Das einfache Leben. Ernst Wiechert

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Das einfache Leben - Ernst Wiechert

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bemerkenswert fand, daß »ein grauer Fischerrock nebst einem Paar Wasserstiefeln, so bis über die Knie zu ziehen«, ihm jährlich zukämen und daß er »allezeit in Treue zu seiner Herrschaft zu stehen« habe, wie auch diese gelobte, ihn »in Bedürfnissen des Leibes und der Seele gut und geachtet zu halten«. Schien ihm also, als er dies langsam gelesen hatte, daß der Vertrag wohl aus der Zeit jenes wortkargen Königs stammen mochte, daß aber gleichwohl Rührendes in diesen alten Wendungen liege, mehr als er sonst in Verträgen mit Hauswirten oder Mietern erfahren hatte, und als er noch einmal, bevor er die Feder ansetzte, in die Augen des alten Mannes sah, wußte er, daß dieser Vertrag noch niemals mit besserem Willen und vielleicht auch mit tieferer Berechtigung unterschrieben worden war als eben nun.

      Eine feste, breite Hand streckte sich ihm über die Tischplatte entgegen, und als er aufsprang und sie ergriff, war es ihm, als könnte er für diesen alten, wunderlichen Mann, um den eine vergangene Zeit gleichsam wie eine Rüstung stand, gern, »wenn nötig«, vor dem Feinde fallen.

      »Gute Haltung!« sagte die drohende Stimme. »Gleich gesehn. Gut auskommen.«

      Sie traten an den Gewehrschrank, und der General zeigte ihm die kleine Büchse und Doppelflinte, die er ihm ins Forsthaus schicken werde. »Dem Esel abgenommen«, sagte er. »Auf Eiche gestanden und auf ›Blutsauger‹ gewartet. Bei armen Leuten Auge mal zudrücken, bei Lumpen Finger krumm machen! Denken, daß Eigentum aufgehört hat. Zucht und Ordnung halten! Selbst darin groß geworden. Soldat bleiben auch im Fischerrock, verstanden?«

      »Jawohl, Herr General.«

      Sie vereinbarten, daß Thomas den Dienst in vierzehn Tagen antreten sollte, mit dem Fischfang aber nicht vor dem Mai zu beginnen sei. »Mal auf Insel besuchen«, schloß der General und streckte noch einmal seine Hand aus. »Kein Weltmeer herum, aber gutes Wasser. Nicht schlechteste Devise: ›Ich dien'.‹«

      Dann war Thomas entlassen. Der friderizianische Riese lehnte schwermütig an der Kanonenmündung, und Thomas hatte ihn im Verdacht, mit seiner Nase beschäftigt gewesen zu sein. Doch half er ihm freundlich in den Mantel. »Unbequem?« fragte Thomas und deutete auf die Uniform.

      »Nein, Herr, bloß im Dorf rufen sie ›Kasperle‹ und schmeißen mit Pferdeäppeln.« Er lächelte melancholisch und begleitete den Gast zur Tür.

      »Damals«, sagte Thomas und zeigte auf das weiße Bandelier, »haben sie noch mit anderen Dingen geworfen …«

      »Jawoll, Herr, und ich kriege sie schon noch einmal!«

      Als er die Tür öffnete und Thomas hinaustrat, kam ein schwarzgekleidetes Mädchen die Steintreppe heraufgestiegen. Es war vielleicht dreizehn Jahre alt, hielt sich sehr gerade und warf eben mit einer Kopfbewegung das Haar zurück, das ihm lose bis auf die schmalen Schultern fiel. Ein junger, hagerer Mann mit einer Brille, ebenfalls in Schwarz gekleidet, beendete eben einen Satz, aus dem Thomas entnahm, daß von der Stellung der germanischen Frau im Altertum die Rede gewesen war.

      Beide blieben stehen und sahen Thomas an, der junge Mann zerstreut und noch mit seiner Beweisführung beschäftigt, das Mädchen aufmerksam und ohne Verlegenheit.

      Thomas wollte mit einer leichten Verneigung zur Seite treten, doch blieb er stehen, nahm den Hut ab und sagte zu beiden gewendet, er sei Thomas Orla, der neue Fischer.

      Während der junge Mann sich überrascht verbeugte und einen unverständlichen Namen murmelte, neigte das Kind auf eine altertümliche Weise den Kopf, ohne die Augen von seinem Gesicht zu lassen, und fragte: »Wie heißt du?«

      Thomas wiederholte seinen Namen.

      »Ist das ein Name aus einem Märchenbuch?«

      Nein, das sei sein wirklicher Name.

      Das Kind ließ die linke Hand nachdenklich über die schwarze Holzperlenkette gleiten, die es um den Hals trug. »Ich heiße Marianne von Platen«, sagte es. »Alle Mädchen heißen so bei uns. Und das ist mein Lehrer, Herr Bergengrün … aber ›Orla‹ habe ich noch niemals gehört … wirst du mit Christoph zusammen fischen?«

      Nein, Christoph gehe fort. Er werde allein auf der Insel leben.

      Christoph sei ein armer Mann, sagte das Kind. Er habe immer böse zu ihr sein wollen und sei immer freundlich gewesen.

      Ob es nicht besser sei als umgekehrt, fragte Thomas.

      Das wohl, aber am besten sei es doch, freundlich sein zu wollen und es auch zu sein, nicht wahr?

      Da habe sie sicherlich recht.

      »Herr Bergengrün«, fuhr Marianne fort, »sagt immer, alle Menschen sind anders, als sie aussehen. Aber ich glaube das nicht. Herr Bergengrün sieht immer aus wie ein aufgeschreckter Wichtelmann, und so ist er auch, nicht wahr, Herr Bergengrün?« Ein leises Lächeln bewegte ihren Mund, und sie legte ihre rechte Hand mit einer zärtlichen Bewegung auf den Arm des verlegenen Kandidaten.

      »Das sind so unsere Scherze«, sagte er entschuldigend, »doch würde es uns wohltun, wenn wir dann und wann auf die Insel kommen könnten. Mit Christoph hatte es seine Sonderheiten …«

      Mit dir auch, mein Guter, dachte Thomas und sagte, daß es ihn freuen werde, sie bei sich zu sehen.

      »Und wirst du dort wirklich fischen?« fragte das Kind.

      »Ja, ich habe Christoph gesagt, daß ich den Fisch mit der goldenen Krone fangen werde.«

      »Gibt es den?«

      »Die Märchen sagen es.«

      »Und dann?«

      »Dann will ich ihn dir schenken.«

      Sie atmete einmal tief auf, und Thomas sah, wie die Perlenschnur über der zarten Kehle sich einmal bewegte.

      Dann verneigte er sich ernsthaft wie vorher und stieg die Treppe hinunter.

      Im Walde erst, als er seine Pfeife stopfte, kam ihm zum Bewußtsein, daß es nun geschehen war, ja, daß er darüber hinaus gelobt hatte, vor dem Feinde zu fallen, wenn es nötig sei, und eine goldene Krone zu verschenken, wenn er sie gewänne.

      Er saß auf einem Baumstumpf in der Sonne und begann zu rechnen. Er war immer ordentlich in diesen Dingen gewesen und wußte, was einem Mann an Brot, an Fleisch, an Tabak und Kleidung zukam. Er wußte auch, was er hier nicht brauchen würde und wo die Grenze zwischen gewollter Einfachheit und erzwungener Ärmlichkeit lag. Es zeigte sich, daß seine Pension den Seinigen ohne Abzug bleiben konnte und daß ihm jeden Monat eine geringe Summe übrigbleiben würde, um ein paar Bücher zu kaufen oder einen Garten anzulegen. Daß also selbst in dem grauen Hause Schönheit oder Freude einkehren dürften, wenn ihn danach verlangte. Ja, daß er sogar Gäste mit Anstand würde aufnehmen können, das ernsthafte Fräulein, das wahrscheinlich aus einem Goldrahmen in der Halle heruntergestiegen war, und den biblischen Begleiter, der so feierlich sprach, als wäre er schon mit den Erzvätern durch die Wüste gezogen.

      Er sah nun alles so weit, als hätten sich Jahre davorgeschoben: das Haus mit den Kiefern im Vorgarten, die donnernden Züge der Untergrundbahn, den Strom mit den Schiffslampen, vertraute und fremde Gesichter. Er bedachte, wie leicht es war, sich von allem zu lösen, außer von dem Kinde, und erschrak darüber. Ein brüchiges Gewebe, das unter den Händen zerfiel. Es konnte nicht nur so sein, daß er von allem Abschied genommen hatte, als sie ausfuhren damals, in den ersten Nächten des großen

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