Das Geschlecht der Zukunft. Edward Bulwer
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Daher teilten sich die Vril-Entdecker im Laufe weniger Generationen friedlich in mittelgroße Gemeinden. Der Stamm, in dessen Mitte ich geraten war, beschränkte sich auf zwölftausend Familien. Jeder Stamm beherrschte ein Gebiet, das für seine Bedürfnisse ausreichte, und zu bestimmten Perioden verließ die überzählige Bevölkerung das Land und suchte sich eine neue Heimat. Niemals machte sich die Notwendigkeit zu einer willkürlichen Wahl dieser Auswanderer geltend. Es fand sich immer eine genügende Anzahl, die aus freien Stücken fortzog.
Diese oft geteilten kleinen Staaten gehörten alle zu einem großen Stamme. Sie sprachen dieselbe Sprache, obgleich der Dialekt ein wenig verschieden war. Sie heirateten untereinander und hielten die gleichen Gesetze und Gewohnheiten aufrecht. Die Kenntnis des Vril und das Verständnis ihn anzuwenden, war ein so wichtiges Band zwischen diesen verschiedenen Gemeinden, daß das Wort A-Vril gleichbedeutend war mit Zivilisation, und Vril-ya, das heißt die zivilisierten Nationen, war der Name, der die Gemeinden, die sich auf die Anwendung des Vril verstanden, von denen der Ana unterschied, die noch auf unkultivierter Stufe standen.
Die Regierung des Stammes der Vril-ya, um den es sich hier handelt, war anscheinend sehr kompliziert, in Wahrheit aber sehr einfach! Sie basierte auf einem Prinzipe, das in der Theorie zwar festgestellt, praktisch aber noch wenig erprobt war. Es strebt nach einer Einheit, nach einer einfachen Grundlage, die sich erst nach vielen Irrgängen erreichen läßt. Selbst die Republikaner stimmen dem bei, daß ein Staat am besten unter einem wohlwollenden Oberhaupte verwaltet wäre, wenn man irgend eine Sicherheit dafür hätte, daß diese Macht nicht mit der Zeit mißbraucht würde.
Diese seltsame Gemeinde erwählte daher einen einzigen höchsten Magistrat, Tur genannt. Eigentlich liegt diesem sein Amt auf Lebenszeit ob, aber nur selten kann man ihn davon zurückhalten, es in vorgerücktem Alter niederzulegen.
Es gab in der Tat nichts in dieser Gemeinde, um dessenwillen eines ihrer Mitglieder sich nach den Sorgen eines Amtes hätte gelüsten lassen. Keine Ehren, keine Zeichen eines höheren Ranges begleiteten es. Der oberste Magistrat zeichnete sich weder durch bessere Wohnung noch höhere Einkünfte aus. Auf der anderen Seite waren die Pflichten, die man ihm auferlegte, sehr leicht und einfach und erforderten weder besondere Energie noch Wissen; denn dadurch, daß die Sorge um den Krieg wegfiel, gab es auch keine Armeen zu erhalten; da es keine Gewaltherrschaft gab, war auch keine Sicherheitsbehörde zu ernennen und zu leiten. Was wir unter Verbrechen verstehen, war den Vril-ya gänzlich unbekannt; Gerichtshöfe existierten daher nicht. Kleine Streitigkeiten, die auch nur-selten vorkamen, wurden dem Urteilsspruche von Freunden überlassen, die von beiden Parteien gewählt wurden, oder sie wurden von dem Kollege der Weisen, das ich später beschreiben werde, geschlichtet. Richter gab es nicht, und die Gesetze bestanden auch nur aus einem freundschaftlichen Übereinkommen, denn keine Macht konnte Gesetze gegen einen Beleidiger geltend machen, der in seinem Stabe die Kraft hatte, seine Richter zu vernichten. Es gab einige willkürliche Gebräuche und Regeln, in die die Bevölkerung schweigend gewilligt hatte. Kam irgend jemand eine dieser Vorschriften zu streng vor, so verließ er die Gemeinde und ging wo anders hin. Es herrschte in diesem Staate stillschweigend das Gesetz: Bleibe oder geh, je nachdem dir unsere Regeln und Gewohnheiten zusagen oder mißfallen. Obgleich hier nichts existiert, was wir unter der Bezeichnung Gesetze verstehen, gibt es doch kein Geschlecht oberhalb der Erde, das das Gesetz so beobachtet wie sie. Es ist ihnen zur zweiten Natur geworden den Regeln, die die Gemeinde angenommen hat, zu gehorchen. Sie haben ein Sprichwort, das heißt: Kein Glück ohne Regel, keine Regel ohne Autorität, keine Autorität ohne Einigkeit. Bezeichnend für die Milde ihrer Regierung ist der schlichte Ausdruck für etwas Unerlaubtes, etwas Verbotenes, wie zum Beispiel: »Es wird gebeten, das und das nicht zu tun« . So unbekannt, wie das Verbrechen ist auch die Armut. Nicht daß Eigentum Gemeingut, oder die Besitztümer von gleicher Größe, die Wohnungen von gleichem Luxus gewesen wären! Es gab aber keinen Rangunterschied zwischen den mehr oder weniger Begüterten und der Art der Beschäftigungen. Es folgte ein jeder ohne Neid und Mißgunst seinen Neigungen. Dank dieser Gleichheit versank eine Familie nur selten in Armut. Es gab keine gewagten Spekulationen, niemand strebte nach Rang und großen Reichtümern. Bei seiner Niederlassung wurde einem jeden ein gleich großes Stück Land zugeteilt, aber einige, die glücklicher als die andern gewesen waren, hatten ihre Besitztümer nach und nach vergrößert, eine reichere Ernte gehabt oder einen Handel angefangen. Dadurch waren einzelne wohl reicher als die übrigen, aber keiner war verarmt oder litt Mangel.
Wenn wirklich einmal ein derartiger Fall eintrat, so stand es in eines jeden Macht, auszuwandern oder sich schlimmsten Falles ohne sich dessen schämen zu müssen, an die Reichen zu wenden, die ihre Hülfe nie verwehrten, denn alle Mitglieder der Gemeinde betrachteten sich als Brüder einer einigen liebevollen Familie. Auf diesen Punkt wird meine weitere Erzählung später ausführlicher eingehen.
Das hauptsächlichste Amt des obersten Magistrates war: mit bestimmten Departements, denen die Verwaltung besonderer Einzelheiten oblag, in Verkehr zu stehen. Das Wichtigste und Hauptsächlichste war dabei die Versorgung mit dem nötigen Lichte. Hierin hatte mein Wirt, Aph-Lin, die Oberleitung. Eine andere Abteilung, die man die Abteilung »für Fremdes« nennen kann, stand mit den verwandten, nachbarlichen Staaten in Verbindung, hauptsächlich um alle neuen Erfindungen kennen zu lernen; einer dritten lag es ob, alle diese Erfindungen und Verbesserungen im Maschinenfache zu prüfen. Mit dieser Abteilung stand das »Colleg der Weisen« in direkter Verbindung. Ein Colleg, das meist aus Verwitweten, Kinderlosen und jungen, unverheirateten Mädchen bestand, von denen Zee die tätigste war. Wenn das, was wir unter Hervortun und Auszeichnung verstehen, diesem Volke bekannt gewesen wäre, hätte man sagen können, daß sie die Umsichtigste und Hervorragendste war. Die weiblichen Professoren dieses Collegs trieben am eifrigsten die Studien, die man im praktischen Leben für die am wenigsten nutzbringenden hält, wie z. B. rein spekulative Philosophie, Geschichte ferner Zeiten, Entomologie, Conchologie usw. Zee, deren Geist rege war wie der des Aristoteles, hatte zwei Bände über die Schmarotzertiere geschrieben, die im Haare einer Tigerpfote leben. Dieses Werk wurde für das beste erklärt, das man über diesen interessanten Gegenstand besaß.
Aber die Forschungen der Weisen beschränken sich nicht auf derartige subtile Studien. Sie umfassen wichtigere Gegenstände, besonders die Eigenschaften des Vril, zu deren Beobachtung die feinere Nervenorganisation der weiblichen Professoren besonders geeignet ist. Außer diesem Collegium wählt der Tur oder oberste Magistrat drei Ratgeber für den seltenen Fall, daß ihm bei der Neuheit irgend eines vorkommenden Ereignisses oder Urh-standes sein eigenes Urteil nicht hinreichend erscheint.
Einige andere Abteilungen sind von geringerem Einflusse, aber überall geht es so ruhig und geräuschlos zu, daß eine Oberaufsicht unnütz zu sein und ganz zu verschwinden scheint. Allgemeine Ordnung und Regelmäßigkeit ist vollständig zum Naturgesetze geworden. Maschinerien werden bei allen Beschäftigungen in und außer dem Hause in weitestem Maße gebraucht Die Abteilung, deren Aufsicht sie unterliegen, ist unaufhörlich damit beschäftigt, ihre Wirksamkeit noch zu erweitern. Eine arbeitende oder dienende Klasse gibt es nicht. Zum Beistand und zur Beaufsichtigung der Maschinen nimmt man Kinder, von der Zeit, wo sie der mütterlichen Sorge entwachsen, bis zu dem Alter, wo sie heiratsfähig sind, d. i. für die Gy-ei (Mädchen) das sechszehnte, für die Ana (Männer) das zwanzigste Jahr. Ein jedes dieser Kinder widmet sich der Beschäftigung, die ihm am meisten zusagt. Einige wählen ein Handwerk, andere den Ackerbau, wieder andere häusliche Verrichtungen und noch andere den einzigen Dienst, in dem diese Leute einer Gefahr ausgesetzt sind. Diese Gefahren bestehen erstens in den zeitweiligen Erschütterungen im Inneren der Erde, die vorauszusehen sind und gegen die sich zu schützen es des größten Scharfsinnes bedarf, ferner in Ausbrüchen von Feuer und Wasser, unterirdischen Stürmen,