Sternstunde. Susanne Sievert

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Sternstunde - Susanne Sievert

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stellte Ahm Fen mit meinem Körper an? War ich nur Zuschauer bei diesem elenden Stück?

      Du gehörst zu mir, säuselte Ahm Fen mit lieblicher Stimme.

      Seufzend verschränkte ich die Arme vor meiner Brust und betrachtete, wie die ersten Sonnenstrahlen den Tag begrüßten.

      „Nicht, wenn ich es verhindern kann. Ich hasse dich.“

      Ahm Fens Lachen erfüllte meine Gedanken. Mittlerweile war es das grässlichste Geräusch in meinen Ohren.

      Ach, mein Kind, antwortete sie fast mütterlich. Du weißt doch nicht, was Hass ist – wahrhaftiger und reiner Hass.

      Sie hatte recht, denn ich wusste gar nichts mehr.

      „Mich beschleicht das Gefühl, dass ich nun Dankbarkeit zeigen sollte“, murmelte ich leise. „Wie du aber am besten weißt, Göttin des Blutes, ist auch Dankbarkeit eine Empfindung, die ich nicht mehr kenne.“ Über Hügel und Wiesen führte mich mein Weg, begleitet von düsteren Gedanken und einer Göttin im Geiste, bei dem jedes gesprochene Wort wie Gift wirkte.

      Möglicherweise war es Ahm Fen, die mich auf diese Weise bestrafte, da ich ihr die Aufmerksamkeit verweigerte, die sie verlangte. Ahm Fen dürstete es nach Blut, und auch ich empfand dieses Verlangen, doch ich versuchte, dem zu widerstehen. Da keine Menschen in der Nähe weilten, ertrug ich den Durst mit eiserner Willensstärke. Meine Kehle brannte und die Melodie des Blutes begann, leise zu spielen, dennoch widerstand ich dem Drang, auf die Jagd zu gehen. Stolz erfüllte mich so lange, bis der Abgrund in meiner Brust auch dieses Gefühl verschlang.

      Hin und wieder sah ich mich nach der Spinne um. Seit dem Vorfall im Lager der Soldaten war sie verschwunden. Hatte sie sich satt gefressen und ging ihrer Wege? Seltsam, ich empfand etwas für das Tier und der Gedanke versetzte mir einen leichten Stich. Sie rettete mein Leben und ich nannte sie Freundin. Auch wenn ich sie nicht entdeckte, war mir aber sicher, dass dunkle Augenpaare mich beobachteten.

      Auf einem Hügel blieb ich stehen, sah von dort aus schwarzen Rauch in den Himmel empor steigen. Im Geiste erkannte ich die Drachen des finsteren Königs, und ritt näher heran. Neben meinem unvollständigen Leben war doch eines ganz gewiss: der finstere König musste sterben.

      Mit einem Finger auf der Karte, las ich mir den Namen des Dorfes laut vor, das zwei Tagesritte von meiner Heimat entfernt lag. Eine Gemeinschaft mit der wir in Frieden lebten und regen Handel betrieben. Bis heute. Mein Vater pflegte seine Freundschaft zu Tantro, dem Häuptling des Dorfes. Ob seiner Familie dasselbe Schicksal ereilte? Mit einem unguten Gefühl ritt ich den Rauchwolken entgegen, in Hoffnung eine Seele lebendig zu finden.

      Bereits an den Toren zum Dorf erblickte ich das Ausmaß der Verwüstung: Blutende, zerstückelte und geschändete Körper führten mich zum Herz der Zerstörung. Beim Anblick des Grauens merkte ich, wie trocken meine Kehle wurde, doch nicht vor Durst, sondern vor Entsetzen. Zu meinem Glück währte auch dieses Gefühl nicht lange.

      Die gesamte Familie des Stammeshäuptlings Tantro hingen ausgeweidet und entehrt am Baum des Lebens, den jedes Dorf zur Gründung eines Stammes pflanzte. Mit nur einem Blick erkannte ich, wie alt der Baum war, denn er zerfiel nicht vor meinen Augen wie so vieles andere, das meinen Weg kreuzte. Es war, als stünde er bereits immer an diesem Platz.

      Die Äste neigten sich mit dem Wind zur Seite, und ich vernahm sein trauriges Lied in der gespenstischen Stille der Zerstörung.

      „Finsterer König“, wisperte ich kaum hörbar. Die Augen der Toten blickten auf mich herab und ich las den Vorwurf aus ihnen: Du kommst zu spät. Ihre Leiber schaukelten leicht mit der Brise des Windes, ich spürte die Kälte an meinen Knochen kratzen, und bei dem Geräusch des knarrenden Seils, drehte sich mir der Magen um.

      Ich ertrug die Totenstille nicht länger, und auch nicht das drückende Gefühl auf meinem Herzen. Es war an der Zeit zu jagen. Ich wollte dem Verlangen nachgeben. Die Glückseligkeit war so nah, da stimmte ich meiner Göttin zu. Und ich war bereit, sie mir auf der Stelle zu verschaffen.

      Während ich diesen Entschluss fasste, fand ein weiteres, düsteres Wesen den Weg ins Dorf – angelockt von dem Feuer der Drachen und dem Blut der Menschen. Es witterte mich, wie nur eine Bestie eine andere erkennen kann.

      „Ich sehe, die Ewigkeit hat bereits jetzt ihren Reiz verloren.“ Bei diesen Worten brannte meine Seele im Feuer seiner Hände. Mit Vorsicht wand ich mich dem Wesen zu, und sah dieselbe stumme Leere in seinen Augen, die auch ich in mir trug.

      „Wie bedauernswert.“

      „Es ist nicht die Ewigkeit, die ihren Reiz verloren hat“, entgegnete ich mit fester Stimme. Wenn ich sogar die Kraft aufbrachte, eine Bergriesin zu töten, so konnte ich es mit einem Feuerdämon ebenfalls aufnehmen. „Es ist der Tod. Eines wird aber niemals seinen Reiz verlieren...“

      „...Blut“, beendete der Dämon den Satz, roch leise stöhnend an meinem Haar. „Deine letzte Speise war ein ganz besonderer Leckerbissen. Köstlich. Und ich sehe, du bist in bester Gesellschaft. Ahm Fen hat sich an deine Seele geheftet.“

      Die Göttin regte sich in meiner Brust, aber ich konnte nicht bestimmen, ob sie sich auf dieses Wiedersehen freute. Ich stand den Dämonen so nah, dass sein Geruch nach verbrannter Kohle mich benebelte und die Hitze seiner Haut mir Tränen in die Augen trieb.

      „In meinem Dorf nennen wir dich Feo Kun“, stellte ich fest. Meine Hand lag tanzend auf dem Dolch. Meine Mutter erzählte mir abends Schauergeschichten über einen Dämon, der kleine Kinder aus den Betten stahl, wenn sie unerlaubt mit Feuer gespielt hatten.

      „Das ist einer meiner Namen. Mein Ruf eilt mir also voraus. Was geschieht nun? Begehrst du mein Blut?“ Lachend warf er seinen Kopf nach hinten.

      „Ja.“ In seinen Augen sah ich dasselbe Verlangen. Es gab aber noch etwas, das er mehr begehrte als alles andere.

      Seine Finger berührten meinen Hals, hinterließen eine Spur aus Feuer auf meiner Haut. Als seine Hand die Stelle berührte, an der mein Herz schlug, glühten seine Augen wie brennende Kohlen.

      „Blut kann sehr erfüllend sein, wenn man auf ein ehrbares Opfer trifft. Doch hast du eine Vorstellung davon, wie befriedigend eine Seele sein kann? Nehmen wir an, du wärst in der Lage, beides an dich zu reißen. Du trinkst das Blut deiner Opfer, während du mit Genuss eine Seele aus dem Körper saugst. Glaube mir, so nah wirst du den Sternen niemals kommen können. Es ist eine Offenbarung – der Sinn der Ewigkeit.“

      Feo Kun bereitete mir ein weiteres Angebot. Ich verschwendete nicht einen Gedanken daran, es anzunehmen. Ein lästig gewordener Gast in meinen Gedanken reichte völlig aus.

      „Nette Worte“, antwortete ich und hielt den Dolch an seine Kehle. Die Melodie erklang erneut, und sie spielte ein Lied über Feuer und Blut. Feo Kun fletschte die Zähne und gab ein wohliges Knurren von sich. Er hatte keine Angst vor mir. Das sollte ich ändern.

      „Es gibt mehrere Gründe, warum ich dein Angebot ausschlagen muss. Zunächst teile ich meinen Körper bereits mit einer Göttin, und die Vorstellung, meine Gedanken auch mit dir teilen zu müssen ist geradezu unvorstellbar. Hinzu kommt, dass ich mir eher einen Arm abschneide, als dich näher wie eine Messerlänge heranzulassen.“

      Sein Lachen klang wie das Knacken einer Feuerstelle.

      „Zu guter Letzt: Alles, was ich begehre, ist Blut. Doch auch hier bin ich wählerisch. Es ist nicht das Blut der Menschen, das ich verlange. Es ist das Blut von Monstern, und deines

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