Mafia Brothers. Sarah Glicker

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wieder betont, dass ich ein Teil seines Lebens bin. Allerdings hat er mich nie so behandelt und das wollte ich an diesem Abend ändern.

      Bis zu diesem Moment war ich davon ausgegangen, dass er mir vertraut. Diese Unterhaltung hatte mir jedoch das Gegenteil gezeigt. Mir wurde klar, dass er mir nicht vertraut. Und ehrlich gesagt habe ich mich sogar gefragt, ob er das jemals hat.

      Daher habe ich nun Angst davor, was passiert, wenn er mich bemerkt.

      Bevor ich eine Lösung für mein Problem, falls man es so nennen will, finden kann, dreht er sich in meine Richtung und setzt sich in Bewegung. Doch es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde, bis er auf mich aufmerksam wird. Ein wenig kommt es mir so vor, als würde er genau wissen, dass ich hier stehe, was aber nicht sein kann.

      Seine Augen sind direkt auf mich gerichtet und ein sanftes Lächeln erscheint auf seinem Gesicht.

      Es kommt mir so vor, als würden wir hier alleine stehen. Schnell rufe ich mir in Erinnerung, dass wir umgeben sich von Menschen und seinem Bruder, doch auch das bringt nichts. Er hat mich sofort in seinen Bann gezogen und ich schaffe es nicht, mich daraus zu befreien.

      Einige Sekunden vergehen noch, bis er auf mich zukommt.

      Mein Herz rast wie verrückt, während ich nach einem Ausweg suche. Schon damals hat er mir diese Reaktion entlockt. Ihm konnte ich noch nie entkommen.

      Erneut gehe ich unsere letzte Unterhaltung durch, doch auch das hilft mir jetzt nicht.

      Dicht vor mir, sodass uns nur noch wenige Zentimeter trennen, bleibt er schließlich stehen, beugt sich nach unten und küsst mich sanft auf die Wange. Automatisch schließe ich die Augen, so sehr genieße ich die Berührung. Mir ist bewusst, dass es falsch ist, doch ich kann es auch nicht verhindern.

      Bis jetzt bin ich davon ausgegangen, dass ich das nie wieder spüren werde. Umso mehr zieht es mich nun aus meiner Bahn.

      Als er sich von mir löst, öffne ich sie wieder und sehe direkt in seine. Ich erkenne den aufmerksamen Blick, mit dem er mich betrachtet. Es ist der gleiche Blick, mit dem er mich damals schon immer angesehen hat. Daher weiß ich, dass ihm nichts entgeht.

      Für einen Moment ist es so, als hätte sich nichts zwischen uns geändert. Als hätte es diese fünf Jahre und diesen Streit nicht gegeben. Ich spüre noch immer diese Verbindung zwischen uns, die es auch damals schon zwischen uns gab. Doch darauf kann ich mich jetzt nicht konzentrieren.

      Seine Blicke bleiben an den Prellungen hängen, die sich an meinen Armen befinden. Da ich ein Shirt trage, sind sie nicht zu übersehen. Da meine Kollegen denken, dass ich ein Trampel bin, fragen sie schon gar nicht mehr. Allerdings bin ich mir sicher, dass es bei ihm nicht so ablaufen wird.

      Langsam hebt er seine Hände und streicht vorsichtig darüber, sodass sich eine Gänsehaut auf meinem Körper bildet.

      Schon damals konnte ich meine wahren Gefühle nicht vor ihm verheimlichen. Von der ersten Sekunde an war ich ein offenes Buch für ihn. Schon damals wusste er, wenn etwas nicht mit mir stimmt. Und in diesem Moment weiß ich, dass sich nichts daran geändert hat.

      Ich kann mich nicht vor ihm verstecken.

      „Wie ich sehe, bist du wieder auf freiem Fuß“, stelle ich also fest. In mir macht sich die Hoffnung breit, dass ich so dafür sorgen kann, dass er sich nicht weiter damit beschäftigt.

      „Wer war das?“, fragt er und zeigt mir so, dass ich gar nicht erst versuchen muss, ihn abzulenken.

      Langsam senke ich meine Augen und begutachte die Stellen ebenfalls, über die er streicht. In diesem Moment bin ich froh, dass er nur das sieht, was ich nicht unter Kleidung verborgen habe. Und das reicht anscheinend schon aus, dass er wütend wird.

      Ich sehe, wie sich seine Muskeln anspannen. Ich schlucke und versuche so den Kloß aus meinem Hals zu entfernen, der sich dort gebildet hat. Das gelingt mir jedoch nicht.

      „Du weißt, dass ich schnell blaue Flecke bekomme“, gebe ich nur von mir.

      Dies war damals schon meine Ausrede, wenn mein Bruder wieder zugeschlagen hat. Und das ist leider öfter passiert, als es gut für mich war. Er hat mich zwar noch nicht dazu gezwungen den Job zu machen, den ich jetzt mache. Auf mich abgesehen hatte er es aber schon.

      „Rachel, wer war das?“

      Seine Stimme ist nicht mehr, als ein Knurren. Ich spüre die Wut, die von ihm ausgeht. Allerdings habe ich keine Angst vor ihm. Mein Verstand sagt mir, dass er mir nie etwas antun würde. Ich habe ihm schon damals vertraut und das tue ich auch jetzt noch. Dabei ist es egal, was zwischen uns vorgefallen ist.

      Doch ich kann es ihm nicht sagen.

      Ich habe nämlich keine Ahnung, was geschehen wird, sobald er die Wahrheit weiß. Und genauso wie ich meine Eltern nicht mit in diese Geschichte ziehen will, will ich es auch bei ihm nicht.

      „Es war schön, dich zu sehen. Aber ich muss jetzt los. Ich habe noch einen Termin, zu dem ich nicht zu spät kommen kann“, entgegne ich und sehe ihn dabei wieder an. Doch das hat nur zur Folge, dass es mir schwerfällt, diese Worte auch auszusprechen.

      Am liebsten würde ich mich an ihn lehnen und diesen ganzen Mist vergessen, der mein Leben bestimmt. Doch ich kann es nicht. Ich kann es mir nicht leisten, Schwäche zu zeigen.

      Bevor ich an ihm vorbeigehen kann, greift er nach meinem Handgelenk und hindert mich so daran. Sein Blick ist durchdringend und lässt mich atemlos zurück. So hat er mir schon damals gezeigt, was er für mich empfindet.

      Die Vorstellung, dass es auch jetzt noch so ist, ist etwas, was ein warmes Gefühl in mir hervorruft. Doch schnell schiebe ich es wieder zur Seite. Es hilft mir hier jetzt nicht weiter.

      Ein letztes Mal lächle ich ihn an, bevor ich verschwinde. Ich weiß, dass er mir nachsieht, bis ich in der Menschenmenge untergegangen bin. Und ich weiß nicht, ob ich froh darüber sein soll, oder nicht.

      Cody war damals mein Fels. Wenn wir zusammen waren, konnte ich alles vergessen und habe mich nur noch auf ihn konzentriert. Ich habe nicht mehr an meinen Bruder gedacht. Ich konnte mich fallen lassen und ich selber sein.

      In den letzten Minuten habe ich geschafft, es zu verdrängen. Doch kaum habe ich die Wohnungstür hinter mir geschlossen, suchen sich die Tränen einen Weg und laufen mir ungehindert über die Wange. Es ist egal, wie sehr ich es versuche, ich schaffe es einfach nicht, mich zu beruhigen.

      Vor meinem inneren Auge habe ich wieder Bilder von der gemeinsamen Zeit mit Cody. Gerne hätte ich ihm damals gesagt, was in meinem Leben los war. Außerdem wüsste ich auch nicht, was er dagegen unternehmen sollte.

      Gerade wünsche ich mir, dass er niemals verhaftet worden wäre. Ich will wieder zu unserem damaligen Leben zurück. Denn so verrückt es auch klingt, es war immer noch besser als das, was in den letzten Jahren alles geschehen ist.

      Für einen Moment überlege ich mir, ob ich mich in meiner Wohnung einschließen soll. Ich könnte nie wieder rausgehen. Doch mir ist bewusst, dass das mein Problem nicht lösen wird, auch wenn ich keine andere Lösung habe.

      Dennoch stehe ich schließlich wieder auf, straffe meine Schultern und mache mich fertig. Dabei hoffe ich, dass ich diesen Abend schnell und vor allem ohne größere Schäden hinter mich bringen kann. Und vor allem hoffe ich, dass ich diesen Mann danach nie wieder sehen muss.

      Als

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