Sky-Navy 05 - Das schweigende Schiff. Michael Schenk
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Die Norsun waren humanoid und ähnelten auf große Entfernung in Körperbau und Größe einer menschlichen Gestalt. Zwischen Oberkörper und Unterleib befand sich allerdings eine deutliche Verengung und die Gliedmaßen waren länger, als die eines Menschen. Der Kopf war elliptisch, wurde von zwei großen Facettenaugen beherrscht, in deren Mitte sich jedoch zwei senkrechte Schlitzpupillen befanden. An Stelle der Nase gab es einen kurzen Rüssel, welcher der Nahrungsaufnahme diente. Der darunter befindliche Mund war ein schmaler senkrechter Schlitz und diente der Atmung und akustischen Kommunikation. Auf dem Kopf ragten zwei kurze Fühler auf, die in der Lage waren, feinste Duftmoleküle wahrzunehmen. Die schlanken Hände waren mit zwei Daumen und vier Fingern versehen. Besonders auffällig war ein Unterarmlanger Stachel am hinteren Ende des Unterleibs. Seine Funktion als Waffe war im Verlauf der Generationen verkümmert, doch noch immer diente er dazu, körpereigene Duftstoffe zu produzieren und abzusondern und fremde Gerüche zu analysieren. Der gesamte Leib war von einer smaragdgrünen Haut bedeckt, die einen samtenen Schimmer zeigte und an einigen Stellen noch Anzeichen des einstigen Chitinpanzers zeigte.
Sieben der Norsun, den Seher eingeschlossen, versammelten sich in der Zentrale und nahmen dort ihre Plätze ein.
Buron setzte sich auf den Sitz des Kommandanten. In gewisser Weise ähnelte er dem eines Menschen, auch wenn sich hinten eine breite Aussparung befand. Wie alle Norsun an Bord trug auch Buron den Bordoverall, der durch einen Helm komplettiert werden konnte. Der Stachel am Hinterleib wurde von einem Futteral umgeben, dessen Spitze offen war und das bei Versiegelung des Anzugs von einer Kappe verschlossen werden konnte.
Der Kommandant schob den Stachel an seinem Hinterleib mit dem offenen Ende durch die hintere Öffnung des Sitzes, krümmte ihn und führte ihn in einen trichterförmigen Sensor unter dem Sitz ein. Die Bionik des Schiffes registrierte den Kontakt und bildete eine Reihe von Duftstoffen, die von Buron´s Stachel aufgenommen und analysiert wurden. Die Kombination der Pheromone informierte den Kommandanten über eine Fülle von Details, ergänzt durch optische und akustische Anzeigen seiner Arbeitsstation.
„Seher, konnten die Kontakte inzwischen identifiziert werden?“
„Nein, Hoch-Wort. Die Wellensignatur ihrer Antriebe weist allerdings auf Negaruyen hin.“
„Ausführende Hand der Stecher, was ist deine Meinung?“
Einst hatten die Norsun ihren Stachel als Waffe genutzt und in ihrem Sprachgebrauch war dies noch immer verankert. Tisson, der Waffenoffizier der Herndaskar, ließ eine Reihe von farbigen Mustern über die Bildschirme flimmern. Die halb geknickten Kopffühler zeigten seine Skepsis. „Trotz der neuen Waffen können wir es nicht gleichzeitig mit drei Walzenschiffen aufnehmen, Hoch-Wort. Beim Stechen würden wir überwältigt werden. Ich schlage vor, dem auszuweichen.“
„Ich halte dies ebenfalls für überlegt und angemessen“, stimmte Buron zu.
Der technische Offizier meldete seine Bedenken an. „Als ausführende Hand der Maschine unseres Schiffes wende ich mich an das Hoch-Wort. Ein Rückzug wird vom Stammvolk als Ehrlos betrachtet.“
„Ich stimme der ausführenden Hand der Maschine zu“, räumte der Waffenoffizier ein. „Allerdings ist die Herndaskar ein Prototyp. In den bisherigen Versuchen hat sie sich bewährt und ihre neuen Systeme werden einen erheblichen Gewinn für das Stammvolk und seine Nester sein. Wenn wir jedoch durch eine Übermacht gestochen werden, wird das Stammvolk nicht vom Erfolg unseres Schiffes erfahren. Ich halte daher einen Rückzug nicht für Ehrlos, sondern für angemessen.“
Buron sah die Angehörigen der Zentralbesatzung nacheinander an. Als Hoch-Wort hatte er zu entscheiden. Keiner konnte im das abnehmen und es lag an ihm, ob man den Flug den neuen Schiffes als Erfolg oder Schande bewerten würde. Die Schiffe des verhassten Feindes verlockten zum Kampf, doch die Argumente des Stechers wogen schwer.
„Unsere neuen Systeme können entscheidend für den Krieg sein. Das Stammvolk darf die Erkenntnisse unseres Schiffes nicht verlieren“, sagte Buron mit fester Stimme.
Die Norsun führten schon sehr lange Kriege. Sie waren als Insektenabkömmlinge äußerst fruchtbar. Ihre rasche Vermehrung hatte zu Rivalitäten bezüglich der Ressourcen ihrer Welt geführt. Fast tausend Jahre kämpften die Stämme gegeneinander und entwickelten sich dabei weiter. Sie erlernten den Gebrauch von Werkzeuge und Waffen und erreichten ein technisches Niveau, bei dem sich die Wahrscheinlichkeit der gegenseitigen Auslöschung abzeichnete.
Es kam einem Wunder gleich, dass in dieser Zeit die Raumfahrt entdeckt wurde. Ein noch größeres Wunder war sicherlich, dass die Forscher ihre Erkenntnisse allen Stämmen zugänglich machten, statt sie für den Vorteil des eigenen zu nutzen. Vielleicht bewiesen sie einfach Weitsicht, denn die verfeindeten Norsun erkannten die immense Bedeutung der neuen Wissenschaft und ihre Auswirkungen. Schon die ersten gefahrvollen und verlustreichen interplanetaren Expeditionen bewiesen, dass sich das Wagnis Weltraum lohnte.
Es gab keinen Grund mehr, um noch gegeneinander Kriege zu führen. Die Norsun überwanden ihre Feindseligkeiten und jeder ihrer Stämme machte sich daran, den Weltraum zu erkunden und nach Ressourcen und Lebensraum zu suchen. Dann stieß einer der Stämme, die auch als Nester bezeichnet wurden, auf ein fremdes Volk. Wer auch immer die Auseinandersetzung begann, die Norsun beendeten sie auf die ihnen eigene Art: Sie vereinten ihre Stämme, bündelten ihre Kräfte und rotteten den Feind gnadenlos aus.
Die Erkenntnis fremden Lebens zwischen den Sternen schweißte die Norsun zum Stammvolk zusammen. Ihre grünen Hantelschiffe schwärmten aus. Sie waren entschlossen kein anderes Volk neben sich zu dulden, es sei denn, es ordnete sich ihnen bedingungslos unter. Zwei Rassen wurden versklavt, eine dritte ausgelöscht und dann trafen die Norsun auf die Negaruyen.
Nach vielen Jahren begegneten sie nun einem Volk, welches ihnen technisch überlegen war. Trotz ihrer enormen Überzahl wurden die Norsun zurückgedrängt. Doch das Stammvolk und seine Nester herrschten über viele Welten. Wo ein Nest verloren ging, vermehrten sich andere. Allmählich machte sich die große Anzahl der Norsun bemerkbar und die Negaruyen wurden allmählich zurückgedrängt. Der Krieg war jedoch noch nicht entschieden und neue Schiffe, wie die Herndaskar, sollten dem Stammvolk endlich den Sieg bringen.
Buron war bewusst welche Bedeutung seiner Mission zukam. Die Herndaskar hatte alle Tests mit Bravour bestanden. Jetzt kam es darauf an, sie wieder zu den Welten des Stammvolkes zu bringen, damit man nach ihrem Muster eine unbezwingbare Flotte bauen konnte. „Ich spreche das Wort“, entschied er sich. „Eine Gefährdung der Herndaskar widerspräche dem Wunsch des Stammvolkes. Es ist unsere Pflicht das Schiff zu schützen. Daher werden wir den Kampf vermeiden. Ausführender Seher, welche Möglichkeit haben wir, uns vor dem Feind zu verbergen?“
Der Angesprochene ließ die Finger über die Kontrollen seiner Arbeitsstation gleiten. „Das Trümmerfeld, Hoch-Wort. Es sind die Überreste des ursprünglichen vierten Planeten dieses Systems. Sie bilden ein dichtes und großes Feld, welches sich auf der einstigen Umlaufbahn weiterbewegt und um das Zentralgestirn kreist.“
„Jagdsicht!“, befahl der Kommandant.
Der Seher ließ den entsprechenden Kartenausschnitt vergrößern. Buron betrachtete die Symbolwerte, die ihn über die Ausdehnung und Beschaffenheit des Asteroidenfeldes informierten. Er berücksichtigte dessen Entfernung und die Bewegung des Feindes. „Ausführende Hand des Schiffes, setze den Kurs auf das Feld. Ein einziger starker Triebwerksschub, danach das Triebwerk