Die Nähe der Nornen. Kerstin Hornung

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Читать онлайн книгу Die Nähe der Nornen - Kerstin Hornung страница 21

Die Nähe der Nornen - Kerstin Hornung Der geheime Schlüssel

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Darentor weitere Aufgaben, die meist nichts mit seinem übergeordneten Auftrag zu tun hatten. Am Ende jeder Unterredung sah er ihn aus zusammengekniffenen Augen an, verzog seinen Mund zu einem Lächeln, das nichts Gutes zu bedeuten hatte und deutlich machte, dass es für den König eine willkommene Abwechslung wäre, Darentors Kopf rollen zu sehn.

      Darentor Wallhaus hing an seinem Kopf und wollte ihn keinesfalls verlieren. Immer hektischer suchte er nach einer Fluchtmöglichkeit. Er wollte möglichst viel Abstand zwischen sich und dem König schaffen, und er nahm sich vor, niemals wieder in dessen Nähe zurückzukehren, insofern sich dies irgendwie vermeiden ließ. Nach einigen Tagen kam ihm der Zufall zu Hilfe. An einer Wäscheleine entdeckte er früh am Morgen die Kutte eines Mönchs. Hastig zog er sie herunter und versteckte sie. Die Mönche verließen ab und an das Kloster, um die Gärten jenseits der Mauern zu pflegen, und Darentor hatte tatsächlich noch ein zweites Mal Glück. Es gelang ihm, sich unbemerkt einer dieser Gruppen anzuschließen. Mit gesenktem Kopf und heftig pochendem Herzen folgte er den Mönchen durch das Haupttor den gewundenen Pfad hinunter. Als das Tor außer Sichtweite war, ließ sich Darentor zurückfallen, und in einem Moment, der ihm am günstigsten erschien, lief er, so schnell er konnte, in den Schutz eines Pinienwaldes. Er hielt sich nicht damit auf, falsche Fährten zu legen. Falls jemand von der archiepiskopoischen Garde merkte, dass er nicht mehr da war, wüsste jeder, wo er ihn suchen musste. Darum rannte er geradewegs nach Norden. Seine Lungen brannten, seine Beine zitterten und sein Hals war trocken, aber er gönnte sich keine Pause. Für ihn galt es nur noch, so schnell wie möglich den Auftrag des Königs zu erledigen und dann noch schneller zu verschwinden. Eine Belohnung würde es für ihn nicht geben. Die größte und einzige Belohnung, die er erwartete, war die, aus dem Dunstkreis des Königs entlassen zu sein und ihn nie wieder betreten zu müssen. Ab und zu blieb Darentor stehen und lauschte, ob ihm schon jemand auf den Fersen war, dann lief er weiter.

      ***

      Aribald Langwasser saß mit sieben Männern an einem kleinen Feuer und war zufrieden. Es war eines von etwa fünfzehn Feuern und an jedem von ihnen wärmten sich etliche grimmig aussehende Rebellen. Nach all den Jahren, die Aribald sinnlos vergeudet hatte und die aus ihm weniger als den Schatten seiner selbst gemacht hatten, merkte er nun zunehmend, dass er lebte.

      Einst nannte er sich Baron und besaß ein nicht unerhebliches Stück Land in den Quellenbergen. Ein schönes Herrenhaus und ein gut gefüllter Weinkeller gehörten auch dazu, aber in seinem jugendlichen Leichtsinn hatte er zu viele ausschweifende Feste gefeiert und nächtelang Freunde, die er heute nicht mehr kannte, beim Würfeln freigehalten.

      Wann er begonnen hatte, schon vor dem Frühstück einen Krug Wein zu leeren, konnte er heute nicht mehr sagen. Genau so wenig, wie ihm die Jahre im Gedächtnis geblieben waren, die er in einem Nebel aus Alkohol zugebracht hatte. Nur verschwommen erinnerte er sich heute an den Fremden, der in sein Haus gekommen war und der ihm, trotz seiner herrischen und unfreundlichen Art, immer willkommen gewesen war, weil er stets einige Krüge guten Rotwein mit sich führte. Aribald Langwasser wusste nicht mehr, was für einen Handel er mit dem Mann eingegangen war, aber nach einem dieser Besuche erwachte er in seinen eigenen Verliesen, an Armen und Beinen gefesselt. Der Nebel, in dem er lebte, bekam damals zum ersten Mal einen Riss und er spürte seinen Körper wieder. Doch nur zu seiner Qual. Tagelang zerrte er an seinen Ketten und brüllte dabei wie ein Tier, bis ihn die Erschöpfung niederzwang und er besinnungslos in seinen eigenen Exkrementen liegen blieb.

      Dieser verzweifelten Raserei folgte stille Resignation. Die blutenden Wunden an Armen und Beinen vernarbten und Aribald begnügte sich mit dem abgestandenen Wasser und dem trockenen Brot, das ihm ab und zu hingestellt wurde. Sein vom jahrelangen Alkoholmissbrauch abgestumpfter Verstand ließ ihn nicht einmal mit seinem Schicksal hadern. Regungslos lag er Tage und Wochen da und starrte in das Dämmerlicht. Genauso dämmerig waren auch seine Gedanken. Er schlief, er wachte, aber er nahm nichts von all dem wahr, bis er eines Nachts brutal aufgerüttelt und dann niedergeschlagen wurde. Als er erwachte, war die Luft leichter und es gab Geräusche von fließendem Wasser. Seine Ketten hingen nicht länger an der Wand, sondern waren an einer Schiene am Boden befestigt. Schwerfällig ging er einige Schritte und staunte über die weitläufige Halle, in der er sich befand. Doch plötzlich wimmelte es in der Halle von gebeugten Kreaturen.

      Aribald war sich damals sicher, in der Hölle angekommen zu sein, aber auch dies nahm er nur zu Kenntnis, es bewegte ihn nicht. In gewisser Weise war er wirklich tot gewesen und diese Hölle nur ein weiterer Beweis dafür, dass er in seinem Leben alles falsch gemacht hatte.

      Teilnahmslos erledigte er die Arbeit, die ihm von den Kreaturen aufgetragen wurde, und nahm die Schläge in Kauf, wenn er sie nicht ordnungsgemäß oder schnell genug durchgeführt hatte. Bis eines Tages ein Engel zu ihm sprach und ihn daran erinnerte, dass er früher mal einen Namen hatte. Und ein Leben.

      Ihre Stimme war Trost und sie berührte einen Teil in ihm, von dem er nicht wusste, dass es ihn noch gab. Durch diese Stimme fühlte er, dass er immer noch ein lebendes Wesen war, doch als sie ging, war die Dunkelheit um ihn herum finsterer denn je. Alles, was ihn am Leben hielt, war ihr Versprechen wiederzukommen.

      Heute wusste er, dass es kein Engel gewesen war, der mit ihm gesprochen hatte. Als die Elben kamen und ihn aus der unterirdischen Halle befreiten, lauschte er, ob ihre Stimme dabei war. Und obwohl alle ihre Laute wie Musik in seinen Ohren klangen, fehlte ihm doch jene eine.

      An dem Tag, als Aribald zum ersten Mal wieder das Licht der Sonne sah, ließ er sein altes Leben hinter sich. Er war hundert Tode gestorben und den Baron von Langwasser, der er einst gewesen war, gab es nicht mehr.

      Die Elben hatten ihm ein neues Leben geschenkt und mit dem wollte er nicht so unachtsam umgehen wie mit dem ersten. Er behielt nur seinen Namen als Erinnerung und Mahnung und verließ die Quellenberge, die einst seine Heimat waren.

      Seit er wieder in der Gesellschaft von Menschen weilte, merkte er, wie seine Lebensenergie zurückkehrte. Sein Körper erinnerte sich daran, dass er früher einmal kraftvoll gewesen war. Er lernte, das Lachen befreien konnte und ein derber Scherz unter Gleichgestellten Balsam für die Seele war. Selbst die eine oder andere Schlägerei hatte die Wirkung eines Sommergewitters, nach dem die Luft wieder rein und klar war.

      Viel Zeit zum Grübeln blieb ihm in dem Rebellenlager, in dem er jetzt lebte, ohnehin nicht. Um die Versorgung einer so großen Truppe zu gewährleisten, war einiges an Aufwand nötig. Die erfahrenen Kämpfer und geschickten Jäger kümmerten sich um das leibliche Wohl, während die anderen – so wie er – im Lager Ordnung hielten, Beeren und Holz sammelten, Zelte flickten und Pfeile schnitzten.

      Knut war ein verwegener, hitzköpfiger Anführer. Er konnte die Männer begeistern und auch in schier ausweglosen Situationen noch einen positiven Gedanken finden, der aufmunternd wirkte. Aber bei der nicht abreißenden Schwemme an Notsituationen war es bereits zu einigen Abspaltungen gekommen. Aribald zweifelte nicht daran, dass ohne den bedachten Gunar weit weniger von der Truppe, die im Winter aus der Armee des Königs geflohen war, übriggeblieben wäre.

      Gunar war der Mann im Hintergrund und wahrscheinlich der Einzige, der mitten in einem Streit Knut unverblümt die Meinung sagen konnte, ohne dass dieser ihn niederschlug. Zwar hörte Knut durchaus auch auf das, was andere ihm rieten, aber bei keinem gab er dies so offen zu wie bei Gunar. Knut war das Schwert, aber Gunar das Schild, und schon nach kurzer Zeit merkte Aribald, dass die Männer mit ihren Sorgen zu Gunar gingen. Wenn Gunar bei den Feuern saß, so wie jetzt, trank er immer mäßig und mit Bedacht. Genau wie Aribald hörte er nur zu und beobachtete die anderen.

      »Du trinkst nie mit den Männern.«

      Aribald fuhr zusammen. »Ich habe genug getrunken für dieses eine Leben«, antwortete er. »Mehr als genug.« Dann starrte er ins Feuer und schwieg.

      »Dein Name war weithin bekannt dafür.«

      Wieder

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