Der Junge mit dem Feueramulett: Der heilige Vulkan. Frank Pfeifer

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Der Junge mit dem Feueramulett: Der heilige Vulkan - Frank Pfeifer Der Junge mit dem Feueramulett

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sie jetzt in die Alte Stadt, ohne dauernd über die eigenen Füße zu fallen? Da sie dank ihrer Haarpracht quasi inkognito reisten, konnten sie nun auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen. So konnten sie als Deckmatrosen auf einem Frachtschiff anheuern, das die Klatsch bis zum Wasserfall befuhr, der sich aus der Hochebene von Asch-by-lan herabstürzte. Denn sie waren die besten Deckschrubber weit und breit. Indem sie einfach mit den Füßen über die Planken schlurften und die eigenen Haare dabei als Putzlappen benutzten, erzielten Kard und Madad eine Sauberkeit, die dieses Frachtschiff, die Morana, bisher noch nicht kennengelernt hatte. Zweimal am Tag kürzten sie ihre Haare beziehungsweise diese matschige, verklebte Pampe, zu denen die Haarenden sich inzwischen verwandelt hatten, und legten ein kleines Päuschen ein. Die reichte aus, damit wieder putzfähiges Material nachwachsen konnte. Zwar blieben sie oft an Astlöchern und Kerben hängen und erfreuten die Mannschaft dann mit Jaulen und Flüchen, aber nach einer Weile hatten sie ein Tempo und ein Haarspitzengefühl, dass sie diese Unannehmlichkeiten großteils vermeiden konnten. Der Kapitän der Morana, ein Torak namens Kslam, der in seinem ganzen Leben noch nie weiter als bis zu den Klatschfällen gereist war, war ganz begeistert von den Wathern, die er nun an Bord hatte.

      Madad wusste, natürlich von Mama, dass die Wahter eine dunkle, singende Stimme hatten, also versuchten sich die beiden in solch einer Tonlage. Am Abend ihres ersten Tages, als die zwei Bos-Ochsen, die das Schiff gegen die Strömung zogen, abgeschirrt und die Morana am Ufer vertäut war, versammelte sich die Mannschaft um die beiden augenlosen Riesenperücken, um alles aus dem Leben der Wahter zu erfahren. Kard war ein wenig hilflos, denn er wusste selbst ja nichts über die richtigen Wahter. Außer eben, dass es kleine behaarte Wesen waren, die tief in den Wäldern des Drachengebirges hausten. Aber der kleine Bucklige, so nannte die Mannschaft Madad, die nicht sehen konnte, was sich hinter dem Haarvorhang tatsächlich befand, wusste natürlich, dank Mama und einer übersprudelnden Fantasie, doch einiges zu berichten.

      »Nein, nein«, sang Madad in dunklem Bariton, jede Silbe so lange wie möglich hinziehend, »wir sehen nicht alle so aus. Wir haben eine Wette verloren.« Pause, Pause, Pause. Alle Vokale nachklingen lassen. Pause. Pause. Pause. Die Mannschaft war ganz Ohr. »Natürlich ging es um ein Mädchen.« Ein Mädchen? Oh, jetzt wurde es interessant. Die Mannschaft, die wie der Namen ja schon sagt, aus lauter Männern, Toraks, Menschen und sogar einem Ichto-Lotsen, bestand, platzte vor Neugier. Einer wagte es sogar, eine Frage zu stellen. In Bemühen, sich dem Sprachtempo der vermeintlichen Wahter anzupassen, sprach der Matrose sehr, sehr, sehr langsam.

      »Also gibt es bei euch auch Mädchen?«

      Pause.

      Pause.

      Pause.

      »Ja.«

      Pause.

      Pause.

      Pause.

      »Aha.«

      Madad erfand dann eine dramatische Geschichte, in der er sich mit dem Langen, so hatte man Kard dann hier an Bord getauft, um die Gunst eines Mädchens stritt. Um sie zu beeindrucken habe er, der Bucklige, behauptet, dass er es wagen würde, sich über den Waldrand hinaus zu trauen und bis in die Alte Stadt zu gehen. Etwas, was jeder normale Wahter tunlichst vermied, auch wenn die Alte Stadt die einzige Ansammlung fremder Wesen war, die sie überhaupt besuchten. Aber der Lange hier, hatte ein große Klappe. Jedenfalls wenn es um Mädchen ging, nicht wahr? Kard ließ ein Grunzen vernehmen, das man als Zustimmung werten konnte. Der hätte dann behauptet, dass er sich sogar bis auf die Hochebene vor der Alten Stadt wagen würde. Man musste sich das mal vorstellen. Nirgends ein Baum oder ein Felsen, auf den man klettern konnte. Nur dieses flache Land, ab und zu ein Strauch oder eventuell ein vereinzelter Baum. Sonst diese Leere. Diese Weite. Ein Alptraum für jeden Wahter. Schließlich hätten die beiden sich derart hochgeschaukelt, dass man am Ende lauthals verkündete, man würde sich bis ans Meer trauen. Bis nach Klatschmünde. Nur die großen Helden der Wahter hatten das bisher gewagt. Und ein paar Händler. Und ein paar Abenteurer. Und der Onkel des Schwiegervaters der Tochter von dem einen, von dem sie mal gehört hatten. Aber vor allen Dingen die Helden. Und leider hätte dieses Mädchen mit den mandelbraunen Augen und dem samtweichen Fell sie nicht etwas angstvoll zurückgehalten und sich allein an ihren Worten ergötzt. Nein, dieses wunderhübsche aber völlig mitleidlose Mädchen wollte, dass den Worten nun auch Taten folgten. Und der ganze Stamm schien das ebenfalls zu erwarten. Also war ihnen nichts weiter übrig geblieben, als loszuziehen. Hinaus aus dem schützenden Wald, hinaus auf die leere Ebene und bis zu diesem schrecklichen, schrecklichen Meer, dessen schiere Unendlichkeit sie bis in ihre tiefsten Träume nun verfolge. Zum Glück habe ihr Govan, jeder weiß, dass die Wahter eher Branu zugeneigt sind, ihnen diesen Haarzauber verpasst. So mussten sie nicht dauernd in die Leere schauen, sondern konnten sich in ihr eigenes Dunkel zurückziehen, was sie an die Heimeligkeit ihres schützenden Waldes erinnerte. Daher die langen Haare, dessen Wachstum tatsächlich magisch sei. Nein, nicht alle Wahter sähen aus wie sie, etwas kürzer wären die Haare normalerweise schon. Die Hälfte der Mannschaft schnarchte schon, als der Bucklige endlich endete. Aber die, die noch wach waren, nickten verständnisvoll. Ja, man soll den Mund nicht zu voll nehmen. Das konnte ein böses Ende nehmen.

      Ganze sieben Tage dauerte es, bis die Bos-Ochsen es geschafft hatten, die schwere Morena gegen die Strömung bis zu den Klatschfällen zu ziehen. Die Deckplanken glänzten, als käme das Schiff frisch aus der Werft. Niemand wollte mehr Wahtergeschichten hören. Jeden Abend dieser gleiche monotone Singsang, die Mannschaft hatte jetzt wirklich genug und betrachtete abends doch lieber die schweigenden Sterne.

      Während Kslam bald wieder mit neuer Ladung zurück nach Klatschmünde fahren würde, mussten sich Kard und Madad nun eine neue Mitfahrgelegenheit zur Alten Stadt suchen. Zuvor aber freuten sie sich, dass diese Nacht endlich Neumond war und sie nun endlich das Haarschrumpfmittel einnehmen konnten. Da die Nacht lauwarm zu werden versprach, suchten sie sich ein Lager im Freien, ein wenig abseits vom Umschlagplatz, denn auch nach Sonnenuntergang wurde weiterhin Ladung gelöscht oder die leeren Schiffe mit neuer Ware beladen. Im schummrigen Licht der Abenddämmerung las Kard nochmals genau den Beipackzettel. Die Gova in Klatschmünde hatte ihnen eingeschärft, diesmal wirklich alles genau nach Vorschrift zu machen, da sonst unerwartete Nebenwirkungen auftreten könnten. Kard und Madad hatten erstmal genug von allen Nebenwirkungen und waren erpicht darauf, alles genau nach Vorgabe zu erledigen. Da Madad zwar wie ein Buch reden aber nicht lesen konnte, war es Kards Aufgabe, alles zu entziffern.

      »Eine Stunde vor, bis eine Stunde nach Mitternacht…«, grummelte Kard vor sich hin. Sie hatten sich eine Anhöhe in der Nähe der Klatsch ausgesucht, ein kleiner Hügel, der von einem kleinen, krummen Baum gekrönt war und auf dem das Gras, wahrscheinlich von Schafen, gemäht worden war. Die sogenannten Mäh-Schafe waren in ganz Haragor beliebte Mittel der Flurpflege, schmeckten gut und ihr Fell gab wunderbare Liegekissen für Säuglinge her. So hatten die Freunde eine gute Sicht auf Treidelpfad und Fluss und in dieser Nacht auch einen funkelnden Sternenhimmel, der sich gerade langsam ankündigte.

      »Goiba zu Ehre, Goiba zu loben, Goiba zu preisen dreimal laut singen, wenn möglich in C-Dur.«

      Kard führte seine Finger über die Buchstaben, er konnte zwar lesen, aber seine herausragendste Fähigkeit war das nicht gerade.

      »Dabei siebenmal einen Hampelmann machen. Also Beine und Arme springend auseinander breiten und wieder zusammen klatschen.«

      »Und wie soll ich das machen?« Der Haarberg, unter dem sich Madad befand, wackelte seltsam, wahrscheinlich versuchte er gerade, die genannte Übung auszuführen.

      »Credna für die viele Liebe, die sie in die Welt bringt, danken. Und Luchta für den ganzen Reichtum. Falls man weder Liebe verspürt, noch reich ist, genügt es, wenn man sich einfach so bei den Schwestern von Goiba bedankt. Danach aber Goiba um so mehr danken.«

      Kard

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