Was und wo ist Heimat. Helmut Lauschke

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Was und wo ist Heimat - Helmut Lauschke

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all den bitteren Entbehrungen sich ein Sein von Wert und Würde anschließen soll.

      Sarah. Und dieses Sein von Wert und Würde soll näher ans Lager herankommen und sich nicht ins Unabsehbare entfernen.

      Yasin. Da stimme ich ihnen aus ganzem Herzen zu... Doch fürchte ich, dass ein Näherkommen von Wert und Würde in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist. Dafür hat sich die Not zu breit gemacht und eine Fläche erreicht, auf der das Elend zum Turm von unvorstellbarer Höhe geworden ist.

      Sarah. Dann werden wir in der Wert- und Würdelosigkeit verenden, und die Kinder werden es nicht verstehen.

      Yasin. Nein, sie werden fragen, warum sie in diese Welt gebracht wurden, wenn es an Nahrung und an Wasser fehlt, dass magere Menschen traurig blicken und an Stöcken gehen, wo sich alle nach Frieden und den besseren Zeiten sehnen.

      Sarah. Und warum das alles so gekommen ist, das kann mit einfachen Worten mir keiner erklären.

      Yasin. Außergewöhnliches braucht die besonderen Worte der Erklärung. Denken sie an die Herkunft der Menschen, denken sie an die Schulen, denken sie daran, was wir Traditionen und Kulturen nennen. Die Menschen sprechen unterschiedliche Sprachen und denken deshalb auch unterschiedlich über das Leben.

      Sarah. Aber was gut und böse ist, das unterscheiden doch alle, ich meine, da stimmen die Menschen miteinander überein.

      Yasin. Weil es traditionelle Unterschiede gibt, verlieren viele Dinge die Gemeinsamkeit, gehen die Meinungen und Kulturen auseinander und machen die Dinge kompliziert, dass es zu Kriegen mit den Morden an unschuldigen Menschen und ihren Kindern kommt. Es ist der Diskonsens mit dem Mangel an Verständnis und Verständigung, warum wir in diesem Lager eingepfercht vegetieren, denn ein Leben mit Würde kann man das nicht nennen, während andere Völkerschaften unsere Dörfer und Städte verwüsten und unsere Kulturen barbarisch schänden und vernichten. Dabei werden die Menschen nicht verschont, sie werden aus ihren Häusern getrieben, werden gefoltert und ermordet.

      Sarah. Es ist der Weg des Leidens ohne Ende, dabei hoffen Menschen auf die Wende, denn auch die Entbehrung hat ihre Grenzen mit der Enge, dem Hunger und der Magerkeit. Es sterben die Alten und mit ihnen die Kinder, so bleibt finster auch die Zukunft.

      Yasin. Und die Finsternis, sie bringt den Tod, da geht es nicht mehr nur ums Brot, wenn Menschen vor den Zelten liegen, denen der Atem ausgegangen ist. Darum erwarte ich fürs Erste die Geduld, auch wenn wir frei sind von der schweren Schuld. Wir dürfen die Hoffnung und den Mut nicht verlieren, wenn es mit uns weitergehen soll.

      Sarah. Weitergehen soll es, sonst sind wir hier am Ende, es wäre fatal, doch wir ersehnen die Wende, ich meine, dass die Kinder ihre Mahlzeiten bekommen sollen und zur Schule gehen, um zu lernen.

      Yasin. Ja, die Kinder sollen lernen und besonders das, was wir verlernt und versäumt haben zu lernen, ich meine das Zuhören zur Fähigkeit der Toleranz. Wie anders sähe es aus, wenn wir es gelernt hätten, dass auch andere Traditionen und Kulturen ihre starken und schöpferischen Bildungswerte haben.

      Sarah. Doch wir wurden vertrieben durch die Gewalt jener, deren Kulturen der eigenen eng verwandt sind, ich rede von Menschen, deren Sprache um Dialektbreite sich von der unsrigen unterscheidet.

      Yasin. Ich verstehe den Einwand und fühle die Trauer, die Toleranz klebt blutig an der Mauer, wo Menschen, ob alt ob jung, gefoltert, geschändet und ermordet werden, denen Wert und Würde auf barbarische Weise geraubt werden. Darunter sind auch die Brüder des Glaubens, was sich für uns kaum fassen lässt.

      Sarah. Noch weniger können es alte Menschen fassen, wenn sie mit den Besetzern, den Folterern und Mördern in dieselbe Schule gegangen sind und sich dem selben Glauben täglich hingaben und sich in ihm opferbereit geübt hatten.

      Yasin. Das macht die Sache umso schwerer, schneidet aufs Schmerzlichste in unser Leben, dessen Schicksal sich in diesem Lager pfercht mit dem Hunger, der Verlorenheit und Krankheit. Was ich damit sagen will, es fehlt das Licht, das die Hoffnung auf Freiheit aufleuchtet und uns zurückbringt.

      Sarah. Das ist das Licht zur tiefinnersten Belebung.

      Yasin. Ja, das Licht, das dem Elend seine Grenzen setzt, das Menschen aus ihrer Not befreit und ihnen das zurückgibt, was sie als Menschen auszeichnet, es ist die Würde zum Leben, was mit dem Respekt und der Rückgabe der Freiheit erfolgen kann. Kritische Zeiten hat es gegeben, solange es das Volk gibt, doch die Krise erreicht die Grenze, wenn unsere Kulturgüter als die Wahrzeichen der Herkunft und Geschichte zerschlagen und zerschossen werden. Es geht an die Wurzeln des Volkes, ohne die es kein begründbares Weiterleben der Generationen gibt.

      Sarah. Der Drang nach Befreiung ist da, er wächst von Tag zu Tag.

      Yasin. Doch mit der Magerkeit der Menschen schwindet die Kraft, der Unmenschlichkeit zu widerstehen und die Befreiung zu erzwingen.

      Sarah. Und keiner weiß, wie lange es dauern wird, dass uns das Lager gefangenhält, das Trinkwasser salzig ist und uns der Hunger quält und wir bis aufs Skelett abmagern, dass die letzte Hoffnung schwindet und selbst den Kindern den Atem und ihr junges Leben nimmt.

      Yasin. Dennoch müssen wir uns in der Geduld üben. Sieh in das Schwarz der Wolken, sieh, wie Stadt und Dörfer brennen, stell dir die Qualen der Menschen vor, die es dabei trifft, denk dir, was wäre, wenn es dich und deine Kinder getroffen hätte.

      Sarah. Als würde Babylon brennen, tiefschwarz ziehen die Schwaden übers Land und verzehren das Leben bis zum jüngsten Spross.

      Yasin. Das Prinzip der verbrannten Erde ist so alt wie die Menschen sind, als sie das Feuermachen erfanden. Dass wir es sind, die es nun trifft, das ist der Wahn der Zeit, dem wir nicht entrinnen können. Hört, wie die Granaten übers Lager jagen. Sie schlagen ein, was weit weg nicht mehr ist. Da kann einen der Jammer erschlagen.

      Ein- und Durchsicht in die unendliche ‘Leere’

      Wie hoch, wie tief gehen die Wege ins klare Himmelsblau aus dem Fenster, von der Tür und so manchem Gedankenbau, ob am Abend oder Morgen, dass die Weite dich macht schlau durch Nächte und durch Tage, keine Frage, die Tangente liegt genau.

      Angelegt ist nicht nur eine, viele führen hoch an das gedachte Rund der Welt mit all den großen und den kleinen Dingen hier und bunt mit all den Formen und den Klängen bis ins Tal zu dieser Stund, dass die Stimme der Botschaft von Heil und Frieden tut sich kund.

      Durch diese Unendlichkeit blitzt das Licht in Strahlen und gebündelt zur Ein- und Durch- und Tiefensicht fürs Auge, das den Weg nun findet mit dem tiefen Atemzug und vom rasenden Herzschlag eingemündet ins Sein des Daseins, das sich mit Raum und Zeit fürs Leben zündet.

      Fast verloren hebt sich der Verstand auf die Plattform des Gedankens, ihm schwirren Lichter und Töne in dissonanten Mächten des Schwankens von einem Pfeiler der Brücke der Begrüßung über den Pfeiler des Rankens vom Heimatboden über fremde Straßen und Plätze zu höchstem Klang.

      Der Geist will mehr als den Körper im steifen Schweißgeruch der Arbeit, er will und macht den Dreiklang aus den Liebestiefen zu den Höhen des Glücks. Wer da gescheit sein will, ist meist blind

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