Was und wo ist Heimat. Helmut Lauschke

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Was und wo ist Heimat - Helmut Lauschke

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Hände lassen sich nicht kleiner und nicht größer machen, wenn vom Wachstum kindlicher Hände abgesehen wird. Du siehst, mein Freund, wie die Form mit dem Format die Gleichheit durcheinanderbringt, wenn es um die Hände geht.

      Tarek. Und wie ist es mit den Köpfen, die sich in Form und Größe unterscheiden?

      Yasin. Der Kopf ist ein besonderer Behälter, der das Gehirn als Inhalt trägt, während die Hand die Muskeln und Sehnen zu den Fingern führt. Was ich damit sagen will, ist, dass im Kopf die Gedanken und der Wille geformt werden, während Muskeln und Sehnen der Hand die Finger in Bewegung setzen, wie es das Hirn schaltet und befiehlt.

      Tarek. Dann sind es die Bewegungsläufe, durch die und in denen sich die eine Hand von der andern unterscheidet.

      Yasin. Und was für die Hände gilt, gilt nicht weniger für die Füße. Im Gang unterscheiden sich die Menschen, das im Tempo wie in der Art des Gehens im Zusammenspiel der Muskeln.

      Tarek. Auf großem Fuße leben, bleibt hier eine Illusion, was die Tage betrachtet den größeren Eindruck hinterlässt.

      Yasin. Es zählt nicht mehr das zu tragende Gewicht, es sei denn das Kind und die alte Mutter, die den Weg auf eigenen Füßen nicht schaffen. Da wird die Ungleichheit zur Menschlichkeit, wird Ausdruck der tätigen Liebe am Nächsten. Auf diese Tätigkeit kommt es an, die im tiefsten Sinne auf dem Glauben gründet, dass das Leben, ohne dem anderen zu helfen, wertlos und ein vertanes Leben ist.

      Tarek. So sprach auch Sirna, die das Wunder erlebte, dass auf dem langen und steinigen Weg ein freundlicher Mann den kleinen erschöpften Hasan auf seine Schultern nahm und ihn bis zum Lager trug, wo er ihm noch die Flasche Wasser gab.

      Yasin. Das ist, was ich sage, edel sei der Mensch, hilfreich und gut, wenn das Leben einen Sinn und Wert bekommen soll. Denn ohne die Güte sitzt der Teufel uns im Nacken, den loszuwerden viele meist junge Leben fordert und das Leben der Unschuldigen kostet und verschlingt. Darum halt ich es den Lehrern vor, nicht nur das Wissen, sondern auch die Güte der Herzensbildung zu vermitteln, denn das Wissen von den Dingen reicht nicht, um einen guten Menschen heranzubilden, der seinem Nächsten eine Hilfe ist, wenn er sie braucht.

      Tarek. Es leuchtet ein und gibt ein helles Licht, was du über die Bildung sagst. Doch wo sind die Schulen und die Lehrer, die solch eine Bildung vermitteln?

      Yasin. Hier im Lager findest du die Menschen, die durch eine solche Schule gegangen sind. Sie sind zwar oft armselig gekleidet, doch wenn sie sprechen und handeln, dann strömt ein Reichtum aus ihren Herzen, was Menschen aus deren Not heraushilft und ihnen das Leben leichter macht und rettet und den Tag mit der schweren Bürde erträglicher macht.

      Tarek. Diesen Menschen zu danken, das soll uns im Verständnis der Dinge dann auch selbstverständlich sein, denn die Werte ihrer Menschlichkeit sind doch unbezahlbar. Es ist ihre Selbstlosigkeit, die einem Wunder gleicht, dem sich Menschen unserer Zeit soweit entfernt haben.

      Yasin. Ja, Menschen sind’s, die Not und Freude bringen, meist sind es Menschen in der Altersmitte, die beides tun, weil sie beides können.

      Tarek. Ob sie beides wollen, das weiß ich nicht. Doch wie wir ihre Talente und Ziele erfahren, und das in dieser Zeit, neigen sie mehr, und viele ausschließlich dazu, andere Menschen, die schuldlos sind, in Not zu stürzen.

      Yasin. Da geb ich dir recht, denn wie anders kann ich die Lage sehen, die uns Vertriebene hier im Lager trifft. Wir haben die Heimat verloren und wissen nicht, ob wir sie jemals wiedersehen werden.

      Tarek. Und wenn wir sie wiedersehen, was, so glaube ich, die Ausnahme sein wird, dann werden wir sie nicht wiedererkennen.

      Yasin. Die zerstörte Heimat ist wie der gefallene Krug, man kann die Trümmerstücke nicht zusammenbringen, um das gelebte Ganze wiederzubekommen. Es wäre naiv gedacht, denn die Dinge der Welt haben sich weiterentwickelt, um sie in den ursprünglichen Stand wieder herzustellen.

      Tarek. Das gibt den Grund zur Trauer, dass die großen Werte, die von den Vätern in härtester Arbeit geschaffen wurden, wenn sie zerschlagen werden und zerbrochen sind, für uns und die folgenden Generationen verloren sind.

      Yasin. Das ist, dass es Löcher in den Kulturen gibt, die nicht zu erklären sind. Es gibt Vermutungen, dass Barbaren die hohen Werte geschändet und zerstört haben. Denken wir an die altägyptischen und altgriechischen Skulpturen, denen die Nasen, Ohren, Köpfe und Arme abgeschlagen wurden. Diese Verluste sind nicht mehr zu ersetzen, dass die allgemeine kulturelle Verarmung nicht zu aufzuhalten ist.

      Tarek. Was dem Zerschlagen völkischer Wurzeln gleichkommt, dass Folgegenerationen die Orientierung über Herkunft und Zukunft auf bedauerlichste Weise verloren haben.

      Yasin. Und weiter verlieren. Denn woher sollen sie die Kenntnis nehmen, wenn die Bau- und anderen Denkmäler zerschlagen sind? Es ist der Teufel der Zeit, der dem Frieden abhold und jeder Friedfertigkeit von Anfang an feindlich gegenübersteht. Es ist der Zweifel mit dem Kampf zwischen Liebe und Hass, der die Völker in den Abgrund zieht und vernichtet.

      Tarek. Das heißt, dass alles einen Anfang und eine Geschichte haben muss.

      Yasin. Nur muss sie erzählt werden beziehungsweise fürs Auge erkennbar und für das Ohr hörbar sein. Wenn über die Geschichte nichts gesagt und fürs Auge nichts erkennbar ist, dann kann auch die Geschichte nicht verstanden und nicht weitergegeben werden. Und wenn das so ist, dann ist nicht vorstellbar, wo und wie weit zurück unser Anfang geht.

      Tarek. Das ist, was mit unseren Städten und Dörfern passiert, die samt ihren Bewohnern dem Hass zum Opfer fallen. Wir, die wir unsere Heimat verlieren und bereits verloren haben, werden auch unsere Geschichte verlieren, weil der durchgehende Faden über Herkunft und Kultur zerrissen und verbrannt ist.

      Yasin. Das macht die Sache überaus traurig, weil unsere Geschichte die von Vertriebenen beziehungsweise Verstoßenen beziehungsweise Ausgestoßenen ist, denen die Kraft der Überzeugung durch das Leben mit dem Hunger geschwächt ist und infrage gestellt wird, wenn die Worte mit der Wucht der Wahrheit doch überzeugen sollen.

      Tarek. Es ist die Verworfenheit der Geschichte mit dem Verworfensein in die Geschichtslosigkeit, das ist der Untergang der Zivilisation.

      Yasin. In der das Unwiederbringliche zerschlagen wird und verloren geht, während wir am Lagertor stehen und den Verlust in unserer Hilflosigkeit betrauern. Es ist das Ende einer Gesellschaft, die den Frieden wagte und nun Opfer ihrer selbst samt ihrer Kinder wird.

      Vom Gefühl der Stille der kosmischen Weltenordnung

      Es naht mit dem Gedanken die ersehnte Sicht hinaus in die unendliche Klarheit mit der Stille kosmischen Respekts vor der Welt des Schöpfergeistes herab bis zum alten Haus schaffender Hände des frischen Brotes zur Frühe des Morgens.

      Im Gang der Sitte rötet sich Gutes über der Scholle in den Tag, abgelegt werden die Fäden nächtlich verwundener Träume, dass im Herzen sich regt, wie der Geist die Hoffnung trug hoch über die Giebel der Sorgen und Ängste ins neue Licht.

      Möge er tragen., der gute Geist die Freiheit

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