Sternstunde. Susanne Sievert

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Sternstunde - Susanne Sievert

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lösten, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen. Der Bann war gebrochen und ich entschied mich für das Richtige. Mein Mund klappt zu. Ahm Fen konnte sich zum Teufel scheren.

      Wie gewöhnlich suchte Ahm Fen ein Versteck in meiner Seele, aber es gab keine Ecke mehr, in der sie Schutz suchen konnte. Das Feuer wallte in meiner Brust auf und erhellte jeden Winkel. Ahm Fen fluchte, spuckte, bettelte, aber ich gewährte ihr keinen Unterschlupf mehr.

      Warme Finger legten sich auf meinen Brustkorb und ich spürte, wie die Fremde etwas aus mir heraus zog. Sie hielt eine kleine Flamme in den Händen und als ich sie so betrachtete wusste ich, dass sie zu mir gehörte. Ahm Fen schrie noch lauter und winselte um Gehör. Sie war mir egal. Alles was zählte war dieses Licht.

      „Gehört es mir?“, flehend bat ich um Bestätigung.

      „Natürlich, wem soll es sonst gehören? Du bist das Licht, Udy und wenn du dich erkennst, dann wirst du hell am Himmel erstrahlen. Das Licht unterscheidet dich von allen Monstern, auf die du treffen wirst.“

      Mit langsamen Bewegungen führte sie die Flamme zurück an meine Brust, legte ihre Finger an die Lippen und lächelte zufrieden hinter erhobener Hand. Sie freute sich für mich!

      „Tu es“, sprach sie nun aufgeregt. „Zeige mir dein Feuer.“

      Und das tat ich. Es war so einfach. Ahm Fen schrie, bäumte sich auf wehrte sich gegen das Licht, das sich in meiner Brust ausbreitete.

       Denkst du tatsächlich, du kannst gegen mich kämpfen? Mich vernichten? Du hast mich in dein Herz gelassen, deine Seele erflehte meine Hilfe. Stehen die Türen erst offen, wirst du mich nicht mehr los. Ich bin deine Göttin. Wage es nicht!

      Mein Feuer hüllte sie ein. Es gab kein Entkommen und Ahm Fen wusste es.

      Kind, oh mein Kind. Ihre Stimme nahm den Klang meiner Mutter an. War ich nicht immer für dich da? Was tust du mir nur an? Ich liebe dich. Mein Kind!

      „Es reicht!“, ich öffnete den Mund und schwarzer Rauch qualmte empor. „Du gehörst nicht zu mir!“

      Mit einem Grollen spuckte ich Feuer gen Nachthimmel und mit dem Strahl würgte ich Ahm Fen aus meinem Herzen, die fluchend dem Feuer zu entkommen versuchte. Ihr Körper war ein einziger unförmiger Schatten, nur die bösartigen Augen stachen aus dem Dunklen hervor.

      Ich finde einen anderen Körper, fauchte sie mit verzerrter Stimme. Einen besseren!

      „Das wirst du nicht“, sprach die Fremde, die nicht von meiner Seite wich. Mit einer Hand deutete sie auf Ahm Fen. Silberner Nebel strömte aus ihrer Haut und hüllte den bösen Schatten zusammen mit meinem Feuer ein. Das Zusammentreffen von Hitze und Kälte verwandelte sich in einen Wirbelsturm, der auf dem Höhepunkt seiner Geschwindigkeit Ahm Fen zerriss. Sie war fort, ihr Schrei verstummte für immer und ich? Ich war endlich frei.

      Glücklich drehte ich mich zu der Fremden um, wollte ihr danken, sie umarmen, sie nicht mehr gehen lassen, aber sie war verschwunden und alles, was von ihr übrig blieb, war der Silber glitzernde Nebel.

      „Danke“, flüsterte ich und wusste, dass ich allein war. Ganz allein, denn es gab niemanden mehr, der auf meinem Herzen saß und spottenden Kommentare verlauten ließ. „Warum verschwindet bloß alles Gute aus meinem Leben?“

      „Ich muss weiter“, erklang ihre Stimme aus dem Nebel. Nein, es war der Nebel selbst! „Wir werden uns wiedersehen, Udy.“

      „Aber wann?“, ich konnte nichts daran ändern. Meine Stimme klang hilflos erbärmlich.

      „Eh du dich versiehst. Ich schicke dir eine Erinnerung“, ihr Lachen erklang. Der Nebel wirbelte um mich herum, nahm Abschied, und löste sich dann einfach auf.

      Kopfschüttelnd schwamm ich zum Ufer zurück. War das alles wirklich geschehen? Hatte ich es mir nicht eingebildet? Es fühlte sich an wie ein Traum, aber die Stille war so real.

      An Land angekommen, wickelte ich mich in Baktas Mantel und sog ihren Duft ein. Hast du das alles gewusst Tantchen? Hast du mich auch in deinen Träumen gesehen?

      Dann begann ich zu lachen. Ich lachte so laut und so lange, bis ich vor Erschöpfung einschlief.

      Frei...

      Am nächsten Morgen erwachte ich mit schlimmen Kopfschmerzen, als hätte ich mit hunderten Bergriesen und Feuerdämonen zur selben Zeit gekämpft. In Baktas Mantel gehüllt lag ich da, wie ich am Abend zuvor eingeschlafen war. Ich erinnerte mich an silbernen Nebel, grüne Augen und Diamanten, die im Mondlicht schimmerten. War es ein Traum oder packte mich nun endgültig der Wahnsinn.

      Den Kopf reibend und fluchend sammelte ich meine Kleidung ein. Das Feuer war längst herunter gebrannt, und in der Falle lag kein Hase. Das Frühstück fiel also aus.

      Prüfend führte ich meine Hand an die Brust, erfühlte meinen Herzschlag. Er war kaum zu spüren, und unter meiner Berührung bemerkte ich das bekannte und verhasste Reißen in der Mitte meiner Brust. Mein Hals wurde trocken, meine Hände zitterten und sehnsüchtig reckte ich meine Nase in den Wind. Das Fleisch eines Hasen konnte mich bei weitem nicht so sättigen, wie das zäh fließende Blut eines warmen wohligen Körpers, dessen Herz schnell und regelmäßig schlug.

      Dann wurde es mir mit einem Schlag bewusst: Ahm Fen hatte mich benutzt UND betrogen! Ich dachte, aufgrund ihrer Leidenschaft verzehrte ich mich nach Blut, aber es war ganz anders. Ich war das Monster, das nur ein weiteres blutdurstiges Monster beherbergte. Ahm Fen erkannte die Gelegenheit, verführte mich. Lenkte gar sie mich zu der Bergriesin? Erst bei diesem Zusammentreffen entflammte das Verlangen! Die Alte grub in meiner Seele und befreite etwas Dunkles und Böses. Ob meine Eltern davon wussten? Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich an all die Momente dachte, in denen ich zu Hause bleiben musste. Kochen, putzen, Tiere versorgen. Öffentliche Versammlungen? Oh nein, mein Kind, sprach da meine Mutter. Ich brauche dich hier zu Hause.

      Zu Hause! Verborgen und weg gesperrt! All die Jahre.

      „Verdammt seien alle Götter dieser Welt und der Welt der Unsterblichen!“, schrie ich meine Wut hinaus. Gierig sog der Abgrund meine Gefühle auf, zurück blieb nur das dumpfe Gefühl, der größte Narr der Erde zu sein.

      „Wusstet ihr, wer ich war?“, der See verschluckte meinen Schrei. Ich erwartete Ahm Fens Antwort, doch es blieb still. Meine Gedanken durchforstend suchte ich die Schwere ihres Schattens – ihre giftigen Spuren, die sie auf meiner Seele hinterließ. Nichts. Ein Blick auf meine Hände sagte mir, dass es sich doch nicht um einen Traum handelte. Meine Finger lagen noch immer auf meiner Brust, und das weiße Licht, das hindurch schimmerte, weckte alle Erinnerung von vergangener Nacht.

      Es ist kein Traum, dachte ich verletzt. Es ist alles die bittere Wahrheit und es gibt niemand mehr, der weiß wer oder was ich bin...

      „Eh du dich versiehst. Ich schicke dir eine Erinnerung.“

      Ja, nickte ich stumm, als könnte sie meine Antwort noch vernehmen. Wir werden uns wiedersehen und bis dahin, verliere ich nicht mein Ziel aus den Augen.

      Mein Blick schwang gen Süden, und sogleich erhaschte meine Nase den Duft warmen, süßen Blutes. Menschen - verschwitzt, ängstlich und verstört. Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Diesen einen Duft unter den zahlreich verschwitzten Körpern erkannte ich wieder. Männlich, vorlaut und vom Wein so besoffen, das er nicht mehr in der Lage war, seinen eigenen Namen

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