Magic Stoner. Frank Pfeifer

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Magic Stoner - Frank Pfeifer

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Giftkotze schoss aus den Schlünden der Kanalisation. Mir war das alles egal. Sollte die Welt die doch verrecken. Ich sog die smogverpestete Luft, die einzige, die man hier kriegen konnte, tief ein und öffnete dann eine schöne Dose FUCKING-BIER-INTERNATIONAL.

       Zu dieser Zeit war Nana nur ein Gesicht unter vielen. Ohne Bedeutung. Eine Bekannte, an der man vorbeigeht. So stand ich an diesem Drecksfluss und dachte an das nächste Jahr, in vielen antiken Schriften als eine Epoche des Chaos prophezeit.

       Ich rauchte einen FUCKING-JOINT-INTERNATIONAL in hirnloser Gelassenheit. Setzte die Airpods ein. This is the end. Ich liebte diesen alten Scheiß. Dann ging ich zu meinem Bike, setzte mich auf die tiefliegende Sitzbank, schnippte den Filter weg und startete die Maschine. Die Maschine gab Laut. Die Maschine gehorchte zwei Fingern meiner rechten Hand. In den Kolben explodierte das Benzin und zerstörte die Überreste des Millionen Jahre alten Ölplasmas. Sie saugten die Erde aus, produzierten einige tektonische Schwankungen und veränderten das Magnetfeld. Dann kotzten sie ihren Dreck in die Luft. Der blaue Planet verliert sein ewiges Gesicht. Gott Kosmos wartet, um ihn in seine kalte Umarmung zu nehmen. Die Apokalypse war wieder in meinem Kopf. Leck mich. Was sollte man machen? Die da oben machten einfach ihren Scheiß und unsereins kann froh sein, wenn er über die Runden kam. Der Motor blubberte los, geiles Ding, scheiß auf die Luftverschmutzung. Ich fuhr nach Hause.

       In meiner Wohnung empfingen mich Bücher, Klamotten, Zeitschriften, Abfall, eine speckige Matratze. Alles war wild durcheinander geworfen, das reinste Chaos. Das einzige Ding, was den Anschein der Ordnung hervorrief, war der Kühlschrank. Der war meist säuberlich leer oder bis zum Rand mit FUCKING-BIER-INTERNATIONAL gefüllt.

       Nana sah ich damals eher zufällig. Aber sie war mir bereits aufgefallen. Sie war eines der Gesichter, die ich in meiner inneren Kontaktliste mit einem Herzchen gekennzeichnet hatte. Favoritin! Ich freute mich, wenn sie mir über den Weg lief und ihre Augen klimpern ließ. Ich wusste noch nicht viel von ihr. Dass sie in den Kneipen auftauchte, in denen ich untertauchte, dass sie verdammt hübsch war und ihr Lächeln direkt in den Bauch traf. Dass sie in Supermärkten und Warenhäusern alles mitgehen ließ, was unter ihre Jacke passte.

       Außerdem hatten wir beide eine Vorliebe für dunkle Geheimnisse. Während ich mich allerdings für die Rätsel untergegangener Kulturen interessierte, galt ihr Interesse dem Hier und Jetzt. Sie studierte Politologie. An der Universität suchte sie nach Wissen, das sie gegen ihre Feinde richten konnte. Und Feinde, Feinde hatte sie viele. Diskussionen mit ihr kreisten immer wieder um das Gleiche: Unterdrückung von irgendetwas, Unterdrückung durch irgendjemanden. In Büchern und im Internet suchte sie Mittel und Wege, sich von dieser Last zu befreien.

       Was ich suchte und ob ich überhaupt etwas suchte, war mir nicht so klar. Mich faszinierte das Unbekannte. Wieso tauchen in einem Dschungel in Südamerika Ruinen von einer gewaltigen Stadt auf, von der heutzutage niemand etwas mehr weiß? Ägypten sowieso. Aber, ach, scheiß darauf, was wollte man da schon herausfinden? Trotzdem stellten sich die Haare auf meinen Unterarmen auf, wenn ich eine Schrift betrachtete, die niemand mehr lesen konnte. Wie konnte es sein, dass Wissen verborgen blieb?

       Ich dachte damals, Nanas Hetze sei letztendlich eine Suche nach innerer Ruhe. Auch ich kannte dieses Gefühl, wie eine Laborratte in einem Labyrinth gefangen zu sein. Wie Nana suchte ich einen Ausgang, war verloren in dieser komplizierten Welt, die mehr Fragen als Antworten bot. Aber mir genügte ein schönes kühles FUCKING-BIER-INTERNATIONAL, um all das zu vergessen. Ich meine, scheiß darauf. Wir konnten doch sowieso nichts ändern. Doch bei Nana verursachte diese Ansammlung von Informationen eine nervöse Anspannung, eine zitternde Unruhe, die sie bis zur Schlaflosigkeit durchrüttelte und erst durch eine befreiende Tat gelöst werden konnte.

       *

      Dieter, ein guter Bekannter, hatte uns eine Adresse in Lissabon genannt, bei der wir neue Papiere erhalten sollten. Den Tatort weit hinter sich lassen, eine andere Identität annehmen, das war der Plan. Die Sache war die, dass wir alle westlichen Rechenzentren des Online-Shopping-Riesen Zamaon ausgeknockt hatten.

      Jetzt genoss ich es, Nana stundenlang anstarren zu können. Die letzten Wochen hatten wir kaum einen Blick füreinander gehabt, die Vorbereitungen für das Virus hatten unsere gesamte Zeit ausgefüllt. Inzwischen zierten die Stoppel eines Dreitagebartes mein Gesicht, aber im Großen und Ganzen sah ich einem Fahndungsfoto noch unanständig ähnlich. Ich war mir auch nicht sicher, ob es richtig gewesen war, Berlin so überstürzt zu verlassen. Ich war mir noch nicht einmal sicher, ob sich überhaupt jemand für uns so dringend interessierte. Nana dagegen war fest davon überzeugt, dass alle, von Interpol über CIA und NSA bis zum INTERNATIONALEN POLIZISTEN, hinter uns her waren. Tatsächlich interessierte sich eine weit mächtigere Institution für uns. Jenseits von Wissen und Wahrnehmung existiert die Magie. Hätte mir das damals jemand gesagt, hätte ich ihn für wahnsinnig gehalten.

      *

       Auslöser war Nanas Kleptomanie gewesen. Ich meine, ok, es hat einen gewissen Reiz, mal etwas zu klauen. Hey, ihr Arschlöcher, jetzt hole ich mir mal was, ohne diesen ganzen Kreislauf von Arbeit und Kapital zu bedienen. Aber eigentlich ist es mir zu stressig. Will ich Ärger mit den Bullen, weil ich eine Packung Kaugummis mitgehen ließ? Oder diese Befragungen von so Oberklugdetektiven, die echt meinen, man wäre ein Schwerverbrecher, weil man eine Dose Erdnüsse in der Tasche hatte. Bleibt doch mal auf dem Boden.

       Aber bei Nana ging es um mehr. In Shopping-Malls und Kaufhäusern verlor sie die Kontrolle über sich selbst. Ich meine, ok, dann gehe ich da nicht mehr hin, wenn ich das nicht aushalte. Aber Nana konnte das nicht. Wie eine Motte zum Licht zog es sie in diese magischen Tempel des Konsums, um an der Vielfalt unnötigen Tands zu verbrennen.

       In Berlin gibt es das KaDeWe. Von allen Seiten beäugten uns wachsam die Beherrscher der Waren. An den Decken hingen ihre elektronischen Sonden, über den Kassen schwebten gekrümmte Spiegelteppiche, die Augen der Verkäuferinnen und anderer Bediensteter suchten gierig riesige schwarze Taschen, in denen man ganze Regalinhalte heimlich transportieren konnte. An Pfeilern und Wänden sah man kleine grüne Leuchtkästen, auf denen ein fliehender Dieb zu sehen war. Andere Zeichen wiesen auf Feuerlöscher, Nothammer und die Sprinkleranlage hin. Für den Fall, dass diese explodierte, gab es auf jeder Etage geheime Schubladen mit Regenschirmen, eine Auflage der Versicherungen aufgrund gehäufter Meldungen von unerklärlichen Wasserschäden. Außerdem entdeckten wir durch unsere gründliche Recherche, dass auf allen sieben Ebenen in irgendeiner Ecke ein rosa Plüschkaninchen saß.

       Nana und das KaDeWe. Das ist die Laborratte, die in einem zerlöcherten Glaskubus herumläuft, von außen beschallt und beobachtet. Die multidimensionale Verwirrung. Und am Ende das große, gelbe Stück Käse. Die Ratte frisst, wenn sie am Ziel ist. Der Mensch bezahlt, oder wenn er das nicht kann oder will, dann klaut er. Nana jedenfalls klaute, was ihr in die Finger kam. Anfangs aus Leidenschaft. Und aus Protest. Sie wollte sich nicht verarschen lassen. Was wollten die auch mit all ihrem Überwachungsschnickschnack, halbblinden Verkäuferinnen und Detektiven, die nicht bemerkten, wenn ihnen ihr Portemonnaie fachgerecht entfernt wurde.

       Nana war wie der Blitz. Und wie der Wind. Sie flog durch die Regalschluchten und Unmengen von winzigen Gegenständen verschwanden auf seltsame Weisen in ihren Taschen. Nur manchmal wurde sie etwas unruhig. Dann zuckten ihre Augen von Ware zu Ware, von Angebot zu Angebot, ihr Blick konnte nichts fixieren, als ob sie aus dem Fenster eines fahrenden Zuges sehen würde, nur dass der Zug zwischen Sommerschlussverkaufskörben und Exklusivvitrinen hin und her fuhr. Wenn sie dann an die Decke sah und eine Kamera entdeckte, hob sie manchmal die Hand gegen die Linse, als wollte sie sich gegen den Bann einer magischen Macht schützen.

       Außerdem ist das KaDeWe nicht irgendetwas. Das KaDeWe ist einer der ersten

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