Die erfundene Armut. Alex Bergstedt

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Die erfundene Armut - Alex Bergstedt

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erfüllt bekamen, indem er jedem einen niedlichen Hundewelpen schenkte, gerieten die Finanzen der Familie allmählich außer Kontrolle, denn plötzlich mussten Hundenahrung gekauft und Tierarztkosten und Hundesteuer bezahlt werden. So musste die Familie auf andere Dinge verzichten, zum Beispiel hatten die beiden Jungs seit drei Jahren keine Feuerwerkskörper mehr zu Sylvester mehr kaufen können, obwohl sie das sehr gerne gemacht hätten.

      Um sie zu trösten, las ihre Mutter ihnen vor, was sie in den Nachrichten gelesen hatte: Es gab eine Stadt, auf der das Abbrennen von Feuerwerkskörpern grundsätzlich verboten war.

      Franz sagte daraufhin: „Ach, wenn wir doch dort wohnten!“

      Die Mutter wunderte sich und bemerkte: „Nanu, ich denke du feierst so gerne Sylvester mit Knallern?“

      „Ja, schon“, antwortete Franz. „Aber wenn alle gleich wären und keiner Knaller hätte, würde es auch mir nichts ausmachen, keine zu haben. Dann würde man eben etwas anderes machen und die Knaller daher gar nicht vermissen.“

      Nico hingegen widersprach: „Was redest du denn da für einen Unsinn? Hier kann man doch wenigstens am Fenster stehen und die vielen Feuerwerkskörper der anderen Leute beobachten. Wenn du in der anderen Stadt wohntest, hättest du gar keine Lichter zu Sylvester.“

      Eine Parabel über den Neid

      Am berühmten Strand Copacabana in Rio de Janeiro sollte das Bestehen des größten brasilianischen Fernseh- und Medienkonzerns mit einem öffentlichen Fest gefeiert werden. Die mit der Durchführung beauftragte Firma hatte eine berühmte Band eingeladen, Zelte aufgestellt, ein Feuerwerk geplant und vieles mehr. Erst kurz bevor das Fest begann, stellte man fest, dass ein unverzeihlicher Fehler begangen worden war.

      Der Medienkonzern hatte mit dem Ausschenken der Getränke eigentlich Jugendliche beauftragen wollen, die bereits mit dem Sender gearbeitet hatten, aber der Plan war fallengelassen worden. Jedoch hatte niemand den Catering-Service, der das Fest organisierte, darüber informiert, und so hatte dieser keine Bedienung verpflichtet. Als die Sache erst kurz vor dem Fest ans Tageslicht kam, versuchten die Verantwortlichen, noch spontan Kellner zu verpflichten, indem sie per Lautsprecherdurchsage Menschen, die sich an der Copacabana aufhielten, dazu ermunterte, sich gegen ein gutes Honorar (100 Dollar) zur Verfügung zu stellen.

      Die meisten Gäste hatten daran natürlich kein Interesse, aber es waren auch Neugierige aus den Favelas (Wohngebiete der Armen mit einfachen Häusern und Hütten) gekommen, und von denen nutzten etliche das unverhoffte Angebot und waren sehr froh darüber, ein Zubrot verdienen zu können.

      Dennoch waren es viel zu wenige Arbeitskräfte, man hatte eigentlich 300 Helfer zum Servieren der Getränke haben wollen, und rund 40 hatten sich gemeldet. Einige boten sich daher an, noch Verwandte oder Freunde aus den Favelas herbeizurufen, und als dieser Vorschlag freudig aufgenommen wurde, riefen sie mit ihren Handys weitere Helfer herbei, und eine gute Stunde später war die Zahl der Helfer bereits auf 100 gestiegen. Da das immer noch zu wenig war, schickte die Firma einen Wagen in eine Favela und warb mit Lautsprecherdurchsagen weitere Mitarbeiter an. So trafen nach einer weiteren guten Stunde nochmals 80 Arbeitswillige ein. Der Wagen fuhr später sogar noch in eine andere Favela und warb weitere 70 Personen an, die um Mitternacht an der Copacabana eintrafen und noch bis 2 Uhr nachts arbeiteten.

      Als das Fest um 2 Uhr zu Ende war, rief der Einsatzleiter der Firma zuerst die 70 Personen zu sich, die zuletzt gekommen waren, und gab jedem 100 Dollar. Dann rief er die 80, dann die 60 und zuletzt die 40, die seit dem Nachmittag fast 10 Stunden gearbeitet hatten.

      Diese meinten natürlich, sie würden sicherlich entsprechend mehr bekommen, und als sie ebenfalls „nur“ 100 Dollar erhielten, murrten sie.

      Der Leiter der Fernsehgesellschaft erklärte daraufhin den erbosten Arbeitern: „Wir hatten doch 100 Dollar vereinbart, oder? Wenn ich aus freien Stücken denen, die weniger verdient hätten, auch 100 Dollar gebe, damit auch deren Familien mal was Gutes zu essen kaufen können, ist das doch meine Sache? Was regt ihr euch darüber auf?“

      Dieses ist eine Parabel, die Jesus erzählt hat. Es dürfte in seinem Sinn sein, dass ich ihr ein modernes Gewand verpasst habe, so wie er immer aktuelle Dinge in seine Parabeln verpackt hat. Genauso wie die Silvestergeschichte von Nico und Franz zeigt sie, wie Neid die Freude zerstört, wenn der Mensch nicht in der Lage ist, den Neid in sich abzustellen.

      Der großzügige Bürgermeister

      Es war einmal eine kleine Insel mit zehn Familien, die hatte ihren eigenen Bürgermeister, der Multimillionär war. Er hatte im Internet eine gutgehende Plattform aufgebaut, die von Facebook für viele Millionen aufgekauft worden war. Nun lebte er in Ruhe auf der Insel, hatte keinerlei Verpflichtungen, aber engagierte sich für Umweltschutz und andere gemeinnützige Dinge, weswegen er schließlich von den Mitbürgern zum Bürgermeister auserkoren worden war.

      Als die Corona-Krise ausbrach, wurde die Insel wie viele andere auch isoliert. Der Bürgermeister fühlte sich verantwortlich für seine Leute, die plötzlich teilweise ohne Einkommen dastanden, und beschloss, mit seinem vielen Geld den Familien unter die Arme zu greifen.

      Er besuchte seinen besten Freund, einen Musiker, und gewährte ihm monatlich 6000 Euro, damit er seine Familie erhalten konnte, aber auch weiterhin seine Musik an die Hörer bringen konnte, wozu er sich aufs Streamen verlegen und erst einmal die dazugehörigen Geräte anschaffen musste.

      Dann besuchte er die Lehrerin der winzigen Inselschule und sagte ihr monatlich 3000 € zu. Dann besuchte er den Küster der kleinen Inselkirche, der auch gleichzeitig das Kirchenbüro besetzte und derart Mann für alles war, dass er bei stürmischen Sonntagen, wenn der Pastor vom Festland nicht herüberkommen konnte, sogar die Predigten hielt. Der Küster war überrascht und begeistert über das Engagement, bot Kaffee an und sie klönten bis in die Nacht hinein.

      Am nächsten Tag besuchte der Bürgermeister auch die sechs Bauernhöfe. Da Bauern wenigstens zu essen haben und daher die Not nicht so groß ist, gewährte er ihnen, je nach Bauchgefühl, zwischen 400 und 2000 € pro Familie. Alle waren freudig überrascht über diese beispiellose private Initiative.

      Nur die Lehrerin war total verärgert. Sie hatte gehört, dass der Musiker 6000 € bekam, sie aber gerade einmal die Hälfte, obwohl sie auch zwei Kinder hatte und als Lehrerin ebenfalls Geräte brauchte, um ihren Unterricht fortan online anbieten zu können. Sie ging daher zu den anderen Familien und hetzte gegen den reichen Mann. Der habe sie gegenüber dem Musiker benachteiligt, weil er persönliche Freundschaften über Gerechtigkeit stelle, also himmelschreiende Vetternwirtschaft betreibe. Auch gehe es nicht an, dass sie als Frau weniger bekäme als ein Mann.

      Sie schrieb Briefe an Behörden und an die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises, aber als selbst die antwortete, dass sie nichts machen könne, wenn es sich um die freiwillige Verteilung von Geschenken handele, war die Lehrerin so über die Reaktionen ihrer Mitmenschen und die ungerechte Behandlung ihrer Person verbittert, dass sie sich das Leben nahm.

      Ihre Beerdigung musste der Küster halten, da der Pastor wegen der Isolation der Inseln nicht auf die Insel durfte. Als er bei der Vorbereitung der Predigt so über das Leben der Frau und die Gründe ihres Selbstmordes nachdachte, fiel ihm plötzlich auf: Die Einzigen auf der Insel, die ihr Gehalt in voller Höhe behalten hatten, waren er und die Lehrerin gewesen. Eigentlich hätten sie beide gar keine Hilfe von dem Bürgermeister zu kriegen brauchen. Den Bauern ging es viel schlechter, sie standen tatsächlich auf einmal ohne Geld da, da sie nichts auf dem Festland verkaufen konnten. Warum nur hatte ausgerechnet die Lehrerin sich ungerecht behandelt gefühlt?

      Natürlich

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