Der Schundfilm meines Lebens. Emmi Ruprecht
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„Sehen Sie – ich weiß nicht, was Brigitte geritten hat, sich so für Ihr erstes Skript einzusetzen. Ich meine das über diese Reisegruppe in Italien, deren Mitglieder plötzlich alle den Sinn ihres Lebens erkennen und sich in endlosen Selbstreinigungsprozessen ergehen, und das ganz ohne eine nennenswerte Handlung …“
Ich ziehe deutlich hörbar die Luft durch die Nase ein.
„Sie haben mich gefragt!“, verteidigt sich Herr Hansen energisch. Dann überlegt er es sich anders und seine Stimme nimmt eine weichere Färbung an.
„Vielleicht ist das zu hart formuliert“, gibt er zu. „Aber wie dem auch sei: Solche, die Psyche erforschenden Filme … wie soll ich sagen … die gibt es natürlich auch. Doch in den seltensten Fällen lassen sich damit Quotenerfolge erzielen, und das wissen die Sender. Deshalb ist es extrem schwierig, einen Interessenten für einen – na, ich sag’s mal vorsichtig – ‚anstrengenden‘ Stoff zu finden.“
Ich stoße die Luft geräuschvoll wieder aus.
„Besonders, so lange Sie noch nicht etabliert sind. Da gehen solche Themen gar nicht! Das nimmt Ihnen keine Redaktion ab.“ Nach einer kurzen Pause ergänzt er: „Jedenfalls nicht noch einmal. Keine Ahnung, wie Brigitte das hinbekommen hat, dass Ihr Reisegruppen-Psycho-Drama überhaupt beim Sender diskutiert wurde!“
Ich fühle mich wie vom Lastwagen überfahren. Herr Hansen hält meine Drehbücher scheinbar ganz generell für unverkäuflich? Ich bin sprachlos. Ist der irre? Was glaubt er denn, was Brigitte und ich gemacht haben, damit die Redaktion bei meinem ersten Versuch Interesse zeigte? Nackig Handstand? Eine Hochschwangere und … und ich? Ich schüttele mich kurz. Wie krank muss jemand sein, um so etwas für möglich zu halten? Das muss ich erst einmal verdauen!
Nach einer Weile höre ich von Ferne eine Stimme zu mir sprechen.
„Sind Sie noch dran?“
Ich schlucke.
„Ja“, gebe ich zurück und merke, wie mir ein Frosch im Hals sitzt.
„Weinen Sie jetzt etwa?“, kommt es entsetzt aus dem Hörer.
„Nein“, fauche ich zurück, obwohl mir tatsächlich zum Heulen zumute ist. Ich fühle mich entsetzlich! Bis eben habe ich geglaubt, ich sei eine angehende Drehbuchautorin. Jedenfalls ein bisschen! Und nun bin ich nur eine Zeitverschwendung, die man lieber heute als morgen bei der Konkurrenz sehen würde!
„Solche Stoffe gehen nun einmal ganz schlecht“, erläutert mir der Mann, der eben mein mühevoll aufgebautes Selbstbild als Verfasserin intellektuell anspruchsvoller Drehbücher innerhalb von Minuten zerstört hat. „Das liegt nicht an Ihnen.“
„Woran liegt es dann?“, frage ich, redlich bemüht, jedes Zittern aus meiner Stimme zu verbannen.
„Am Stoff!“, gibt mein Gesprächspartner trocken zurück. „Ich sagte es bereits.“
Der hat Humor! Sein Leben ist ja auch noch heil – im Gegensatz zu meinem. Obwohl … vielleicht heißt das ja …
„Sie meinen also, wenn ich andere Themen verarbeitete, dann wären meine Skripte unter Umständen leichter vermittelbar?“
Ich traue mich kaum, diese Frage zu stellen, aus Angst, er könnte verneinen und meinen, dass es so oder so keinen Zweck hat und ich sollte das mit dem Filmgeschäft lieber lassen, weil Krankenschwester ja auch ein schöner Beruf sei, oder Gärtnerin oder weiß der Teufel was! Doch nun ist die Frage heraus und ich werde mir seine Antwort anhören müssen.
„Richtig.“
Ich stutze. Moment – hat Herr Hansen das gerade wirklich gesagt? Meint er das tatsächlich? Ich bräuchte nur einen anderen Stoff zu bearbeiten und hätte damit vielleicht eine Chance? Das soll das ganze Problem sein? Warum sagt er das nicht gleich!
„Und … und was sind das für Stoffe, die dafür sorgen könnten, meine Arbeit leichter zu vermitteln?“, frage ich vorsichtig. Noch kann ich nicht glauben, dass die Lösung meiner Probleme so einfach sein soll!
„Ich kann Ihnen natürlich nicht versprechen, dass Sie damit eine Garantie für die Verfilmung sozusagen schon in der Tasche haben“, wiegelt Herr Hansen eilig ab. Fast scheint es ihm leid zu tun, mir Hoffnungen gemacht zu haben. „Ich will nur sagen: Ja, Sie können Drehbücher schreiben, und sogar fernsehtaugliche! Könnten Sie das nicht, hätten Sie Brigitte niemals überzeugt. Wenn Sie es jetzt noch hinbekämen, sich einem Thema zu widmen, das sich auch einem größeren Publikum erschließt … vielleicht mit ein bisschen mehr Handlung, ein bisschen weniger Psychoanalyse, halt ein Drehbuch für einen unterhaltsamen Film, statt depressionsfördernder Kost …“
Ich sauge erneut hörbar Luft durch meine Nasenlöcher ein.
„…wenn es Ihnen also gelänge, sich einem publikumstauglichen Sujet zuzuwenden und das in ein amüsantes Drehbuch zu verpacken, das die Grundlage für einen Film bietet, den man gerne auch noch abends kurz vor dem Einschlafen sieht …“
Gleich werde ich ihn durchs Telefon ziehen, wenn er nicht aufpasst!
Ungerührt ob meiner gekränkten Künstlerseele fährt der Producer fort: „… ja dann – warum nicht? Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Sie den Chef damit überzeugen könnten, und der wiederum einen Sender dazu bringt, das Wagnis einzugehen, mit einem noch unbekannten Autoren zusammenzuarbeiten und einen Film zu produzieren. Aber natürlich müssten Sie das Metier überzeugend bedienen! Ein gutes Drehbuch für eine leichte Liebeskomödie schreiben kann auch nicht jeder.“
„Eine Liebeskomödie?“, hake ich nach und schlucke meinen Unmut herunter über diesen unverschämten Schnösel, der mir gerade ziemlich deutlich an den Kopf geworfen hat, ich sei nicht amüsant und darüber hinaus nicht einmal unterhaltsam!
„Was genau verstehen Sie darunter?“
„Na ja, einen leichten Liebesfilm eben. Sowas geht immer!“, platzt Herr Hansen heraus.
Ich bin irritiert.
„Einen Liebesfilm?“, frage ich hilflos. „So etwas wie ‚Lovestory‘? Oder ‚Frühstück bei Tiffany‘?“
„Um Himmels willen – nun werden Sie doch nicht gleich schon wieder so intellektuell. Drei Nummern einfacher! Ich spreche von einer ganz normalen Liebesgeschichte, wie sie jeden Tag irgendwo um uns herum passieren kann. Sowas wie ‚Jenseits des Verlangens‘ oder ‚Liebeskummer lohnt sich nicht‘ oder eben irgendeine Verfilmung von Rosamunde Pilcher.“
Ich muss davon ausgehen, mich verhört zu haben. Das kann der Mann am anderen Ende der Leitung unmöglich gesagt haben! Herr Hansen trägt mir an, ein Drehbuch für einen waschechten Schundfilm zu schreiben? Mir? Der Frau, die souverän komplexe Charaktere und treffsichere Dialoge entwirft? Der Frau, die die Grundlage für einen psychologisch wegweisenden Film über die tiefen Abgründe in den Seelen ganz alltäglicher Menschen verfasst hat, die sich in der Abgeschiedenheit der italienischen Bergwelt auf ihren innersten Kern besinnen? Einer tiefsinnigen und feingeistigen Intellektuellen, die sich aufgemacht hat, die Qualität zurück ins Fernsehen zu bringen und Menschen und ihre berührenden Geschichten in ihrer ganzen Vielfalt, weit ab von den sattsam bekannten Stereotypen zu erzählen? Ich soll romantische Komödien schreiben? Liebesfilme? TV-Schmachtfetzen? Das ist schlimmer, als nicht unterhaltsam zu sein. Das ist vernichtend!
Ich