Der letzte Mohikaner. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Der letzte Mohikaner - James Fenimore Cooper страница 5
»Ein Mingo ist und bleibt ein Mingo«, sprach er. »Wenn wir alleine wären, so könnte ich Euch den Weg nach ›Edward‹ in einer Stunde zeigen. Aber mit den Frauen in Eurem Gefolge ist das unmöglich.«
»Warum? Sie sind zwar ermüdet, aber für einen Ritt von ein paar Meilen noch kräftig genug!«
»Es ist vollkommen ausgeschlossen«, wiederholte der Kundschafter bestimmt. »In Begleitung Eures indianischen Läufers möchte ich nach Einbruch der Nacht keine Meile in diesen Wäldern gehen. Sie sind voll von lauernden Irokesen und Euer falscher Mohawk weiß genau, wo er sie zu finden hat.«
»Seht Ihr die Sache so an?« sprach Heyward jetzt leiser. »Ich selbst habe auch schon Verdacht geschöpft und wollte ihm nicht länger folgen. Deshalb ließ ich ihn hinter mir hergehen.«
»Ich wußte, daß er ein Schurke ist, als ich ihn sah!« versetzte der Kundschafter. »Der Dieb lehnt am Fuße des jungen Baumes. Ich kann ihn von hier aus aufs Korn nehmen und dafür sorgen, daß ihm wenigstens für einen Monat das Herumstreichen in den Wäldern vergeht.«
»Das dürft Ihr nicht, er kann auch unschuldig sein.«
»Auf die Schurkerei eines Irokesen darf man mit Sicherheit rechnen«, sprach der Kundschafter und griff nach seiner Büchse.
»Halt!« unterbrach ihn Heyward. »Wir müssen an etwas anderes denken – auch wenn ich Grund habe zu glauben, daß er mich getäuscht hat.«
Der Jäger, der seine Absicht, den Läufer lahm zu schießen, aufgegeben hatte, sann einen Augenblick nach. Dann machte er ein Zeichen, das seine zwei roten Begleiter an seine Seite rief. Sie sprachen leise, aber lebhaft in delawarischer Sprache miteinander. Die beiden Indianer hatten seine Wünsche bald verstanden, legten ihre Gewehre weg und wandten sich in entgegengesetzter Richtung in das Dickicht.
»Jetzt geht zurück«, sprach der Jäger wieder zu Heyward. »Haltet den roten Teufel mit Reden hin. Die Mohikaner wollen ihn lebendig fangen, ohne seine Schminke zu verderben.«
»Nein«, sprach Heyward stolz, »ich will ihn selbst fassen.«
»Pah! Was vermögt Ihr zu Pferde gegen einen Indianer?«
Heyward befolgte den Rat, obgleich ihm die Rolle, die er zu spielen hatte, nicht behagte. Von Sorgen bedrückt, verließ er den Kundschafter und ritt nach der Stelle, wo der Läufer immer noch an den Baum gelehnt stand.
»Du siehst, Magua«, sprach er vertraulich, »daß die Nacht einbricht und wir immer noch in der Nähe von ›William Henry‹ sind. Du hast den Weg verfehlt. Doch zum Glück haben wir einen Jäger getroffen, der ist mit den Fährten des Wildes vertraut und verspricht uns nach einem Platze zu fuhren, wo wir uns bis morgen ausruhen können.«
Der Indianer heftete seine funkelnden Augen auf Heyward und fragte in seinem gebrochenen Englisch: »Ist er allein?«
»Allein?« wiederholte verlegen Heyward. »Du weißt ja, daß wir bei ihm sind.«
»Dann kann le Renard Subtil gehen«, erwiderte der Läufer. »Und die Bleichgesichter werden nur Leute ihrer eigenen Farbe sehen.«
»Wen nennst du le Renard Subtil?«
»Diesen Namen haben mir meine kanadischen Väter gegeben«, antwortete stolz der Läufer.
»Es ist gut, Magua«, sprach Heyward. »Sind wir nicht Freunde? Warum sollen böse Worte zwischen uns gewechselt werden? Komm, ruhe deine müden Glieder jetzt aus und öffne deine Reisetasche, um dich zu stärken. Wir haben nur wenig Zeit, und wenn die Frauen ebenfalls gegessen haben, wollen wir weitergehen.«
»Die Bleichgesichter machen sich zu Hunden ihrer Frauen«, murmelte der Indianer in seiner Muttersprache. »Und wenn sie essen wollen, müssen ihre Krieger den Tomahawk beiseite legen.«
»Le Subtil sagt, es ist gut.«
»Was sagst du, Renard?«
Der Indianer blickte Heyward scharf ins Gesicht. Als er aber seinem Blick begegnete, wandte er sich schnell ab, nahm den Rest eines früheren Mahles aus der Tasche und begann zu essen.
»So ist es recht«, fuhr Heyward fort, »Renard wird morgen wieder die Kraft haben, um den rechten Weg zu finden.« Er hielt in seiner Rede inne, denn er hörte das Knistern dürrer Reiser und das Rauschen von Blättern. Auch Magua ließ seine Hand vom Munde herabsinken und bog lauschend den Kopf seitwärts. Heyward, der seinen Bewegungen wachsam folgte, ließ nachlässig die Hand zu seinem Pistolenhalfter hinabgleiten. Jetzt stand le Subtil vorsichtig auf. Heyward fühlte, daß der Augenblick gekommen war, um zu handeln. Er stieg aus dem Sattel und sprach immer noch in vertraulichem Tone: »Le Renard Subtil ißt nicht. Ich will sehen, ob ich unter meinem Vorrat etwas finde, was ihm besser schmeckt.«
Magua hielt die Reisetasche hin. Doch kaum fühlte er, daß Heywards Finger sich vorsichtig über seinen nackten Arm bewegten, da schlug er die Hand des jungen Mannes zurück und sprang mit einem großen Satz in das gegenüberliegende Dickicht. Im nächsten Augenblick erschien die Gestalt Chingachgooks und eilte dem Entflohenen nach. Kurz darauf folgte Unkas und dann wurde der Wald durch einen Feuerschein erhellt, dem ein scharfer Knall aus der Büchse des Jägers folgte.
5. Kapitel
Die plötzliche Flucht des Irokesen und das wilde Geschrei der Verfolger setzten Heyward in Erstaunen. Auch er stürzte in das nahe Gebüsch, um sich an der Jagd zu beteiligen. Kaum hatte er aber einige Schritte zurückgelegt, als er bereits die drei Waldbewohner von ihrer fruchtlosen Verfolgung zurückkehren sah.
»Warum so schnell den Mut verlieren?« rief er, »der Schurke muß sich hinter einem der Bäume verborgen haben.«
»Wollt Ihr den Wind mit einer Wolke jagen?« fragte ärgerlich der Kundschafter. »Da, seht einmal diesen Strauch an, seine Blätter sind rot, und doch weiß jeder Mann, daß er nur im Monat Juli blüht.«
»Das ist Blut von le Subtil! Er ist verwundet!«
»Ich habe ihn leider nur leicht verwundet und dafür hüpft der Bursche um so länger«, entgegnete der Kundschafter.
»Wir sind aber vier kräftige Männer gegen einen Verwundeten!«
»Wollt ihr euer Leben verlieren?« unterbrach der Kundschafter. »Der rote Teufel brächte uns in den Bereich der Tomahawks seiner Gesellen, ehe wir uns von der Jagd erhitzt hätten. Kommt, Freunde, verlassen wir diesen Platz, sonst trocknen morgen um diese Stunde unsere Skalpe im Winde!«
Diese kaltblütige Erklärung des Kundschafters erinnerte Heyward an die Wichtigkeit des Amtes, das er freiwillig übernommen hatte. Seine Einbildungskraft verwandelte jedes Gebüsch, jeden Stamm in menschliche Gestalten und oftmals glaubte er die furchtbaren Gesichter lauernder Feinde zu erkennen.
»Was ist nun zu tun?« fragte er ziemlich hilflos. »Verlaßt mich nicht und helft die mir anvertrauten Damen verteidigen. Ich werde es euch lohnen!«
Der