Paulo bei den Krat (11). HaMuJu

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Paulo bei den Krat (11) - HaMuJu страница 10

Автор:
Серия:
Издательство:
Paulo bei den Krat (11) - HaMuJu

Скачать книгу

wie im Miska-Reiche angeordnet hatten, solche Angeklagten traf die volle Härte des Gesetzes. Aber selbst in so schweren Fällen gab es nur Haftstrafen, die später dann, nach ein bis zwei Jahren aufgehoben wurden. Man verfuhr also mit den Hauptkriegsverbrechern ausgesprochen gnädig, sehr zum Missfallen derjenigen, die im Kriege besonders zu leiden gehabt hatten, der Einwohner des Miska-Reiches also. Es begann ein Prozess im Krat-Reich, in dem man versuchte, den Grad der Verflochtenheit jedes einzelnen in das Unrechtssystem zu ermitteln. Doch wie wollte man die Verwicklung des Einzelnen feststellen? Man konnte nur Befragungen durchführen, man verteilte Zettel, mit denen Erhebungen vorgenommen wurden, jeder musste glaubhaft versichern, welche Tätigkeit er im Turkka-Reich ausgeübt oder welche Funktion er innegehabt hatte.

      Das Ergebnis der Volksbefragrung war vorhersehbar, es gab praktisch niemanden, der im Turkka-Reich Verantwortung getragen hätte, wer bezichtigte schon sich selbst? Der Primat der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern, also vor allem mit Lebensmitteln, ließ die Überlegungen wie man die Belastung jedes Krat durch das Turkka-System feststellen könnte, in den Hintergrund treten. Es stellte sich heraus, dass der Umgang mit den Krat nicht leicht war, sahen sie wegen ihrer Hundeschnauze doch schon anders aus als die Goor, Teen und die Bewohner des Miska-Reiches, die den Teen sehr ähnelten. Auch das Verhalten der Krat war merkwürdig: neben ihrem in den Augen außenstehender Betrachter, und wir waren ja solche Betrachter, völlig heruntergekommenen Betragens in der Öffentlichkeit, das Herumurinieren war nur eine Facette ihres abartigen Verhaltens, war ihnen scheinbar eine Grundaggressivität zu eigen, wie sie wohl allen Hunden zu eigen war, sie stritten sich auf offener Straße um Kleinigkeiten und bissen sich dabei gegenseitig. Die Bisse verursachten Schmerzen und die Gebissenen heulten jeweils fürchterlich auf. Viele hatten Bisswunden davongetragen, die bluteten, klaffende Wunden, die unbehandelt blieben und niemanden weiter kümmerten, viele hatten große Narben am Körper, die von früheren Bissattacken herrührten.

      Das verabscheuenswerte Verhalten machte die Krat nicht eben zugänglicher, man müsste ihnen die Grundaggressivität nehmen, sie wären auch sonst für die Besatzer gefährlich, wenn sie bei Unstimmigkeiten immer gleich zubissen. Sie hatten vermutlich nie gelernt, Konflikte im Konsens zu lösen, das wäre Aufgabe des Umerziehungsprogramms, das bald anlaufen würde und dessen Ziel unter anderem eben die Fähigkeit beinhaltete, Konflikte auf dem Konsenswege zu lösen. Turkka war es während seiner Zeit nie um solche Wege der Konfliktlösung gegangen, für ihn galt das „Recht des Stärkeren“, das nach seiner Ansicht ein Naturgesetz war. Mithilfe scheinbar wissenschaftlicher sozialdarwinistischer Untermauerung versuchte Turkka, diesem Grundprinzip menschlichen Zusammenlebens eine Legitimation zu verschaffen. Die Nation symbolisierte in dem sozialdarwinistischen Denken das unbeugsame Ich des Gewalttäters, der sich an Werten wie Mut, Treue, Kompromisslosigkeit und Härte orientierte und diese Werte mit dem „Recht des Stärkeren“ verteidigte. So sah Turkka sich als Sieger im Kampf des Stärkeren gegen den Schwächeren und leitete daraus das Führerprinzip ab, welches sich gegen jede Form von Demokratie wandte, die Führergewalt sollte nicht durch Kontrollen gehemmt werden, sie war ausschließlich und unbeschränkt.

      Die vordringliche Aufgabe der Alliierten bestand darin, den Krat wieder den Anschluss an das internationale Kulturleben, von dem sie seit der Machtergreifung Turkkas abgeschnitten waren, zu ermöglichen und die von den Turkka-Getreuen erzwungene geistige Provinzialität zu überwinden. Zum Glück hatte die Zeit Turkkas nur ungefähr zehn Jahre gedauert, lange genug, um große Zerwürfnisse mit den Nachbarstaaten hervorzurufen und rigide Politik im Innern betreiben zu können, um jede demokratische Regung im Keime zu ersticken, aber nicht lange genug, um die totalitären Auswirkungen der Turkka-Politik sich bis ins Letzte verfestigen zu lassen. So gab es zumindest bei den älteren Krat noch Erfahrungswerte aus der Zeit vor Turkka, die waren noch nicht ganz verschüttet, es traute sich nur niemand, an die vergangene Zeit zu erinnern und sie wieder aufleben zu lassen. Da mussten die Alliierten ansetzen, wenn sie demokratische Strukturen im Krat-Reich etablieren wollten, die Kinder hätten ja nichts anderes gelernt, sie müssten erst in demokratische Verfahren eingeführt werden. Doch zunächst galt es, die materielle Not zu lindern, alle Krat sollten mit Nahrung versorgt werden und ein Dach über dem Kopf haben. Letzteres war gar nicht so schwer zu verwirklichen, es hatte schließlich während des Krieges keine Zerstörungen gegeben, die Häuser der Krat waren bewohnbar geblieben.

      Allerdings hatte es, besonders gegen Ende des Krieges, Lebensmittelengpässe bei den Krat gegeben, die man mit der Ausgabe von Essensmarken zu beheben versuchte, das System der Essensmarken vermochte es aber nicht, mehr Lebensmittel herbeizuschaffen, es gelang nur, die Reste der vorhandenen Lebensmittel geordnet zu verteilen. Man war bei den Krat dazu übergegangen, Surrogate für die wichtigsten Versorgungsgüter herzustellen, so wurde Gas durch Kohleverflüssigung produziert, als Bohnenkaffeeersatz gab es Kaffee aus Zichorie, man hatte Kunsthonig und andere Dinge. An die Mangelwirtschaft hatte sich bei den Krat nie jemand richtig gewöhnen können, es blieb eine Unterversorgung in allen wichtigen Bereichen, nur Turkka war in seinem Führerbunker mit allen Gütern eines luxuriösen Lebens ausgestattet gewesen, aber das wussten große Teile der Krat nicht. Die Alliierten begannen schnell einzusehen, dass an den Aufbau einer Demokratie bei den Krat ohne eine materielle Grundversorgung nicht zu denken wäre, und da diese aus der laufenden Produktion so leicht nicht zu gewährleisten wäre, wurden aus den drei Königreichen Versorgungspakete zu den Krat geschickt, die die wichtigsten Dinge für eine Grundversorgung enthielten, alles in Konserven verpackt, damit es auch lange haltbar war. Als die ersten Lieferungen der Versorgungspakete einsetzten, war die Freude bei den Krat unbeschreiblich groß, man kam mit LKW-Ladungen von den Teen, den Goor und aus dem Miska-Reich zu den Krat und stellte sich in den Städten auf die Plätze, wo man die Verteilung vornahm.

      Nach und nach stellte sich aber heraus, dass manche Krat mehrmals zur Paketverteilung kamen, andere dort aber gar nicht erschienen, weil sie krank oder bettlägerig waren. Um auch sie zu erreichen, entschloss man sich zu einem anderen Verteilungsmodus, man besuchte jede einzelne Familie und verteilte die Pakete an den Türen. Bei den Goor, Teen und im Miska-Reich waren private Helfer damit beschäftigt, die Pakete zu packen, sie waren im Dauereinsatz. Bei uns in Ta`amervan hatte die Verteilstelle einen Außenposten eingerichtet, an dem die Goor die Pakete packten und auf LKWs luden. Marietta und ich waren an der Paketverteilung beteiligt, wir waren froh, helfen zu können, wir hatten den Kriegsverlauf mit Sorgen verfolgt und wollten zur Wiederherstellung geordneter Zustände bei den Krat beitragen. Nachdem die Kriegsgefangenen kurze Zeit nach ihrer Inhaftierung an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt waren, ging es ganz allmählich mit der Wirtschaft aufwärts. Die Rüstungsindustrie wurde zerschlagen und auf Friedensproduktion umgestellt, so wurden aus Teilen der Granaten Kochtöpfe hergestellt, die Panzerproduktion wurde eingestellt, stattdessen wurden LKWs gebaut. Nicht überall verlief die Produktionsumstellung reibungslos, so musste die Fertigung von Raketen ersatzlos eingestellt, die Sprengköpfe mussten in einem aufwändigen Verfahren unschädlich gemacht werden. Die Fabriken konnten aber, nach mehr oder weniger massiver Umrüstung der Maschinen, auf Friedensproduktion umgestellt werden.

      Die in der „Hällstatt-Konferenz“ festgelegte Demilitarisierung war nicht so schwer einzuleiten und mit der Zeit gelang es auch, die hohe Hürde der Produktionsumstellung vollständig zu überwinden. Die Besatzungsmächte wurden nach und nach zu einer akzeptierten Instanz, und die Krat merkten schnell, dass das Leben ohne die totalitären Allüren eines Turkka einen viel angenehmeren Verlauf nahm. Ganz früh begannen die Alliierten, dafür zu sorgen, dass die Krat-Kinder in den Schulen nach demokratischen Grundsätzen erzogen wurden. Der Prozess der „Reedukation“ setzte dort an, es mussten in der Anfangszeit nur genügend Lehrer gefunden werden, die fähig waren, nach den neuen Grundsätzen zu unterrichten. Die Lehrerausbildung wurde umstrukturiert, es wurden aber Lehrer im Dienst belassen, die nicht oder nur wenig vom Turkka-System infiziert worden waren, ohne diese alten Lehrer wäre das Erziehungswesen zusammengebrochen. Schon früh trat man an Freiwillige aus den Reichen der Alliierten heran, eine Lehrerstelle im Krat-Reich zu übernehmen, auch Marietta und ich überlegten, eine Zeit lang bei den Krat zu unterrichten, zwei, drei Monate lang könnten wir das schon machen, meinten wir beide dann nach reiflicher Überlegung, man müsste uns natürlich eine Wohnung bei den Krat zur Verfügung stellen, in der wir mit Klaus-Jarmo leben könnten.

Скачать книгу