...ach, dieses ewige Sehnen. Maxi Hill

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...ach, dieses ewige Sehnen - Maxi Hill

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in seiner Welt nicht Bescheid zu wissen, gab sie sich nicht. Paul hatte plötzlich einen asthmatischen Atem bekommen, als er raunte: »Hast du schon mal gesehen, wenn ein Hengst die Stute besteigt?«

      Oh ja, das hatte sie wohl, und sie war sehr jung und sehr erschrocken vor dem rötlichen Schwengel, der seinen Weg kraftvoll suchte. Paul wartete nicht auf ihre Antwort, zerrte aber merkwürdig an ihrem Mantel.

      »Hier ist es nicht so kalt.« Paul flüsterte verdächtig. Sie dachte, seine Eltern dürften nichts von seiner Bekanntschaft erfahren. Noch nicht. Sein Satz vom Gefängnis konnte darauf schließen lassen. Dabei war er doch mehr als erwachsen und konnte für sich selbst bestimmen.

      Es war in der Tat warm in dem Raum, der offenbar sehr groß war, größer als vermutet. Sie tasteten sich vorwärts bis zu einer Wand, an der eine Bank stand oder etwas andres, was mit Stroh ausgelegt war. Also konnte man hier gut sitzen und reden. Und vielleicht nahm er sie auch jetzt wieder in seine starken Arme. Sie stellte sich jedenfalls vor, wie es sein könnte, nicht nur auf der Tanzfläche zu spüren, noch begehrenswert zu sein.

      »Die Wärme kommt von den Tieren«, sagte er wie nebenbei, aber nicht mehr flüsternd. »Deinen Mantel brauchst du gar nicht.«

      Das stimmte. Es war warm, aber ob die Wärme anhielt, wenn sie sich nicht mehr wild im Tanz drehten, nur noch still dasaßen und redeten, oder ob die Wärme, die sie spürte, nur von innen kam, solange sie so aufgewühlt war von dem verblüffenden Umstand, blieb abzuwarten. Wer würde nicht aufgeregt sein, wenn man ausgerechnet dem Mann gefiel, von dem man geglaubte, dass er einen beim ersten Blick bereits abgekanzelt hatte.

      Paul drückte sie auf das Stroh. Sein Griff war fest, aber nicht hart oder unvorsichtig. Dennoch war das Gefühl, nach so langer Zeit wieder von einem Mann dirigiert zu werden, äußerst befremdlich. Sie musste ihm von Hannes erzählen, unbedingt, und davon, wie sie jetzt lebte. Aber wie konnte sie es anstellen, um ihn nicht zu verstimmen.

      »Haben wir nicht ein Glück, dass wir noch leben?«, flüsterte sie und fischte im Dunklen nach seiner Hand, die nicht mehr nur an ihren Mantelknöpfen großen Gefallen gefunden hatte.

      »Glück nenne ich es nicht«, raunte er, schien aber keine Lust zu haben, über das Warum zu reden.

      »Die meisten Menschen wären schon glücklich, wenn sie nur das Leben zurückbekommen würden, was sie mal hatten«, versuchte sie es noch einmal und hoffte, er würde sie jetzt fragen. Er fragte nicht nach ihrem Leben, was sie sehr schade fand. Immerhin wollte sie nichts anderes, als klare Verhältnisse, jetzt, wo sie wusste, wo er wohnte und was er war. Als Bauernsohn hatte er bestimmt kein leichtes Leben; aber totsicher auch keine Not.

      Noch immer ließ er nicht von ihren Knöpfen, die zugegeben nicht leicht zu öffnen waren.

      »Wie soll man wissen, was Glück ist, wenn man ihm nie begegnet.« Mit seinen merkwürdig melancholischen Worten floss ein Stöhnen aus dem Mund, das bedauernswert war, das aber auch genau das Gegenteil sein konnte. Sie war eine erwachsene Frau und kannte die Nöte der Männer nur zu gut.

      »Möchtest du nicht mehr reden?«, entfuhr es ihr, obwohl ihr inzwischen statt seiner Hände auf ihrem Leib erst einmal seine Lippen auf ihrem Mund gefallen würden.

      Sein schwerer Atem blieb, aber erst einmal erfuhr sie bei jedem Knopf, den er öffnete etwas mehr von Paul: Er war als Bauer von der Front verschont worden, um für Brot und Kartoffeln zu sorgen, und er führte auch jetzt ein ziemlich gutes Leben, weil er mit den Russen gut konnte, wie er sagte und was immer das heißen mochte. Aber Glück nenne er es dennoch nicht. Es war ein kluger Schachzug, nichts weiter. Seine Hände wurden ungestümer, aber jetzt suchten sogar seine Lippen nach ihren, was Maria erregte. Mit schwerem Atem stieß er heraus: »Von mir aus sollte kämpfen wer wollte. Ich hatte keine Lust, mich im Schützengraben als Rabenfraß wiederzufinden.«

      So aufgewühlt sie auch war, diese Haltung von Paul tat Maria weh. Ein lediger Bauernsohn ließ lieber die Väter von Tausenden Kindern verrecken? Wie viele Kinder standen jetzt ohne Väter da, und wer würde sie ernähren? Zugegeben, Paul hatte bei der Ernährung der Menschen eine maßgebliche Rolle zu spielen und sie durfte ihm nichts übel nehmen. Jeder Mensch hätte so entschieden, wenn ihm das Glück hold gewesen wäre. Ihre Argumente würde er niemals verstehen, weil er ihre Geschichte nicht — noch nicht — kannte. Andererseits erschreckte sie der nächste Moment nicht minder, wenn auch nicht so negativ.

      In seiner Atemnot, die sie beim Tanzen an Paul nicht gespürt hatte, flüsterte er ihr zu, dass er später etwas Butter und was immer sie brauchen würde, aus dem Speicher holen würde.

      »Später«, wiederholte er mit einer Bestimmtheit, die seine Hände bestätigten. Ihr Mantel lag längst im Stroh und das Kleid, das sein Interesse am Knöpfen noch verstärkt hatte, befand sich nicht mehr dort, wo es hingehörte.

      Maria wusste nicht, wohin das alles führen würde, aber in diesem Moment war sie Paul sehr dankbar für das Angebot, das er ihr nicht hätte machen müssen. Auf diese Weise kam ihr Ausflug auch den Kindern zugute, Hannes‘ Kindern.

      Trotz ihrer ungewissen Erwartung schämte sie sich noch immer für ihre erste Einschätzung, die sie zu oberflächlich getroffen hatte. Er war nicht der pomadige Stenz mit der niederträchtigen Geste, den sie in ihm gesehen hatte. Er war ein Mann mit viel Liebe im Herzen und mit Händen wie jeder Mann sie hatte. Diese Hände suchten jede Rundung ihres Körpers. Irgendwann gestand er: »Ich hatte noch nie eine so zarte Frau bei mir. «

      »Oh, wie viele waren es denn?«

      Auch wenn ihm das Sprechen immer schwerer fiel, antwortete er in die Dunkelheit: »Ach, im Grunde nur meine Mutter und meine Schwester, aber … na ja, man ist ein Mann und man sucht etwas fürs Leben. «

      Fürs Leben suchte Maria auch, insofern verstand sie ihn sehr gut. Bei Paul gab es nur den einen Umstand. Sie konnte sich nicht vorstellen, auf einem Bauerngut zu leben und zu arbeiten. Davon hatte sie keinen Schimmer. Und überhaupt. Paul würde ihre drei Kinder niemals akzeptieren. Wenn sie sich nachher trennen, würde es für ihn — egal was noch passierte — ein Abschied sein.

      Paul fand alles aufregend, was er berührte, und das sagte er immer wieder. Er zog sie rittlings auf seinen Schoß und feuerte tausend atemlose Schwüre in ihre Ohren, die Maria teils beflügelten, teils erschreckten.

      »Eine wie du sollte immer zu mir gehören. Hörst du? Immer!«

      Wenn sie je eines wollte, dann war es Beständigkeit. Aber in dieser Nacht ging es ihr dann doch ziemlich schnell mit seinem Blick in die Zukunft. Das Ganze erschien ihr so absurd, so verrückt, um nicht verrucht zu sagen. Aber es war kein Traum. Ihr Verstand arbeitete normal und es war trotzdem geschehen, was sie in einsamen Nächten erträumt, ja erlebt hatte, aber eben nur im Traum.

      »Unsere Schatten sind eins. Das wolltest du doch, nicht wahr?«

      So sehr ihr seine Zuwendung gefiel, wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann wusste sie, dass sie noch vor zwei Wochen fest überzeugt war, jeder andere Mann würde ihre Liebe und Treue zu Hannes zerreißen, würde sie innerlich ihrer Selbstachtung berauben. Niemals hätte sie sich verziehen, was sie an diesem Tag — in dieser Nacht — zuließ, ja geradezu mit ihrer Singerei von den verschmolzenen Schatten herausgefordert hatte und nun bis zum letzten Zuge genoss. Noch vor zwei Wochen war sie bereit gewesen, sich in Lumpen und Asche zu hüllen, nur weil sie einem Mann zu gefallen schien. Nun lag sie hier mit einem wildfremden, wenn auch begehrenswerten Mann, um den sie von anderen Frauen, totsicher auch von Lotte, beneidet wurde. Sie selbst hatte sie nur einen Gedanken: Das Leben. Das Leben ist wieder in mich gedrungen. Es hat sich zwischen mich und Hannes geschoben, aber es wird sich

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