatte das Gefühl, sich durch Sirup ziehen zu müssen. Mühsam kämpfte er sich vorwärts. Es war nur etwas mehr als zwei Seillängen bis zu dem Streifen öden Landes, den er als Nordufer auserkoren hatte. Ganz überzeugt war er noch nicht, allerdings ziemlich sicher. Dort würde er einen Weg zurück bis zur Stadt suchen, um unterwegs nach seinen Gefährten Ausschau zu halten. So unübersichtlich die Landschaft auch war, allzu weit dürften sie nicht auseinander gerissen worden sein. Attravals Kompass alleine durch ein derart feindliches Territorium zu schaffen, war fast unmöglich. Er brauchte die Unterstützung seiner Gefährten. In Gedanken versuchte er die Bedeutung des Fundes zu ergründen. Einer der bedeutendsten Schätze der Naurim so nah bei sich zu haben war erschreckend und beflügelnd zugleich.

      Er mochte seinen Klan und dem gesamten Nordreich die Gelegenheit geben, in Gebiete vorzudringen, die sie vor vielen Wintern an die Schrecken der Tiefe verloren hatten. Eine reizvolle Vorstellung. Dafür musste er jedoch zunächst heil aus Narfahel entkommen.

      Die Kälte bohrte sich immer tiefer in seinen Körper und lähmte langsam seine Muskeln. Er durfte keinen Augenblick länger im Wasser bleiben als unbedingt nötig.

      Etwas streifte sein Bein.

      „Das hat mir noch gefehlt!“, fluchte er, während er seinen Dolch zog. Noch zehn Schritte bis zum Ufer. Wieder eine Berührung, dieses Mal an der Schulter.

      Es streifte seinen Ellenbogen.

      Droin hatte den flüchtigen Eindruck von rauer Schuppenhaut.

      Dann fühlte er plötzlich einen scharfen Schmerz an seiner Wade. Etwas hatte ihn gebissen.

      Fluchend unterdrückte er das Bedürfnis, die Wunde zu untersuchen. Stattdessen mühte er sich, noch schneller zu schwimmen. Wieder ein Biss, dieses Mal in die Hüfte, dann ein weitere in seinen Arm.

      Er betrachtete kurz die Wunde, die knapp neben seinem Handgelenk war. Sie war kleiner als befürchtet. Ein kreisrundes Stück Haut von der Größe einer Münze fehlte dort. Die Ränder zeugten ganz deutlich die Abdrücke kleiner scharfer Zähne.

      Droin erhöhte sein Tempo. Nur fünf Schritte bis zum Ufer. Als wären seine Bemühungen das Stichwort, bissen ihn mehrere Kreaturen zugleich.

      Er schlug und trat wütend um sich, traf aber keinen seiner Peiniger. Immerhin schaffte er es so, festen Boden unter die Füße zu bekommen. Er sprang regelrecht auf das Ufer. Keuchend blieb er einen Atemzug liegen, den Blick auf das Wasser gerichtet. Sein Körper war mit zahlreichen Wunden übersäht.

      Er hatte sie noch nicht alle gezählt, als er plötzlich ein platschendes Geräusch

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