Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser. Gerstäcker Friedrich

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Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser - Gerstäcker Friedrich maritime gelbe Buchreihe

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junges Volk seid jetzt anders wie wir zu unserer Zeit – wenn man mit euch ein ernstes Wort sprechen und euch an 'was anderes mahnen will, als das tägliche Leben, das ihr eben fassen und begreifen könnt, dann lacht und spottet ihr und haltet euch für so entsetzlich klug – 's ist da besser, man schweigt.“

      „Den Henker auch, Tommy!“ lachte Rhode Island, „nun habt ihr mich erst recht neugierig gemacht! – Mir könnt ihr's sagen – ihr meint doch nicht etwa den deutschen Klabautermann?“

      Der Alte schüttelte mit dem Kopf und sagte:

      „Jede Küste hat ihre besonderen Wächter; der hat mit uns nichts zu tun; ich meine den schwarzen Mann.“

      „Den schwarzen Mann?“ rief Rhode Island erstaunt aus und musste sich Mühe geben, sein Lachen zurückzuhalten, denn dann wäre es mit dem Erzählen des Alten vorbei gewesen. Dieser schien überdies heute nicht sehr gesprächig zu sein oder auf das Thema nicht gern eingehen zu wollen. – „Der fliegende Holländer kreuzt doch nicht an Cap Horn, soviel ich weiß?“

      „Nein“, sagte Tom, „von dem haben wir hier nichts zu fürchten; aber – glaubt ihr, dass ein Boot in dieser See leben könnte?“

      „Ein Boot?“ rief Rhode Island, einen Blick nach vorn werfend, wo gerade wieder eine riesige Woge gegen den Bug donnerte und das wackere Fahrzeug bis in den Kiel hinab erzittern machte – „ein Boot in der See? – Nicht von einer Welle zur anderen, und wenn es von Kork wäre; es müsste füllen und zusammenbrechen in dem furchtbaren Druck.“

      „Und was würdet Ihr sagen, wenn jetzt ein fremdes Boot zu uns längsseits käme, das Schiff anriefe und einen Passagier an Bord setzte?“

      „Aber, Tommy ...“

      „Ich hab' es erlebt, mein junger Bursch,“ sagte der Alte mit leiser, fast flüsternder Stimme, „und wer ihm zuerst begegnet, mit wem er spricht, der ist ein Kind des Todes im nächsten Sonnenlauf.“

      „Wenn ich ein Boot in solcher See ankommen sehe“, sagte der junge Rhode Island jetzt lachend, „glaub' ich's auch, Tommy, Euer Wort in Ehren – aber nicht eher. – Dagegen wäre ja selbst der fliegende Holländer nur ein Scherz, der doch auf vollem Schiffe in der Welt umherfährt.“

      „Macht's wie Ihr wollt“, sagte der Alte ruhig, „aber lacht wenigstens nicht darüber.“

      „Haha haha,“ rief aber der junge Bursche, der sich nicht wollte merken lassen, dass ihm selber ganz unheimlich bei der ernsten Erzählung des Alten wurde, „Ihr schneidet ein so ernsthaft Gesicht, als ob Ihr's selber glaubtet – Tommy, Tommy, wenn das der Alte hörte!“

      Tom senkte den Kopf, wickelte sich fester in seine Jacke und schien sich auf kein Gespräch weiter einlassen zu wollen; ehe ihn aber Rhode Island besänftigen konnte, wurde zum Loggen gerufen und er musste nach aft.

      Es war etwa eine Stunde später, als der Sturm wieder eine frische Hand an den Blasebalg gestellt hatte, wie die Matrosen sagen, wenn es nach kurzem Besserwerden mit neuen Kräften an zu wehen fängt. Rhode Island kam von seiner Wache am Steuerrad. Die Starbordquarterdeck-Treppe eben hinuntersteigend, ging er hinter dem großen Mast durch nach leewärts. Die übrige Wache saß auf ihrem gewöhnlichen Platze, und einer der Leute „spann ihnen gerade ein Garn“ von einem Abenteuer, das er „an Bord eines Pferdes“ in Buenos-Ayres erlebt, und wo ihm die Gauchos Geld und Sattel abgenommen und er das Pferd hatte an einer Leine drei Leguas weit zurückführen müssen. – Da plötzlich tönte ein wilder Schrei zu ihnen herüber und alle sprangen erschreckt auf und nach windwärts.

      „Hallo da vorn – was gibt's?“ rief der erste Steuermann vom Quarterdeck aus – „was ist los?“

      „Den Teufel auch, Rhody“, rief einer der Leute, der dem jungen Burschen zuerst begegnete, „hast du so geschrien? – Junge, was fehlt dir? – Du zitterst ja am ganzen Leibe!“

      „Unsinn!“ brummte der junge Amerikaner ärgerlich, „es fuhr mir nur so heraus – ich weiß selber nicht, wie es kam!“ Aber er warf dabei scheu den Blick über die Schulter zurück und über die See hinauf als ob er dort etwas zu sehen erwarte.

      „Rhody!“ rief der Steuermann vom Quarterdeck aus.

      „Ay, ay, Sir?“

      „Wer hat geschrien?“

      „Ich, Sir.“

      „Weshalb?“

      „Ich habe mich gestoßen.“

      „Holzkopf!“ sagte der Offizier und nahm ruhig seinen Marsch an Deck wieder auf.

      „Du hast 'was gesehen, Rhody,“ sagte der alte Tom leise zu dem jungen Burschen, als die Übrigen einer gerade auf und über Bord schlagenden See lachend aus dem Wege sprangen, um ihren früheren, mehr gesicherten Platz wieder einzunehmen. Dabei suchte er in dem Halbdunkel, das bei dem wolkenbedeckten Mond auf dem Wasser lag, die Züge seines jungen Kameraden zu erforschen.

      „Geht zum Teufel!“ rief aber dieser, sich von ihm abwendend, ärgerlich – „das alberne Zeug, dass ihr den Leuten in den Kopf setzt, macht sie am hellen Tage Gespenster sehen, wie viel mehr denn in solcher Nacht!“

      Er ging nach vorn, sich im Lee der Kombüse allein hinzusetzen, und die Kameraden, die ihn dort aufsuchten und nichts aus ihm herausbringen konnten, ließen ihn endlich zufrieden und ungestört.

      Die Nacht ging ohne weitere Störung vorüber, der Sturm hatte aber nicht allein nicht nachgelassen, sondern eher noch zugenommen, und als sich die Sonne rotglühend über dem weißbeschäumten und jetzt engbegrenzten Horizont abhob, wogten und taumelten Schluchten und Berge wild durcheinander, und das ächzende Schiff rang sich triefend die Bahn durch alle Schrecken.

      Das Frühstück war eben von den Leuten eingenommen, und der Kapitän kam an Deck, wo der Steuermann, der ihm gerade vorangegangen, ein paar Leute nach aft rief, um ein gestern eingerissenes Marssegel wieder auszubessern und instandzusetzen. Zu Larbord, an der großen Rahenocke, war ebenfalls der eiserne Ring, der die untere Leesegelspiere hielt, locker geworden, und Rhode Island wurde dort hinauf geschickt, ein Ende Tau um die sich losarbeitende Spiere zu schlagen, bis der Schaden bei ruhigerem Wetter wieder ordentlich repariert werden konnte.

      Der junge Bursche lief die Wanten hinauf und auf den Paarden oder Laufseilen an die Rahenocke hinaus, um den Befehl auszuführen.

Grafik 132

      Das Schiff schlingerte dabei, wie die Woge unter ihm sank oder stieg, herüber und hinüber, und stampfte dann wieder, als ob es sich hineinhauen wolle bis auf den Grund. Rhode Island war aber ein tüchtiger Seemann und fühlte sich so sicher da oben wie auf dem Deck unten. So, während ein paar schwarzbraune schlanke Mögen mit rabenschwarzen Flügelspitzen um ihn her kreisten, als ob sie das kecke Menschenbild da oben bei sich nicht dulden wollten, schlug er das Tau um Spiere und Rahe, schnürte die erstere um die letztere fest, und trat dann noch einen Schritt weiter hinaus, um den Block zu fassen, der am äußersten Ende der Spiere hing und dessen Strop ebenfalls losgegangen war, als vom Deck eine Stimme „Segel ho“, rief.

      Der junge Bursche fuhr zusammen, als ob er von einem Schuss getroffen wäre, richtete sich auf, verlor das Gleichgewicht und fasste im Sturz noch das Laufseil. Der Wurf, den das Schiff aber zugleich im Wiederaufrichten gab, vermehrte nur die Kraft, der die eine Hand nicht gewachsen war; das Seil schnellte aus den es krampfhaft umschließenden

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