Die Nähe der Nornen. Kerstin Hornung

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Die Nähe der Nornen - Kerstin Hornung Der geheime Schlüssel

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an seine Mutter und an seinen gramgebeugten Vater, er dachte an Amilana und Agnus, an Hilmar und Vinzenz. Sie brauchten niemanden, der ihnen sagte, was sie tun mussten, aber sie brauchten jemanden, unter dessen Banner sie kämpfen konnten. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass sie ihn brauchten. Philip ging hinunter in das Haus mit den langen, schmalen Fenstern, das er mit Frendan’no teilte. Er durchwühlte seine Sachen, bis er das Kästchen fand. Vorsichtig öffnete er den schartigen Deckel.

      Der blaue Samt war an manchen Stellen dünn geworden und auch der goldene Schlüssel zeigte Gebrauchsspuren. Vorsichtig strich Philip mit dem Finger darüber, ohne den Mut zu finden, ihn in die Hand zu nehmen.

      So, wie er vor ihm lag, bestand kein Zweifel. Es war der Schlüssel, den er bereits auf dem Wappen in Hilmars Bibliothek gesehen hatte. Der Schlüssel, der seit Peregrin das Wappen der Kronthaler Könige zierte.

      »Welche Türe öffnest du?«, fragte Philip. Er erinnerte sich vage, dass Leron’das ihm angeboten hatte, ihn zu der Tür zu bringen, aber Leron’das hatte jetzt andere Sorgen.

      4. Der Verdacht

      Als Valerian von Erdolstin vor etwas mehr als dem Umlauf eines halben Jahres auf seinem Herzogsitz in Mendeor angekommen war, schlossen sich die grauen, bedrückenden Mauern seines Elternhauses um ihn wie eine Gruft. Sein Stiefvater hatte ihn hochmütig und kalt empfangen, als wäre er ein Bittsteller. Erst nach Tagen war er bereit gewesen, Valerian Einblick in die Verwaltung zu gewähren und es hatte noch weitere zwei bis drei Wochen gedauert, bis der Herzog den nötigen Überblick hatte, um seinen Stiefvater zu sich rufen zu lassen und ihn all seiner Aufgaben zu entbinden.

      Wie er bereits vermutet hatte, war dieser damit nicht einverstanden, aber Valerian blieb standhaft und schließlich zog sich der Alte auf seinen Ruhesitz zurück. Nicht, ohne seinem Stiefsohn unmissverständlich klarzumachen, was er von seinen Fähigkeiten hielt.

      Tatsächlich war es ein hartes Stück Arbeit gewesen, die Dinge in die Richtung zu lenken, die Valerian sich vorstellte. Als sich nach Wochen endlich kleine Erfolge einstellten, kam der Brief von seinem Bruder Levian an, in dem er Valerian anflehte, umgehend zurück zur Falkenburg zu reisen.

      So manche Nacht hatte sich Valerian darüber geärgert, dass Levian immer dann auf seine Hilfe angewiesen war, wenn es ihm am ungelegensten kam. Trotzdem wollte er ihm beistehen. Das Bedürfnis seinem Bruder zu helfen, war für den Herzog so stark wie der Drang eines einsamen Wolfes, ein Rudel zu finden. Doch wie immer hatte Levian in keinster Weise praktisch gedacht. Was nützte ein Hilferuf, der bei Einbruch des Winters über die Berge geschickt wurde? Der Bote, der das Schreiben überbracht hatte, litt bereits an schwersten Erfrierungen, als er den Herrensitz von Erdolstin erreichte. An eine Überquerung der Berge war zu dem Zeitpunkt nicht zu denken gewesen. Die Winterstürme machten den Pass unpassierbar und selbst die Eilbotschaft, die Valerian auf dem weiten Weg über den Hettiggraben geschickt hatte, konnte frühestens vier bis fünf Wochen vor ihm die Falkenburg erreichen.

      Der Winter hatte Valerian immerhin die Zeit verschafft, einen fähigen Verwalter für seine Burg zu finden. Jemanden, der etwas Wohnlichkeit und Wärme in die kalten grauen Mauern brachte, fand er nicht.

      Mit der ersten Schneeschmelze machte er sich auf den Weg nach Ardelan, um dem Ruf seines Bruders zu folgen.

      In der Kutsche las er wiederholt den Brief seines Bruders und fragte sich, was so dringend gewesen sein konnte, dass Levian einen derart flehenden Ton anschlug. Nicht einmal ein zehntausend Mann starkes Heer, das die Burg belagerte, könnte ihn unter normalen Umständen dazu bewegen, sich in diesem Maße zu erniedrigen. Valerian hoffte, dass er nicht zu spät kam.

      Seine Reise ging schleppend voran. Die Wege über den Pass waren so früh im Jahr nur schwer befahrbar. Mehrere Tage musste er in zweifelhaften Unterkünften ausharren, da Neuschnee die Weiterfahrt behinderte. Erst zum Ende des Lenzmondes erreichte er ardelanischen Boden, hatte aber zu dem Zeitpunkt noch mindesten drei Wochen Fahrt vor sich.

      Wie immer, wenn die Berge hinter ihm lagen, genoss er die Reise durch dieses hügelige Land und mit jedem Tag, den er weiterfuhr, konnte er dem Frühling bei seiner Arbeit zusehen.

      Als er in der zweiten Hälfte des Monats Launig Markt Krontal erreichte, beschloss er, ein bis zwei Tage zu rasten, ehe das letzte Stück seiner Reise bis zur Falkenburg antrat. Er wusste, dass Levian ihm nicht viel Zeit zum Ausruhen gewähren würde und dass man in Markt Krontal so manches einfacher erfuhr als auf der Falkenburg.

      Nach Wochen in der Kutsche war er froh, sich endlich die Beine vertreten zu können. Den Brief seines Bruders trug er in der Brustasche seines Wamses.

      Obwohl er eine Pause bitter nötig hatte – und mehr als er mussten seine Männer und die Pferde ausruhen – spürte er doch das schlechte Gewissen, das an ihm nagte.

      Ohne auf etwas Bestimmtes zu achten, außer Klatsch und Tratsch, schlenderte er über den Markt. Es war der erste sonnige Tag nach einer ganzen Woche Regenwetter und das trieb die Menschen auf die Straße. Stimmengewirr, das nur durch die lauten Rufe der Händler übertönt wurde, erfüllte die Luft. Es wurde gefeilscht und gejammert und manches, was wie ein erbitterter Streit aussah, entpuppte sich am Ende als lohnendes Geschäft für Käufer und Verkäufer. Zunehmend entspannte sich Valerian und die Last der letzten Monate bröckelte von ihm ab.

      »Edler Herr wünscht Ihr, das schöne Stück zu kaufen. Gewiss werdet Ihr nirgendwo anders einen so hervorragend gearbeiteten, außerdem noch so schön verzierten und preisgünstigen Gürtel finden.«

      Valerian starrte auf den breiten Ledergürtel in seiner Hand und nahm erst jetzt bewusst wahr, dass er ihm gefiel. Er war schlicht und die schwarze Stickerei würde gut zu Levians düsteren Kleidungsstücken passen. Er lächelte. Wahrscheinlich war es unpassend Kleidung für einen König, auf einem Markt zu kaufen, aber der musste es ja nicht zwingend erfahren.

      »Was soll er denn kosten?«, fragte er.

      Der Händler musterte Valerian kurz und nannte einen Preis, der den Wert des Gürtels um das Vier- bis Fünffache überstieg.

      Der Herzog war zwar durchaus bereit, einen angemessenen Preis zu zahlen, aber auf keinen Fall wollte er sich über den Tisch ziehen lassen. Mit entrüsteter Miene legte er den Gürtel zurück und wandte sich zum Gehen. Er schritt langsam, damit der Händler Zeit hatte, den Preis zu senken. Als er ihn durch sein Desinteresse auf die Hälfte des Preises heruntergehandelt hatte, drehte sich Valerian um und nannte seinen Preis. Nun konnte der Händler endlich zeigen, wie viel Schauspieltalent in ihm steckte. Er jammerte, er litt. Sieben Kinder, die allesamt Hunger litten, führte er ins Feld, bis sie sich schließlich auf einen Preis einigten, der Valerian akzeptabel erschien und für den Händler das Geschäft des Tages war.

      »Ich habe den Herren noch nie auf diesem Markt gesehen«, plapperte der Mann, während er den Gürtel aufrollte. »Zweifellos könnte ich mich erinnern. Eurer Aussprache nach zu urteilen, kommt Ihr nicht aus Ardelan?«

      Endlich eine Gelegenheit, zu plaudern, dachte Valerian. »Ich komme aus Mendeor«, bestätigte er. »Waldoria ist mein Ziel. Wie ich gehört habe, soll dort einiges los sein.«

      »So kann man das auch ausdrücken«, brummte der Mann.

      »Dann stimmen die Gerüchte?«, fragte Valerian ins Blaue und hoffte, dass er den anderen damit zum Reden bewegen konnte.

      »Wenn es nur Gerüchte wären.« Der Mann schlug sich mit der Faust vor die Brust, wie zur Abwehr böser Geister. »Um die Stadt ist es schlecht bestellt. Die Menschen dort leben in Angst. Hunderte von Soldaten haben vor den Toren der Stadt,

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