Der Schundfilm meines Lebens. Emmi Ruprecht

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Der Schundfilm meines Lebens - Emmi Ruprecht

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überredete. Ich selbst finde mich nicht so mondän, aber der Pony gefällt mir! Meine Figur, na ja, ein bisschen fülliger sind meine 1,72 Meter schon geworden, seit ich meinem Job Adieu gesagt habe. Die Taille war schon schlanker und die Oberschenkel sind etwas stämmig geworden. Aber haben nicht alle Frauen Gewichtsprobleme, manche vielleicht auch nur eingebildete? Dann könnte eine normale Frau theoretisch so aussehen wie ich?

      Zumindest das mit dem Gewichtsproblem finde ich überzeugend. Ich notiere im Geiste: Die Hauptfigur ist mollig. Natürlich nur ein ganz klein wenig, denn sie muss ja andererseits auch umwerfend schön sein, was sie selbst in ihrer grenzenlosen Bescheidenheit nur nicht erkennt. Sie macht nicht viel aus sich, sie ist „natürlich“, mit Jeans und Pullover, Hauptsache praktisch, ohne viel Schnickschnack. Erst später wird sie zu einem zauberhaften Schwan werden, einer Schönheit, der sich kaum ein Mann entziehen kann, und schon gar nicht der Held, der schon lange ihre körperlichen Vorzüge erahnte, von denen sie selbst nie Notiz nahm.

      Huch!

      Erstaunt nehme ich zur Kenntnis, dass ich plötzlich genau so denke, wie man denken sollte, wenn man vorhat, eine durchschnittliche Wald-und-Wiesen-Liebesgeschichte fürs Fernsehen zusammenzubasteln. Beängstigend! Ich bin also auf einem guten Weg.

      Plötzlich kommt Leben in meine Gehirnwindungen und im Geiste wird meine Filmheldin geboren: Eine Frau, ein bisschen jünger als ich – vielleicht Mitte dreißig? Das hört sich besser an als Anfang vierzig. Außerdem würde ich mich mit Hauptpersonen ab vierzig im Seniorensegment für Liebeskomödien befinden, und die funktionieren meinen spärlichen Erfahrungen als Zuschauer nach völlig anders als das, was Herr Hansen sich vorstellt, und zwar so, dass man sich stets eine betuliche Inge Meysel in der Hauptrolle vorstellen kann!

      Ich versuche die Bilder aus meinem Kopf zu kriegen, die gerade entstanden sind. Reiß‘ dich zusammen, Hanna!

      Also, die Filmheldin ist Mitte dreißig. Viel jünger sollte sie auch nicht sein, denn es soll ja kein Teenie-Film werden. Schließlich hat Herr Hansen von Fernsehsendern und nicht von einem YouTube-Kanal gesprochen.

      Hm, und wie weiter?

      Ich denke, die Heldin sollte einsfünfundsechzig Meter groß sein. Ich habe gelesen, dass das die Durchschnittsgröße deutscher Frauen ist. Ich finde das zwar erschreckend winzig, denn ich finde mich schon zu klein mit meinen einszweiundsiebzig, aber darum geht es hier nicht. Es geht um die Norm, und die ist am besten mit dem Durchschnitt abzubilden.

      Dann fällt mir ein, dass für die weibliche Hauptrolle sicher eine Blondine ausgesucht wird. Blond passt einfach gut zur Heldin einer harmlosen Liebeskomödie. Schließlich ist die Heldin die Gute, und seit jeher sind die Blonden die Guten und die Brünetten die Bösen – jedenfalls in der Art von seichter Unterhaltung, die ich hier zusammenschreiben muss. Ich hingegen mit meinen dunklen Haaren, dem blassen Teint, dem schmalen Gesicht und den ernst dreinblickenden Augen würde bestenfalls in der Verfilmung eines literarischen Klassikers aus dem neunzehnten Jahrhundert die Heldin sein können. Bei einem in der heutigen Zeit angesiedelten LonA – Liebesfilm ohne nennenswerte Aussage – würde der Produzent niemals jemanden wie mich zur engelsgleichen Heldin ohne Fehl und Tadel machen!

      Also fasse ich zusammen: Die Heldin hat blonde Locken, eine sehr frauliche Figur mit etwas Bauch und vielen weiblichen Rundungen, denn Weiblichkeit ist bei dieser Art von Filmen ein Muss! Und sie heißt … ach je! Wie heißt denn so jemand?

      Nachdenklich kaue ich auf meinen Nägeln herum. Ein passender Name für die Protagonistin einer TV-Romanze muss her! Nicht zu modern, nicht zu altbacken. Wohlklingend, aber nicht zu verspielt, weil sie ja schon blonde Locken hat und in meiner Fantasie aussieht wie eine Putte aus dem Weihnachtssortiment eines Deko-Geschäfts. Oder wie meine ehemalige Kollegin vom Empfang meiner alten Arbeitsstelle, die sich nur für ihr Aussehen und den schönen Herrn Schubert aus dem Controlling interessierte und sich gerne hinter dem Tresen die Nägel lackierte. Wie hieß die noch gleich?

      Sibille! Sibille ist gut. Vermutlich guckt so eine auch Liebesfilme?

      Der Name passt also. Sie heißt Sibille. Sibille König. Genau! Das hört sich doch schon vielversprechend nach einem schlechten Film an! Außerdem wird sie von allen liebevoll „Billie“ gerufen.

      Ich muss mich in Gedanken übergeben. Schrecklich! So eine gequirlte Hundeka… ähm … häufchen! Was mache ich hier eigentlich?

      „Deinen Lebensunterhalt sichern“, antwortet mir eine Stimme in meinem Kopf. Sie hört sich ein bisschen wie die meiner Mutter an, was mich erstaunt. Denn unter „Lebensunterhalt sichern“ versteht meine Mama ganz sicher etwas anderes, als sich der Illusion hinzugeben, eine erfolgreiche Drehbuchautorin zu werden!

      Ich schlucke, aber recht hat sie, die Stimme. Weiter geht‘s! Was ist der Plot, also das Handlungsgerüst des Films? Worum dreht es sich? Und wie fange ich die Geschichte an?

      Die Worte von Herrn Hansen drängen sich mir auf: Die Heldin steckt in der Klemme und ihr ganzes Leben gerät aus den Fugen. Mann weg, Haus weg, Job weg, selbst Freunde hat sie keine.

      Hm. Das ist ja echt blöd! Wie soll denn das alles passieren, und auch noch gleichzeitig? Es fällt mir schwer, mir das vorzustellen. Was, um Himmels willen, muss geschehen, um so ein fatales Ergebnis hervorzurufen?

      Ich lehne mich zurück und überlasse es meinem Unterbewussten, Bilder zu dem Thema zu entwickeln. Hmmm … vielleicht hat ihr Mann einen schweren Unfall? Die Nachricht von seinem Unglück bekommt sie telefonisch, als sie gerade bügelt – sein blütenweißes Hemd, das er am nächsten Tag ins Büro anziehen will! Oh ja! Ich sehe es direkt vor mir: Bester Dinge und von nichts als dem alltäglichen Einerlei beschwert, steht Sibille mit einem fröhlichen Lächeln am Bügelbrett in ihrem schicken Wohnzimmer mit den riesigen Fenstern, die den Blick auf einen hübschen Garten freigeben. Eine kleine Idylle! Nichts rasend Schickes, aber hell und gemütlich, eben ein ganz normales Zuhause für ein sympathisches Pärchen. Sie summt vor sich hin, bearbeitet gut gelaunt das weiße Hemd auf dem Bügelbrett und will gerade zum Wäschesprenger greifen, als das Telefon klingelt.

      Auf meinem Bildschirm entsteht die erste Szene:

      1 INN. SIBILLES ZUHAUSE – NACHMITTAG

      Wohnzimmer, hell, gemütlich, mit großen Fenstern, dahinter Garten. SIBILLE, Mitte 30, hübsch, drall, blond, bügelt ein weißes Herrenoberhemd. Das Telefon klingelt. Beiläufig greift sie nach dem Hörer und flötet gut gelaunt:

       SIBILLE: Sibille König, Hallo!

      Sibille klemmt den Hörer zwischen Kopf und Schulter, während sie resolut weiterbügelt. Dann verändert sich ihre Miene: Erst guckt sie erstaunt, dann zeigt sich das nackte Entsetzen auf ihrem Gesicht.

      Sibille vergisst das Bügeleisen und lässt es auf dem Hemd stehen. Erst dampft es nur, dann beginnt es zu qualmen.

      Genau so! Und jetzt zoomt die Kamera ganz nah an das Bügelgerät heran, damit auch niemandem entgeht, was da gerade Schicksalhaftes geschieht. Ich schreibe:

      NAH

      Das Bügeleisen steht auf dem Hemd, vorne, in Brusthöhe, dort, wo sonst das Herz ihres Liebsten unter dem Stoff pocht!

      Was für eine schaurig-kitschige Symbolik! Mann, ist das schlecht! Begeistert schreibe ich weiter.

      2 AUSS. SIBILLES ZUHAUSE – NACHMITTAG

      Sibille stürzt Hals über Kopf aus der Haustür und rennt zu ihrem Fahrrad, das vor

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