Der Schundfilm meines Lebens. Emmi Ruprecht

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Der Schundfilm meines Lebens - Emmi Ruprecht

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      Um den Fuß des Bügeleisens herum brutzelt und schmurgelt es. Schwarzbraune Ränder zeigen, dass das Hemd definitiv nicht mehr zu retten ist ...

      … und das Bügelbrett gleich auch nicht mehr, weil das als nächstes dem vergessenen heißen Eisen zum Opfer fällt. Später, wenn Sibille nach einem langen, tränenreichen Abend bei ihrer Freundin, zu der sie sich in ihrer Verzweiflung geflüchtet hat, zurückkehrt, werden von dem kleinen Häuschen am Stadtrand nur noch die Grundmauern stehen.

      Na, es geht doch!

      Obwohl – mir fällt ein, dass die Filmheldin eigentlich auch keine Freundin mehr haben darf. Schließlich ist sie richtig am Ar… ähm … sie steckt sozusagen kopfüber in der Sch…üssel und hat nichts und niemanden mehr, bei dem sie sich ausheulen kann. Nicht einmal ihren Hamster, denn den hat sie beim Bügeleisen zurückgelassen!

      Ich streiche das mit dem Hamster. Das gibt nur wieder Ärger mit Tierschützern. Aber das Problem bleibt: Wie kriege ich es hin, dass Sibille nicht einmal mehr eine Freundin hat? Hm. Streiten die beiden? Aber wer streitet schon mit einer Frau, deren Mann gerade bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen ist?

      Dazu fällt mir nichts ein. Frustriert lasse ich mich in meinen Schreibtischstuhl zurücksinken. Es ist wohl doch nicht so einfach, wie ich anfangs dachte. Einerseits brauche ich eine komplett überzogene Story, in der wirklich das ganze Leben der Heldin restlos in Bergen aus Schutt und Asche versinkt, andererseits sagte der Producer, dass die Geschichte wie aus dem Leben gegriffen sein soll – so, als könne das Ganze jedem jederzeit passieren. Wie soll das gehen?

      Eine beängstigende Leere scheint sich erneut in meinem Kopf ausbreiten zu wollen und ich frage mich, wie es mir gelingen soll, mich in eine völlig unrealistisch katastrophale Situation hineinzudenken, wenn ich so etwas nicht kenne, weil in meinem Leben alles gut ist: Ich habe einen Partner, eine Wohnung, bin gesund und habe Freundinnen. Bei mir ist alles in bester Ordnung!

      Jaja, gut, okay, es könnte besser laufen. Ein Drehbucherfolg, der mein Dasein durch Einkünfte bereichert, wäre schön, um nicht zu sagen notwendig. Doch ansonsten ist alles bestens! Fast würde ich sagen unspektakulär. Beinahe langweilig. In meinem Leben gibt’s keine Dramen, und eigentlich finde ich das auch ganz gut so! Als Vorlage für einen kitschigen Liebesfilm, wo die Heldin alles, außer den Hamster, weil sie keinen hat, verliert, ist es jedoch nicht zu gebrauchen. Doch wie kann dann eine ganz alltägliche Katastrophe aussehen, wenn zumindest bei mir Katastrophen nun einmal nicht alltäglich sind?

      Stöhnend lasse ich meinen Kopf in die Hände fallen. So wird das nix! Ich muss anders an die Sache herangehen, und zwar muss ich mich fragen …

      Genau! Ich muss mich fragen, was in meinem Leben passieren müsste, damit es zu einem katastrophalen Chaos wird. Jetzt. Hier. Von diesem Stuhl, dieser Wohnung, diesem Moment aus. Wie würde mein Leben in einem Film aussehen, wenn es hier und jetzt explodierte?

      Ich schlucke. Was für eine Vorstellung! Doch es hilft nichts, da muss ich durch. Außerdem passiert es ja nicht wirklich. Ich muss es mir nur vorstellen!

      Hm. Zunächst einmal würde ich vermutlich meinen Mann – beziehungsweise meinen Lebensgefährten, denn wir sind nicht verheiratet – verlieren.

      Schmerzhaft verziehe ich das Gesicht. So etwas mag ich mir nicht einmal vorstellen! Sterben dürfte er auf gar keinen Fall. Aber was dann? Bliebe nur, dass er mich betrügt. Ich grinse in mich hinein, denn mein Konstantin hat nicht das geringste von einem Fremdgeher! Auch wenn er sehr attraktiv ist, groß und schlank, mit einem furchtbar sympathischen Lächeln, strahlend blauen Augen ... ich lächele glücklich vor mich hin ... so zeigt er trotzdem nicht die geringsten Ambitionen, das auszunutzen. An ihm ist so gar nichts Verwegenes, in seinem Blick ist nichts Verschlagenes und sein Verhalten ist kein bisschen geheimnisvoll. Kann so ein Mann eine Frau hintergehen? Niemals! Und außerdem glaube ich nicht, dass ein Mann, der es verdient, dass man ihn liebt, überhaupt in der Lage ist, eine so großartige Frau wie meine Filmheldin zu betrügen!

      Doch leider zählen solche Spitzfindigkeiten nicht. Wenn der Mann der Hauptperson nicht sterben soll, dann muss er sie betrügen und verlassen. Punkt.

      Erst zögernd, dann immer zuversichtlicher, entwickele ich die Handlung auf meinem Bildschirm: Sibilles Mann Karsten – Karsten König hört sich super an für eine TV-Romanze! – fängt ein Verhältnis an, wovon sie, Sibille, die alle nur liebevoll „Billie“ rufen, nichts ahnt. Dabei stellt er sich noch nicht einmal sehr geschickt an, um seine aushäusige Liebschaft zu verheimlichen. Die Zuschauerinnen werden ihm sofort auf die Schliche kommen! Sein abwesender Blick, wenn Sibille sich an ihn schmiegt, das verräterische Zusammenzucken, wenn sein Smartphone klingelt, und dann vergisst er auch noch, dass sie zu ihrem Jahrestag ins Theater gehen wollten. Viel zu spät kommt er heim, während sie vor dem Spiegel schon die Ohrringe anlegt, als letzten Handgriff, bevor sie startklar ist. Nölend fragt er, ob dieses Event, auf das sie sich so sehr gefreut hat, denn wirklich sein muss. Und während vor dem Bildschirm bei Prosecco und Schokolade die Stirn gerunzelt wird und jeder halbwegs versierten Zuschauerin klar ist, was die Uhr geschlagen hat, ist Sibille, die dusselige Kuh, beziehungsweise die naive Ehefrau, voll des Verständnisses für ihren hart arbeitenden Gatten und ahnt nichts. Dafür ist sie viel zu gutmütig, glaubt zu fest an die Liebe ihres Lebens und kann sich einen solchen Verrat von dem Mann, der ihr die ewige Treue geschworen hat, nicht vorstellen!

      Während ich den treulosen Ehemann und seine treudoofe Gattin an meinem Rechner skizziere, schmunzele ich vor mich hin. So ein Blödsinn! Wie soll eine Frau so naiv sein, dass sie nicht merkt, wenn der eigene Mann sich umorientiert? Meinetwegen – in einem sinnentleerten Schundfilm ist das wohl möglich. Aber im wahren Leben würde jede Frau, die nicht ganz doof ist, ihrem Gatten schnell auf die Schliche kommen. Alleine schon deshalb, weil Frauen viel sensibler sind für Veränderungen im Verhalten oder im Tonfall ihres Liebsten, und erst recht für einen verräterischen Duft am oder einen Fleck auf dem Hemd! Außerdem sind sie misstrauischer, weil sie selbst auch viel gerissener sind, als Männer es mit ihrer fantasielosen Art sein können. Und da sich so eine Affäre nur selten in fünf Minuten zwischen Tür und Angel oder in der Besenkammer abspielt, braucht man Zeit und hinterlässt Spuren. Beides ist verräterisch und bringt die Sache unweigerlich ans Licht!

      Missbilligend schüttele ich den Kopf. Doch trotz meiner Zweifel an der Logik der Geschichte muss ich Sibille so anlegen, dass sie selbst bei den gröbsten Schnitzern ihres Gatten zunächst nichts von seinen Umtrieben bemerkt. Nur die Zuschauerinnen werden ahnen, was da außerhalb des ehelichen Schlafgemachs vor sich geht!

      Nach und nach baut sich die Handlung um die Heldin und ihren ehebrecherischen Gatten in meiner Vorstellung auf. Ich sehe die beiden vor mir, in ihrem schicken kleinen Häuschen in einer beschaulichen, von Bäumen flankierten und mit Kopfstein gepflasterten Straße. Das perfekte Paar in einer perfekten Umgebung. Sympathisch und bei Nachbarn und Kollegen gleichermaßen gut gelitten – jedenfalls sie.

      Dann stelle ich mir Sibille vor, die nette, hübsche, beliebte kleine Blondine, wie sie wie jeden Tag das Haus verlässt, tief Luft holt um die morgendliche Frische zu genießen, bevor sie mit einem fröhlichen Gruß an den Rentner von nebenan, der gerade seine Rosen schneidet, aufs Fahrrad steigt und zur Arbeit fährt.

      Fahrradfahren ist gut! Es zeigt Sibille umweltbewusst, naturverbunden und außerdem herrlich bescheiden.

      Ihr Karsten ist da natürlich ganz anders! Gestresst und mit Blick auf seine teure Armbanduhr eilt er aus dem Haus, verschwendet keinen Blick an seine Umgebung und schon gar nicht an den alten Nachbarn von nebenan, der die Hand zum Gruß hebt und sogleich enttäuscht wieder sinken lässt, weil er realisiert, dass Karsten nur Augen für die Fernbedienung seiner Garage hat, in der sein Sportwagen auf ihn wartet. Nachlässig wirft der Ignorant seinen Mantel und die

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