Sternstunde. Susanne Sievert
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„Ja.“ Das Metall glänzte in meiner Hand. „Ich will dein Blut an meiner Klinge.“
Er lachte leise, als handelte es sich um einen Witz.
„Dann war unser Liebesspiel eine Entschuldigung?“
Langsam beugte ich mich zu ihm hinunter. Der Stahl in meiner Hand fühlte sich großartig an, kein Mann dieser Erde konnte mir dieses Gefühl geben.
„Nein, es war ein Tausch.“
Kopfschüttelnd verbarg er sein Gesicht in seinen Händen.
„Du bist ein anständiger Mann, Yeleb“, versuchte ich zu erklären. „Allerdings schuldest du mir dein Leben. Ich hatte es dir gesagt. Beim nächsten Treffen töte ich dich.“
Lachend schlug Yeleb auf sein Knie und starrte zu mir herauf, als wartete er auf das Ende eines Scherzes. Nur langsam begriff der Soldat, dass der Tod nur noch einen Schnitt entfernt vor ihn stand.
„Du bist wahnsinnig. Du bist eindeutig wahnsinnig!“
Ja, wahnsinnig vor Durst.
Mit Bedacht setzte ich den Dolch an seine Kehle, schnitt in seine Haut und beobachtete wie die ersten Tropfen roten Blutes an dem Stahl hinunter rannen. Yeleb begann zu schwitzen und zu wimmern, aber das Rauschen seines Blutes übertönte diese Geräusche. Befriedigung umschloss mein Herz, und Wärme durchströmte meinen Bauch. Ich wollte mehr, viel mehr. Der Abgrund in meiner Brust klaffte weit auf, bereit, das flüssige Gold zu empfangen.
„Nein, bitte... Bitte nicht...“, keuchte Yeleb.
Er würde sein Leben aushauchen und dachte an all die Wünsche und Träume, die er noch erreichen wollte. Warum hatte er sich bloß betrunken, statt in den Armen seiner Frau zu liegen? Er dachte wohl so etwas wie: Das Leben war schön. Warum musste es jetzt enden, und warum musste ausgerechnet er sein Leben lassen? Hatte er nicht bereits genug erlitten? Der Krieg formte seinen Körper und seine Seele. Er wollte es nicht mehr. Er wollte nicht mehr kämpfen – er wünschte doch nur zu leben. Mit einer Frau, mit Kindern und einem Haus, das er mit eigenen Händen und Schweiß erbauen wollte.
Mein Blick folgte seinem zum Himmel und ich vernahm beim Anblick der Sterne flüsternd die Worte: „Bewahre dein Licht. Es unterscheidet dich von den Monstern, auf die du treffen wirst.“
Von allen Monstern war ich das blutrünstigste. Auch wenn ich mein Licht nicht verloren hatte, so würde ich doch immer nur das eine begehren und dafür töten. Wie konnte ich mich von den Bestien unterscheiden?
„Es ist das Verlangen, dem ich nicht standhalten kann. Dein Blut ist so köstlich, Yeleb. Es singt und wird auf meiner Zunge tanzen. Es schmeckt wie ein lieblicher Wein, von dem man niemals genug trinken kann. Dein Blut ist berauschend, stark und erfüllt mich so sehr. So entsetzlich das Brennen und das Verlangen sind, so unglaublich befriedigend und ausfüllend ist das Töten. Du bist nur einer von vielen Menschen, Yeleb.“
Die Menschen würden immer auf mein Mitleid hoffen, wenn ich ihnen zu sprechen erlaubte.
Der Soldat öffnete den Mund, um Flüche und Schreie auszustoßen, doch ich war es leid. Mit einer Handbewegung durchtrennte ich seine Kehle und genoss sein warmes Blut auf meinem kalten Gesicht.
Eine Woge tiefster Befriedigung erfasste mich, riss mich in roten Fluten fort an einen Ort, an dem ich nur Freude, Glück, und Freiheit verspürte. Der Höhenflug endete viel zu schnell und der Anblick von Yelebs Leiche rief Schuld in mir hervor.
Du wolltest keine Menschen töten, nur Monster, und nun sieh dir an, was du gemacht hast.
Die Anschuldigungen klangen wie von Ahm Fen gesprochen, aber es war meine eigene Stimme, die von oben herab schimpfte.
Es wird niemals enden. Ich kann nicht, kann nicht, kann nicht...
Blut verschmiert stahl ich ein Pferd und verließ im schnellen Galopp das Dorf. Dora wusste um die Gefahr. Sie würde die Dörfler warnen und mit viel Glück, retteten sie sich ins nächste Dorf. Wie viel Zeit blieb den Menschen? Nicht genug, fluchte ich, als ich die ersten Schreie der Drachen vernahm.
„Ein paar werden es schaffen“, murmelte ich und versuchte das schlechte Gewissen weg zu reden. Ohne Erfolg.
Mit meinen eigenen Dämonen im Rücken ritt ich im Schutze der Dunkelheit den kreischenden Drachen davon, hielt erst inne, als mich ihr Schatten nicht mehr verfolgte.
Unter den Sternen errichtete ich mein Lager, ruhte am Feuer und starrte bewegungslos in die Flammen. Wie sollte ich nur jemals wieder Schlaf finden? Die Gesichter meiner Blutopfer verfolgten mich, und es würden nicht die einzigen bleiben. Ich besaß nicht die Kraft, dem Verlangen zu widerstehen.
Mein Körper gehörte wieder mir allein. Keine Gedanken, die die meine störten und keine Stimme, die meine Taten lenkte. Ahm Fen war fort, und dennoch war ich ein bluttrinkendes Monster. Ich bin kein Mensch und kein Riese. Was war bloß?
Hinter meinem Rücken vernahm ich plötzlich ein Geräusch, und griff kampfbereit nach meinem Dolch. Es waren keine Menschen in der Nähe, denn nur der Geruch von Erde, Feuer und Holz lag in der Luft. Das nächste Dorf war meilenweit entfernt. Ich schritt zu der Stelle, an der ich das Rascheln vernahm, doch ich fand keine Spuren eines Lebewesens. Nun waren es schon Hirngespinste, die mir zusätzlich den Schlaf raubten.
Nachdenklich kehrte ich zu meinem Lager zurück und fragte mich, was mich als nächstes erwartete.
Die Ruhe hielt nur eine Weile an, denn im nächsten Moment huschte ein schwarzer Schatten an mir vorbei und blieb tänzelnd im Schein des Feuers vor mir stehen.
Ein Lächeln zierte meine Lippen, als ich den Eindringling erkannte.
„Ahm Fen ist fort und deine Aufgabe ist erfüllt.“
Sechs glänzende Augen betrachteten mich abschätzend, und insgeheim freute ich mich über unser Wiedersehen. Die Spinne gab mir ein unerklärliches Gefühl der Sicherheit. Ohne ihre Hilfe hätte ich im Lager der Soldaten nichts ausrichten können.
Die Spinne tänzelte weiterhin auf einer Stelle, ließ mich keinen Augenblick aus den Augen. Ich fürchtete mich nicht vor ihr, und ich konnte in ihren schwarzen Augen erkennen, dass auch sie mich nicht fürchtete.
„Du spürst dasselbe Verlangen, nicht wahr?“ Ich hob meinen Blick von den Flammen und sah, dass die Spinne unbemerkt mein Bein hinauf geklettert war, mich erwartungsvoll musterte. Unter ihrem schwarzen Haar glänzten ihre todbringenden Klauen.
„Willst du mich begleiten?“
Wir verstanden uns wortlos. Wer sollte mich auch sonst begleiten, wenn nicht ein weiteres Monster?
In Windeseile spannte die Spinne ein Netz zwischen zwei Bäumen, verharrte dort wartend auf frische Beute. Sie begnügte sich vorerst mit Insekten und anderen Spinnenarten, bis wir auf eine weitere Bestie treffen würden.
Nach langer Zeit fand ich den ersten erholsamen Schlaf und träumte von einem fernen Land bestehend aus weiten Sandteppichen, glühend heißer Sonne und dem Wunsch nach Freiheit.
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