Sternstunde. Susanne Sievert

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Sternstunde - Susanne Sievert

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mir bis zum Hals, als er mit festen Schritten auf mich zu trat und mich ungeduldig hoch hob.

      Ich warf nur einen kurzen Blick auf die Fracht. In Panik und wie ein kleines Kind versuchte ich, mich frei zu strampeln, bis der Hauptmann mich fluchend auf den Boden fallen ließ und ich mich würgend am Rand des Pfades übergab. Zitternd rutschte ich auf den Knien, presste die Hände gegen meinen Unterleib. Die misstrauischen Blicke der Soldaten brannten auf meinem Rücken.

      „Nun ist es vorbei“, dachte ich voller Schrecken. Bebend umklammerte ich meinen Körper. „Alles ist vorbei, das kann ich nicht überleben. Sie werden auch die Letzte des Ahm Fen Stammes vernichten und geschlachtet auf den Wagen werfen.“

      Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie die Hand des Hauptmannes zu seinem Schwertknauf wanderte.

      Nichts ist verloren, beruhigte die Stimme mein Herz. Sie werden die Wahrheit nicht erkennen. Lass mich für dich sprechen.

      „Verzeiht, Hauptmann“, meldete sich ein junger Soldat mit heller Stimme. Seine blonden Locken quollen unter dem schwarzen Helm hervor. „Das Mädchen ist noch fast ein Kind. Der Anblick von Gewalt und Blut erscheint ihr fremd. Bedenkt, was sie vergangene Nacht ertragen haben muss. Sie ist verletzt. Womöglich braucht sie unsere Hilfe.“

      Ruckartig wirbelte der Hauptmann herum, duldete keine Zwischenrufe und schlug den jungen Soldaten ohne Vorwarnung zu Boden. Er schlug ihn mit der Faust, trat mit seinen schweren Stiefel in seinen Unterleib und voller Grauen sah ich seinen eigenen Speichel auf seine Rüstung spritzen. Er empfand Freude an Gewalt und mein Magen drehte sich im Kreis, weil ich nicht wusste, wie Ahm Fen mich sicher nach Westen bringen wollte.

      Erst, als der Mann sich im eigenen Erbrochenen wälzte und Blut spuckend um Gnade winselte, ließ der Hauptmann von ihm ab. Angewidert versuchte ich, den Berührungen des Mannes zu entfliehen, der mir erneut auf die Beine half und mich einen Moment zu lange festhielt.

      „Ist es so?“, fragte er an mich gewandt.

      Seine Hände wanderten von meinen Schultern hinauf zu meinem Nacken und meinem roten Haar. Mit einer Hand zog er meinen Kopf grob nach hinten, mit der anderen zeichnete er die Linien meiner Lippen nach. Er betrachtete meine blauen Augen mit geöffnetem Mund.

      Ich lag noch nie bei einem Mann, obwohl ich das Alter für eine Verbindung längst überschritten hatte. Die Mädchen aus unserem Dorf vermählten sich nach 14 Wintern und gründeten eine Familie, mit der Verantwortung viele Kinder zu zeugen. Mein Vater duldete keinen Mann an meiner Seite. Er fürchtete sich zu sehr vor der Missgeburt, die ich auf die Welt bringen würde. Es gab trotzdem einen Riesen, dem ich gefiel, aber mehr als ein paar Küsse und Liebeleien unter dem Wintermond kannte ich nicht. Er war tot, so wie alle die ich kannte und somit hatte sich die Sorge um ein Erbe erledigt. In der Gegenwart des Hauptmannes wünschte ich mir nur ein Bad in einer heißen Quelle.

      „Der kleine Scheißkerl hat Recht“, gewaltsam zwang er mich, seinen Blick zu erwidern. Mir wurde übel von seinem Geruch. Schweiß, Blut und Unrat hafteten an ihm und ich musste unwillkürlich würgen.

       Heule mit dem Wölfen, mein Kind. Ich werde dir helfen.

      Von diesem Moment an übernahm Ahm Fen. Ich gewährte ihr den Vortritt und spürte eine dunkle Macht in den Vordergrund rücken. Beklommen sah, hörte und spürte ich, was sie mit meiner Stimme sprach. Ich war immer noch Udy, aber Ahm Fen kontrollierte nun mein Handeln. Auf der einen Seite dankte ich ihr für diese Unterstützung, denn wie sollte ich ohne Erfahrung einen Mann umgarnen und seinen Verstand benebeln? Auf der anderen Seite wurde ich unruhig und ihre Hilfe fühlte sich nicht richtig an.

      Gefangen in seiner Umarmung schenkte ich ihm einen anbetungswürdigen Augenaufschlag.

      „Hebe mich auf den Wagen“, befahl ich. Niemand erkannte den Unterschied. Niemand wusste, dass meine Göttin anwesend war und den Hauptmann mit ein paar Worten verzauberte. „Bringe mich zu deinem Lager.“

      Er gehorchte sofort, hob mich beinahe sanft empor.

      Beim Anblick der geschlachteten Körper meiner Brüdern und Schwestern, die mit weit aufgerissenen Augen und Mündern mein Schauspiel stumm verfolgten, weinte ich still im Hintergrund. Das kleine Mädchen und die heranwachsende Frau in mir verschmolzen zu einem verwirrenden Gebilde. Ahm Fen lachte und freute sich über die Dummheit der Männer.

      „Warum fahrt Ihr mit toten Ahm Fen Bastarden durch die Gegend? Auf meiner Reise sah ich mehrere Dörfer brennen. Das muss doch eine unglaubliche Last für Euch sein“, Ahm Fen sprach und ich hasste sie dafür. Es war ihr Volk, über das sie sprach. Wie sprach sie über uns? Bastarde? Eine Last? Wütend drängte ich mich nach vorn, aber Ahm Fen schob mich zurück. Knurrend wartete ich auf meine Gelegenheit und versprach mir selbst, solch einen Kontrollverlust nie wieder zu zulassen.

      „Wie aufmerksam, hübsches Mädchen, aber sie sind keine Last. Für jeden Bastard zahlt der finstere König mit barer Münze.“

      „Der finstere König zahlt für totes Fleisch?“

      „Nicht doch. Er zahlt für ihre Geburtsmale. Wir schneiden sie im Lager sauber von der Stirn und den Rest verfüttern wir an die Wölfe. Du musst wissen, die Riesen des Ahm Fen Volkes waren ungeheuer mächtig und man munkelt, dass ihre Male besondere Kräfte innehalten. Unser König ist ganz verrückt danach. Für ihre Male zahlt er besonders gut. Ich fahre fette Beute mit mir herum.“

      Er lachte schäbig und während ich all das nicht hören wollte, war es für Ahm Fen eine interessante Information.

      „Wir fahren ins Lager. Dort gibt es etwas zu essen und zu trinken für dich, Mädchen.“ Er konnte den Blick nur schwer von mir lösen. Die Gelegenheit, eine Frau in seinem Bett zu wissen, bereitete ihm große Freude.

      „Danke. Ich benötige noch einen Platz zum schlafen“, antwortete ich.

      Ein hässliches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus und es war nicht schwer zu erraten, welch schmutzigen Gedanken ihn beschäftigten.

      „Da kenne ich ein sehr warmes und gemütliches Lager, das nur auf dich gewartet hat.“

      Ahm Fen legte gegen all meinen Widerwillen meine Hand auf sein Bein und tastete sich langsam an den Bereichen empor, die nicht von seiner stählernen Rüstung bedeckt waren. Unter dem Leder spürte ich ein warmes Pochen. Als der Hauptmann leise zu stöhnen begann, wusste ich, dass ich seinen Tod besonders genießen würde.

      Wir erreichten mit der Dunkelheit das Lager der Soldaten. Kaum waren wir angekommen, gab Ahm Fen die Kontrolle freiwillig auf und ich stieß sie zurück in die Verwundbarkeit meines Herzens. Sie lachte und verspottete mich und ich schwor ihr, dass sie niemals wieder so viel Macht über mich besitzen würde. Ihr Antwort bereitete mir eine Gänsehaut: Wer sagt denn, dass ich deine Erlaubnis benötige?

      Wie der Hauptmann es versprochen hatte, brachte man mir Essen und Trinken. Ich nahm die Speisen dankend an, denn seit meiner Flucht hatte ich nichts außer Gras und Beeren gegessen.

      Während ich mich unter einem Baum stärkte, beobachtete ich das Treiben der Soldaten, die damit beschäftigt waren, die Leichen vom Wagen zu tragen und im Wald zu verscharren. In der Dunkelheit bemerkte ich glühende Augenpaare, die sich aufgeregt hin und her bewegten. Wölfe, die auf ihre Mahlzeit warteten. Doch bevor die Tiere ihr Fressen erhalten sollten, zog jeder der Soldaten ein Messer hervor, schnitt die Geburtsmale meiner Brüder und Schwestern von der Stirn. Mein Magen drehte sich und eh ich mich versah, würgte ich das Essen wieder hoch.

      Das

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