Die Nähe der Nornen. Kerstin Hornung

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Читать онлайн книгу Die Nähe der Nornen - Kerstin Hornung страница 22

Die Nähe der Nornen - Kerstin Hornung Der geheime Schlüssel

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wahr«, lachte Gunar rau. »Doch könnten wir alle etwas Ruhm gebrauchen.«

      »Ich habe mein altes Leben hinter mir gelassen.« Aribald sah den Rebellen von der Seite an, aber dieser blickte ihm offen in die Augen. »Von dem, was früher mir gehörte, ist mir nur mein Name geblieben, der mich mahnt, nicht zu vergessen, aus welch tiefen Abgründen ich entkommen bin.«

      »Keiner hier ist ohne Vergangenheit. Selbst diejenigen, die gerade mal sechzehn Sommer alt waren, als sie dem Heer des Königs beitreten mussten, haben sich damals, bei dem Kampf im Wald, von allem losgesagt und einen Teil ihres Lebens hinter sich gelassen. Was uns hier zusammenhält, ist Angst und ein gemeinsamer Feind. Einen, den alle fürchten.« Gunar lachte. »Auf Dauer wird das für unseren Zusammenhalt jedoch nicht reichen. Erst gestern haben sich wieder einige zusammengetan und sind nach Süden aufgebrochen. Knut ist ein hervorragender Kämpfer, aber er hat mit zu vielen hier zusammen getrunken. Die Männer sehen nicht zu ihm auf. Schon jetzt sind wir nicht mehr als ein Haufen Diebe und werden alle an einem Galgen enden.«

      Aribald hörte zu. Er ahnte, worauf Gunar hinauswollte, aber er konnte ihn weder unterbrechen noch konnte er sich dazu durchringen, etwas dazu zu sagen.

      »Wir haben Kundschafter, die uns berichten, dass sich die Kirche auf einen Krieg vorbereitet. Manche sind der Meinung, wir sollten uns ihnen anschließen. Knut ist dagegen und auch ich halte nichts davon. Der Heilige Vater in Eberus hat schon oft gezeigt, was er mit Verrätern macht.«

      »Und dieses neue Gerücht von dem unbekannten Nachfahren aus dem Geschlecht der Kronthaler Könige, was hältst du davon?«, fragte Aribald.

      Gunar zuckte mit den Schultern. »Es ist ein Gerücht, keiner weiß was Genaues.«

      »Und die Elben?«, fragte Aribald weiter.

      »Machst du Witze! Die meisten hier fürchten die Elben mindestens so sehr wie den Zauberer. Sie und dieser geheimnisvolle Wald sind es doch, die immer mehr Männer nach anderen Auswegen suchen lassen.«

      »Der Wald?«, fragte Aribald verständnislos. »Aber er bietet uns doch Schutz.«

      Gunar lachte freudlos. »Wir alle haben mindestens einen Kameraden an den Wald verloren. Zugegeben, das war, bevor wir uns ihm ausgeliefert haben, aber dennoch erinnern sich die Männer noch an jede Handbreit Weg, den wir ihm blutend abgetrotzt haben.«

      Aribald nickte. Jetzt verstand er, warum jeder hier lieber einen weiten Fußmarsch in Kauf nahm, um Feuerholz zu suchen, statt sich an einem der Bäume zu vergreifen. In seiner Heimat in den Quellenbergen erzählte man sich auch Geschichten über den Wald, aber die letzten hatte er als Kind gehört.

      »Ich habe Elben gesehen«, sagte Aribald unvermittelt.

      Gunar bekam kugelrunde Augen. »Gesehen?«, fragte er ungläubig.

      »Gesehen«, bestätigte Aribald. »Ich saß mitten unter ihnen. Sie haben meine Wunden versorgt und mich gepflegt. Sie bekämpfen den Zauberer. Sie haben alle seine Gnome getötet und …« Aribald stockte und verzichtete auf die Geschichte von dem weggesprengten Berg. Selbst heute bekam er eine Gänsehaut, wenn er daran dachte. Die Elben waren mächtige Wesen. Sie verfügten über Kräfte, die ihm nicht geheuer waren, und er vermutete, dass es viele Gründe gab, sie zu fürchten. Doch mindestens genauso viele Gründe gab es, es nicht zu tun. Wenn er an die bescheidene Freundlichkeit dachte, mit der sie sich ihm genähert hatten, wurde sein Herz weit.

      Gunar sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, als schätzte er ab, ob Aribald wirklich die Wahrheit sagte. Nach einer Weile beschloss er offensichtlich, ihm zu glauben.

      »Diese Geschichte wirst du mir bald genauer erzählen müssen. Einstweilen bitte ich dich, dir zu überlegen, ob du diesem Haufen Männer zu etwas Würde verhelfen willst, indem du deinen Stand für unsere Sache in die Waagschale wirfst. Viele wären froh, wenn sie sich unter dem Banner eines großen Herrenhauses einen könnten. Selbst wenn es sich dabei um die Baronie Langwasser handelt.«

      Nachdem Gunar ging, starrte Aribald so lange in die Flammen, bis nur noch schwach glimmende Kohlen davon übrig waren.

      Früher war er der Baron der Säufer und Verschwender gewesen und jetzt sollte er der Baron der Rebellen und Diebe werden? Wusste Knut von Gunars Vorschlag? War er bereit, seine Führerrolle abzugeben, oder hatten er und Gunar sich gedacht, dass es gut wäre, ein neues Aushängeschild zu haben? Ein letzter Funken Würde verbot Aribald, der Handlanger dieser beiden Männer zu werden. Dann wollte er doch lieber wieder alleine weiterziehen. Mit etwas Glück würde er im Wald alles finden, was er zum Leben brauchte. Er sorgte schließlich für alle Menschen hier wie eine mürrische Mutter.

      Zwei Tage vergingen, an denen Aribald weder Gunar noch Knut zu Gesicht bekam. Im Lager ging alles seinen gewohnten Gang. Aribald hatte Glück und fand einige Vogelnester, die er räuberisch plünderte. Die Männer, mit denen er das Feuer teilte, quittierten diesen Fund mit einem anerkennenden Schulterklopfen, denn er bereicherte ihr Nachtmahl. Auch Aribald war zufrieden. Er lag entspannt zwischen den Wurzeln einer großen Eiche und starrte durch ihre jungen Blätter in den Himmel. Zwar hörte er das Hufgetrappel, das einen Kundschafter ankündigte, aber er war viel zu träge und vollgefressen, um sich zu erheben. Was immer der Bote zu berichten hatte, er würde es gewiss noch früh genug erfahren.

      Er lauschte dem Flüstern des Windes und dem Rascheln in den trockenen Blättern des Vorjahrs. Seine Gedanken waren frei und sorglos. Müdigkeit lähmte seine Glieder und die Geräusche aus dem Lager vermischten sich mit den ersten Traumbildern, als ihn plötzlich jemand an der Schulter packte und unsanft schüttelte.

      »Knut will dich sehn!«

      »Was?«, stammelte Aribald verschlafen.

      »Jetzt beweg dich halt, dann wirst du’s schon erfahren.«

      Aribald stand auf, gähnte und klopfte den Staub aus seiner Hose, ehe er zu Knuts Feuer hinüberging.

      Gunar saß dort und unterhielt sich mit einem Mann, dessen Gesicht und Namen Aribald nicht kannte. Zwei weitere Männer, Uribert und Hubert, unterhielten sich ebenfalls. Knut war nicht da.

      Als Aribald in den Lichtkreis des Feuers trat, sahen alle auf, und Gunar winkte ihn sofort herbei.

      »Gut, dass du kommst. Knut wird auch bald hier sein, er holt nur noch Fergal und Dersthorn.«

      Aribald nickte. Die beiden Männer, die Gunar erwähnt hatte, waren Hauptleute wie Uribert und Hubert an den größten Feuern, wo sich hauptsächlich die Krieger aufhielten. Kaum zu glauben, dass alle Männer hier im Heer des Königs als Soldaten eingesetzt gewesen waren, wo doch so viele nur wenig Erfahrung mit Schwert und Bogen hatten.

      Kurz darauf erschien Knuts narbiges Gesicht im Feuerkreis. Ihm folgten der Hüne Dersthorn und der drahtige Fergal. Sie musterten Aribald misstrauisch.

      »Was tut der da?«, fragte Dersthorn.

      »Das erfährst du, wenn es soweit ist«, erwiderte Gunar knapp.

      In dem Krug, der herumgereicht wurde, war nur reines Quellwasser, was Aribald klarmachte, wie ernst dieses Gespräch werden würde.

      »Jetzt erzähl’s noch mal«, forderte Knut den fremden jungen Mann auf.

      »Ich hab sie getroffen«, begann der hastig. Seine Wangen glühten und sein Blick flatterte unruhig hin und her.

      »Fang von

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