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sei noch keiner von den Bonzen gewesen, um Reden an das notleidende Proletariat zu halten. Und arbeiten? Das könne er hier schon, wenn es ihm Spaß mache, für die Blutsauger zu arbeiten. Ihm mache es keinen Spaß mehr.

      Auf See habe niemand danach gefragt, sagte Thomas, für wen er arbeite. Sie wollten eben zur See fahren, das sei ihnen Freude genug gewesen. Und so wolle er hier arbeiten, weil es ihm Freude machen werde.

      »Na ja«, sagte der Mann. »Warst du schon drüben?« Und er deutete mit dem Daumen über die Schulter.

      »Nein«.

      »Nicht uneben in seiner Art, der General, aber dämlich, sage ich dir, furchtbar dämlich. So aus der Zeit der Kreuzzüge, verstehst du? ›Mein See, mein Wald, mein Schloß!‹ Nicht beizubringen, daß das ebenso mir gehört wie ihm. ›Eigentum ist Diebstahl‹, nie was gehört davon. Aber ordentlich ausgesprochen wir beide manchmal, alles was recht ist … bis auf die Fahne.«

      »Welche Fahne?«

      Der Fischer knöpfte langsam den Rock auf, an dem die Fischschuppen glänzten, und holte aus der Brusttasche sorgsam ein rotes Tuch heraus, vielfach zusammengelegt und brüchig in den Falten. Er breitete es auf seinen Knien aus und strich mit der schweren Hand darüber.

      »Dies eben«, sagte er. »Ich habe sie aufgezogen über dem Haus, und jedesmal sind sie gekommen und haben sie heruntergeholt, er und seine Schergen. Schließlich habe ich gekündigt, Fahne muß sein!« Er stützte den Kopf wieder in beide Hände und starrte auf das rote Tuch.

      »Aber hier, auf der Insel?« fragte Thomas. »Muß das sein?«

      »Überall«, sagte der Mann finster. »Über der Insel und über dem Sarg.«

      »Und nun?«

      »Nun? Weiß nicht. In die Stadt ziehen wahrscheinlich und 'reinschlagen in die Bande, mit dem Ruder, rechts und links. Keine Lust mehr zu arbeiten. Sechzig Jahre gearbeitet für einen Dreck, und jetzt kannst du nicht mal die Fahne aufziehen, wenn du willst!« Er spuckte ins Feuer und nahm einen Schluck aus der weißen Flasche.

      Nein, Thomas dankte.

      »Alles lernen, Freundchen, hier, alles lernen …«, murmelte er finster.

      Thomas nahm aus seiner Brieftasche ein in Seidenpapier gewickeltes Päckchen, dünn wie ein Brief. Er schlug das Papier auseinander und nahm einen Tuchfetzen heraus, nicht größer als eine Handfläche, mit eingerissenen Rändern. Er war schwarz, und nur an einer Ecke, längs einer geraden Naht, war ein weißer Fleck wie angeheftet. »Sehen Sie«, sagte er, »das ist nun meine Fahne. Sie schlugen mich über den Kopf damals und warfen mich über Bord, aber ich ließ nicht los und riß mit der Hand ein Stück heraus. Ich hielt es noch in der Faust, als sie mich herausfischten, andere, und ich habe es behalten. Es sieht nicht schlechter aus als Ihres, nicht wahr? Nur kleiner und unansehnlicher. Aber aufziehen darf ich sie auch nicht mehr, das haben wir nun gemeinsam.« Er lächelte und ließ den Schein des Feuers über das Tuch spielen.

      »Also doch verkleidet!« sagte der Fischer, beugte sich aber vor und sah auf den Fahnenrest in Thomas' Hand. »Schlechte Farben«, sagte er bekümmert, »haben viele dran glauben müssen … alle farbenblind … hinein mit ›Hurra!‹ und kopfüber auf den Grund … so dumm die Welt, so furchtbar dumm …«

      »Auch Sie werden kopfüber auf den Grund gehen, in der Stadt«, sagte Thomas.

      Der Mann fuhr mit der Hand waagerecht durch die Luft. »Egal!« sagte er. »Werde aber einige mitnehmen, und dies kommt auf meinen Sarg!«

      Er faltete das Tuch wieder zusammen und barg es unter seinem Rock. »Mit Sechzig hat man keine Angst mehr, Freundchen … verwahre auch du deines, hat mir gefallen, auch wenn du verkleidet bist. Wer sich über den Schädel hauen läßt dafür, ist ordentlich. Die anderen kneifen nur den Schwanz ein wie die Köter.«

      Ja, er wolle ihm alles zeigen, sei nicht viel zu besehen hier. In der Tür blieb er noch einmal stehen und sah zurück. »Fahnenwechsel«, sagte er, »was für ein Spaß! Wir beide, was?« Dann ging er auf dem schmalen Steig voran, der durch die Schonung bis zu den Eichen führte. Eine graue Leiter war an einen der Stämme gelehnt, und sie stiegen hinauf. Oben, zwischen den riesigen Ästen, war eine kleine Plattform und ein einfacher Sitz angebracht. Man sah die ganze Insel unter sich, den See, die Wälder und ein fernes Dorf zwischen Wiesen und Ackerstreifen.

      »Kommandoturm«, sagte der Alte und lehnte sich über das Geländer. »Von hier kannst du sehen, ob sie kommen, Rote oder Schwarze oder Schwarzweißrote. Sauberer Platz für ein Maschinengewehr, aber ich hatte keins … nun paß auf! Reusen und Stellnetze in die beiden Buchten! Bei Ostwind hier, bei Westwind dort. Vor dem Gewitter überall. Bei Nordwind zu Hause bleiben und Netze trocknen. Krebsreusen dort entlang! Zwei bis drei Meter tief. Wenn du was nicht weißt, nicht den General fragen, sondern durch das Fließ dort in den nächsten See fahren. Da lebt der Alte, achtzig oder hundert Jahre alt. Heißt Peter, die Leute sagen Petrus. Habe ihn selber noch nicht auf den Wellen wandeln sehen. Weiß alles von den Fischen, spricht mit ihnen, weiß, wann sie ziehen und wann nicht, sieht in die Zukunft und priemt … wie heißt du übrigens?«

      »Thomas.«

      »Na also, die ganze Jüngerschaft zusammen … und ich heiße Christoph und kann euch über das Wasser tragen … will übrigens gar nicht, daß du viel fängst, der Alte. Stadtmenschen sollen verhungern, meint er. Hast ein gutes Leben hier, wenn du was ausgefressen hast und dich verkleiden mußt. Kommt hier keiner schnüffeln, nicht mal der Fischmeister. Angst vor dem Alten … Aber ist nicht immer so wie jetzt, Freundchen. Kommen dunkle Tage, wenn der Schneesturm dir über den Schornstein heult. Denkst an alles, was du falsch gemacht hast, ist keiner da, der mit dir eine Pfeife raucht. Bloß das Eis brüllt im See, und die Füchse bellen, und manchmal heult der Wolf aus den Schonungen. Dann fängst du an zu trinken, Freundchen, weil wir nichts anderes haben als Schnaps, verstehst du? Wer in keiner goldenen Wiege gelegen hat, kann seine Netze stellen wie er will, sechzig oder achtzig Jahre lang, geht ihm doch der Fisch mit der Goldkrone nicht hinein. Ob du Rot hier aufziehst oder Schwarzweißrot, das bleibt sich alles gleich … und still wirst du, sage ich dir, so still wie ein Stein auf dem Grund …«

      Er fuhr mit der Hand durch den leeren Raum und stieg die Leiter wieder abwärts. »Stimmt alles mit den Netzen«, sagte er an der Haustür, »keines zuviel und keines zuwenig. Nur mit den Mäusen mußt du aufpassen im Winter, daß sie dir keinen Schaden machen … Heute abend gehe ich los, der Kahn liegt da an der hohen Fichte.«

      Er stand schon in der geöffneten Tür, und Thomas schien es, als sei er der Geist dieser Insel, grau, verwittert und gebeugt, und als würde er selbst nach zwanzig Jahren auch so dastehen. Das Tor der Zukunft tat sich in geräuschlosen Angeln auf, mit blitzenden Flügeln, einen Herzschlag lang. Er sah sich, wie eine Vision, auf der Schwelle stehen und sich umwenden wie jener, nur mit einem anderen Gesicht, und dann hineingehen und vor dem Feuer niedersitzen. Der Schein der Flamme spielt über den Globus, Länder und Meere, Berge und Ströme. Er hat den Kopf in die Hände gestützt und blickt darüber hin, ohne Wunsch und Begehren, vieles hinter sich, wenig vor sich, ein einsamer Mann, schweigsam wie die Steine auf dem Grund.

      »Ich werde ihn fangen, Christoph«, sagte er, »den mit der goldenen Krone … ich werde ihn fangen!«

      Aber der andere verzog nur die Lippen über dem grauen Bart, winkte mit der Hand und ging hinein.

      Eine unsichtbare Uhr schlug elf helle Schläge, als Thomas vor der Schloßtreppe stand. Das Schloß war nicht mehr als ein großes Gutshaus, mit einem hohen braunen Dach über zwei Flügeln. Doch

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