DER ABGRUND JENSEITS DES TODES. Eberhard Weidner

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DER ABGRUND JENSEITS DES TODES - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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dick und 50 Zentimeter lang. Er wurde mit Sekundenkleber am Bogen befestigt, sodass er sich nicht davon lösen konnte. Dann wurde das Ganze mit Klebeband an der Hand der Toten fixiert.«

      »Und der Kranz auf ihrem Kopf?«

      »Lorbeer«, antwortete Krieger.

      »Ein Siegerkranz«, verlieh Anja ihrer Vermutung Ausdruck. Nach ihrer Erfahrung war ein Lorbeerkranz vor allem ein Symbol für einen Sieg oder einen besonderen Erfolg.

      Englmair zuckte mit den Schultern.

      »Wie eine Siegerin sieht sie nicht gerade aus«, widersprach Krieger.

      »Es geht auch nicht darum, wie wir sie sehen, sondern was der Täter in ihr sah«, entgegnete Anja. »Und er muss schon einen verdammt guten Grund gehabt haben, dass er sich die ganze Mühe mit dem Karussellpferd, dem Bogen und dem Kranz gemacht hat.«

      Sie sah sich das nächste Foto an. Auf ihm war nur das Holzpferd zu sehen, nachdem man den Leichnam entfernt hatte. Der Sattel, der bislang verdeckt gewesen war, war ebenfalls braun. Anja blätterte die restlichen Bilder rasch durch, bevor sie sie Englmair zurückgab.

      »Habt ihr schon eine Vermutung, warum der Täter die Leiche auf diese spezielle Art und Weise hinterlassen hat?« Der Mörder hatte sich gewiss nicht nur aus Spaß die Mühe gemacht, den Leichnam auf ein Karussellpferd zu setzen und darüber hinaus Pfeil und Bogen und einen Lorbeerkranz anzufertigen. In derartigen Fällen, die so eindeutig und auffallend von gewöhnlichen Mordfällen abwichen, geschah selten etwas ohne konkreten Grund. Jedes Detail hatte für den Täter eine manchmal offensichtliche, manchmal aber auch verborgene Bedeutung. Und erst, wenn es den ermittelnden Beamten gelang, diesen Geheimcode zu entschlüsseln, konnten sie darauf hoffen, dem Mörder einen Schritt näher und irgendwann auf die Schliche zu kommen.

      Doch die beiden Männer schüttelten synchron die Köpfe. Damit wirkten sie trotz ihres Größenunterschieds wieder wie die Zwillinge, die sie entgegen ihrer Ähnlichkeit nicht waren. Allerdings standen sie noch am Anfang ihrer Ermittlungen. Sie hatten gerade erst damit begonnen, die Hintergründe der Tat zu enträtseln, und da konnte man in der Regel auch keine Wunder erwarten.

      »Vielleicht soll sie so eine Art Jagdgöttin darstellen«, vermutete Krieger.

      »Diana?«, nannte Englmair daraufhin den Namen der römischen Göttin der Jagd.

      »Oder Artemis«, fügte Anja hinzu. »Das ist die Göttin der Jagd aus der griechischen Mythologie. Andererseits haben wir mit den nachgemachten Pestbeulen und dem Fundort einen eindeutigen Bezug zur Pest.«

      »Dann meinst du also, dass die Art, wie der Leichnam arrangiert wurde, ebenfalls etwas mit der Pest zu tun haben könnte?«, fragte Krieger. Der Gedanke war naheliegend. Die Seuche schien das beherrschende Thema des Täters zu sein. »Immerhin scheint der Täter davon geradezu besessen zu sein. Nennt man ein weißes Pferd nicht auch Schimmel? Dann steht der Schimmelpilz vielleicht für die Pest?« Er zuckte fragend mit den Schultern.

      Anja schüttelte den Kopf. »Schimmelpilze haben nichts mit der Pest zu tun. Das eine bezeichnet eine Gruppe von Pilzen. Das andere ist eine hochgradig ansteckende Infektionskrankheit, die durch ein Bakterium übertragen wird.« Sie hatte zwar das unbestimmte Gefühl, dass es dennoch einen Zusammenhang zwischen einem weißen Pferd und der Pest geben könnte, wusste jedoch nicht, woher diese Ahnung kam. Daher behielt sie es vorerst für sich.

      »Wir werden uns darüber informieren und all diesen Dingen nachgehen«, beendete Englmair das Thema. In diesem frühen Stadium brachte es nichts, unnütze Spekulationen anzustellen. »Falls es einen Zusammenhang gibt, finden wir das schon noch heraus. Erzähl uns lieber etwas über die Tote.«

      »Das Wichtigste wisst ihr ohnehin schon aus der Vermisstenanzeige«, sagte Anja und gab ihm den Computerausdruck mit Nadines Daten zurück. Sie hatte ihn auf die Ablage gelegt, bevor sie sich die Tatortfotos angesehen hatte.

      Englmair nahm die Blätter entgegen. Er faltete sie einmal und steckte sie zu den Fotos in die Klarsichthülle. »Dann erzähl uns das, was nicht drinsteht.«

      Anja seufzte. Sie sah die verhüllte Leiche an und wandte rasch wieder den Blick ab. »Nadine Weinhart hatte einen Gehirntumor.«

      »Was?«, fragte Englmair und riss überrascht die Augen auf.

      Kriegers Kommentar lautete: »Ach du Scheiße!« Er stieß sich abrupt vom Seziertisch ab, als hätte die Leiche eine ansteckende Krankheit, drehte sich um und sah mit gerunzelter Stirn auf die Tote unter dem Leichentuch herab. »Das auch noch!«

      Anja nickte. »Nadine klagte vor ihrem Verschwinden ein paar Wochen lang über starke Kopfschmerzen und Übelkeit, die sie vor allem in der Nacht und am Morgen quälten. Schließlich ging sie zu ihrem Hausarzt, der sie an einen Neurologen verwies. Allerdings verschwieg sie das ihrer Mutter und ihrer besten Freundin. Vermutlich, um sie nicht zu beunruhigen. Der Neurologe schickte sie in eine radiologische Praxis, die sie am Morgen ihres Verschwindens aufsuchte, um ein MRT machen zu lassen. Dabei wurde eine Geschwulst in einem schwer zugänglichen Teil ihres Gehirns entdeckt.«

      »Hätte man den Tumor entfernen können?«, fragte Krieger.

      Anja schüttelte den Kopf. »Nach Ansicht des Arztes, der Nadine die Diagnose mitteilte, nicht. Es blieb nur eine kombinierte Behandlung aus Bestrahlung und Chemo übrig. Aber die Heilungschancen wären auch in diesem Fall gering gewesen.«

      »Und wie hat sie die Nachricht aufgenommen?«, fragte Englmair.

      »Nach Aussage des Arztes hat sie es so aufgenommen, wie der überwiegende Teil aller Krebspatienten es tut. Und wie es angesichts eines theoretischen Todesurteils auch nicht anders zu erwarten ist. Ich glaube, das waren in etwa seine Worte.«

      »Was für ein Arschloch!« Krieger schüttelte den Kopf. Angesichts der tödlichen Krankheit des Opfers erwies er sich als erstaunlich einfühlsam. Damit widerlegte er Anjas vorherige Behauptung, er sei gefühlsarm.

      »Der Typ war so kalt wie ein Eskimohintern und hätte von daher eher Klempner als Arzt werden sollen«, sagte sie.

      Die beiden Polizisten lachten. Anja kam das an diesem Ort und in Gesellschaft einer Leiche unpassend vor. Dennoch musste auch sie schmunzeln, bevor sie mit ihrem Bericht fortfuhr: »Am Abend telefonierte Nadine sowohl mit ihrer Mutter als auch mit ihrer Freundin Anne. Sie erzählte allerdings keinem von dem Tumor, sondern spielte die Sache mit den Kopfschmerzen herunter. Danach hatte niemand mehr Kontakt zu ihr.«

      »Außer dem Irren, der das mit ihr angestellt hat«, sagte Krieger und zeigte auf die verhüllte Leiche.

      »Hatte sie keinen Ehemann oder Freund?«, fragte Englmair.

      »Sie war nie verheiratet und trennte sich vor acht Monaten von ihrem letzten Freund. Danach war sie alleinstehend.«

      »Und seitdem kein einziger Mann in ihrem Leben?« Krieger sah Anja an, als wollte sie ihn verarschen.

      »Wenn, dann hätte sie ihrer besten Freundin etwas davon gesagt. Die beiden erzählten sich alles.«

      »Von dem Tumor hat sie ihr auch nichts gesagt«, schränkte Englmair ein.

      Anja nickte. »Allerdings sagte sie bei ihrem letzten Telefonat etwas von einem Mann, den sie kennengelernt habe. Sie nannte sogar einen Namen: Johannes.«

      »Und?«, fragte Englmair. »Was hast du über den Typen herausgefunden?«

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