Blutlegende. Sofi Mart
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Weltklasse Jules...
Ich öffnete rasch die Tür, bevor ich es mir doch noch anders überlegen konnte. `Augen zu und durch, das schaffst du schon!’, sprach ich mir heimlich Mut zu. Meine Füße fanden den Weg zum Rednerpult. Mein Magen drehte sich um, als ich in die gespannten Gesichter von Dr. Nail und seinem gesamten Team schaute. Damit fühlte ich mich überfordert! Wieso konnte mich denn niemand vorwarnen? Wenn ich mich nun blamierte, dann vor der versammelten Fachkompetenz unserer Campuselite.
»Autsch!«, hallte es in meine Ohren. Das hatte ich jetzt nicht laut gesagt, oder doch? Die Antwort bekam ich sofort. »Juliette, hast du dir wehgetan?«, hörte ich Nathan fragen.
Nathan war bereits Assistenzarzt. Die Freundlichkeit in seiner Stimme milderte die Anspannung meines Nervenkostüms ein wenig ab.
»Nein, nicht wirklich«, entgegnete ich und sortierte eilig die Unterlagen aus meiner Tasche.
»Nun, wir hören!«, kam im Anschluss fordernd von Dr. Nail. Ohne weiter auf die verunsichernden Stimmen meines verklärten Unterbewusstseins zu achten, atmete ich einmal tief durch. Anschließend gab ich geordnet und scharfsinnig meine Erkenntnisse der letzten sechs Forschungsmonate preis. Gebannt hörte und schaute man mir zu. Alle Aufregung war umsonst.
Ich sah es deutlich in Prof. Stonehavens Gesicht. Stolz zeichnete sich ab, fast schon von väterlicher Natur. Zufriedene Mienen bei den Assistenzärzten, und auch die Forensiker wirkten beeindruckt. Ich hatte wohl selbst den von allen gefürchteten Dr. William Nail mit meiner Ausarbeitung zur Todeszeitpunktbestimmung mittels Fliegenlarven in meinen Bann ziehen können. Gut, zumindest sah er interessiert aus. Ein wichtiger Bestandteil meiner Ausarbeitung bezog sich auf den Fliegenlarvenkot und seine Zusammensetzung während der jeweiligen Entwicklungsstadien der Larven. Diesen Teil meines Vortrages verfolgte er aufmerksamer und machte sich dazu Notizen.
Komplett entspannte ich jedoch erst, als ich das Strahlen in Nathans Gesicht bemerkte. Er hatte mich in den vergangen sechs Monaten bei meiner Ausarbeitung unterstützt. Uns vorzustellen war Prof. Stonehavens geniale Idee gewesen.
Meine offizielle Bewerbung beendete ich mit den Worten: »Mein Dank gilt Nathan Dunn und seiner fachlichen Unterstützung.«
Ich schaute ihm fest in die Augen: »Dankeschön«, und mit einem smarten Lächeln sammelte ich meine Unterlagen zusammen.
Ein paar Tage würde ich noch auf die endgültige Entscheidung von Dr. Nail warten müssen, doch mich überkam zum ersten Mal an diesem Tag ein gelöstes Gefühl.
Prof. Stonehaven beglückwünschte mich, für seine Verhältnisse überschwänglich, und schüttelte mir die Hand. Stolz und nochmals dankbar fiel ich danach in Nathans Arme.
»Du bist der Allerbeste«, flüsterte ich ihm dabei ins Ohr.
»Und du bald meine persönliche Kaffeesklavin.«
Wenn das alles ist, verkniff ich mir lieber, denn so eindeutig zweideutig war unser Verhältnis dann doch nicht.
Prrring, klingelte es an der Tür. »Auweia, schon so spät?!«, bemerkte ich und schaute an mir herunter. Das Kleid offen und verdreht, barfuß - um mich herum ein Schlachtfeld aus Kleidung, Schuhen und Accessoires. Diesen Krieg hab ich eindeutig verloren.
Ein Blick in den Spiegel besiegelte meine Stylingniederlage. Meine Haare: das Grauen. Ich wollte eine Frisur: Schlimmer ging’s nimmer.
Wenigstens schminken musste ich mich nicht mehr. Etwas Lipgloss und Wimperntusche - fertig. Dem Kampf mit dem Farbkasten fühlte ich mich nicht im Ansatz gewachsen, das konnte nur schief gehen.
Prrring, Pring, Prrring.
»Jaha!«, schrie ich zur Tür. »Taub bin ich noch nicht!«
Ich öffnete, war jedoch noch im Gerangel mit dem Reißverschluss meines Kleides und humpelte auf einem Schuh. Den anderen hatte ich mir sehr vorteilhaft zwischen die Zähne geklemmt.
Nathan strahlte mich an: »Wow, ein Vogelnest, wie apart!«
»Sehr charmant, du Holzkopf«, nuschelte ich verlegen durch den Schuh zurück, noch immer im Clinch mit dem Reißverschluss liegend.
»Halt still, ich mach das.« Mit nur einer Hand-bewegung saß mein Kleid so, wie es geplant war. Auf dem Weg ins Bad zog ich mir rasch den anderen Schuh über. Dann entfernte ich unbeholfen die vorher so kompliziert eingesetzten Haarnadeln.
Also einmal wie immer. Ich schaute mir das Resultat im Spiegel an.
»Sei nicht sauer, Süße, dein Kleid ist dafür der Hammer«, hallte Nathans Stimme durch die Wohnung.
»Dann zieh ich es sofort wieder aus«, erwiderte ich gleichgültig, als ich den Flur entlang stolzierend versuchte, meinen zweiten Auftritt, besser hinzubekommen.
»Nein! Sei nicht blöd und komm jetzt endlich, Tess wartet im Auto in zweiter Reihe.«
Bevor ich noch etwas sagen konnte, packte Nathan mein rechtes Handgelenk, schnappte sich mit der Linken meine Schlüssel und zog mich aus der Wohnung. Mit Mühe konnte ich gerade noch die Tür schließen, bevor ich fast die Treppe runter flog: »Hey Mann, langsaaam!«
Der letzte Clubbesuch schien Ewigkeiten her zu sein, vom Tanzen ganz zu schweigen.
An diesem Abend konnte ich Nathan einen Drink zum Anstoßen nicht abschlagen. Die anstrengenden Nächte in der Bibliothek waren erst einmal vorbei. Endlich konnte ich wieder schlafen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Definitiv ein Grund zum feiern.
Tess begrüßte mich mit Küsschen und Glückwünschen, plapperte dann aufgeregt drauf los. Ein Moment, in dem ich herrlich abschalten konnte und mich insgeheim auf mein Bett später freute. Die komplette Fahrt in ihrem roten VW-Beatle bekam ich daher auch nicht richtig mit.
Kaum ausgestiegen, nahm Tess meine Hand und zog mich hinter sich her. Wie gewöhnlich stellte sich diese zierliche Frau nicht hinten an einer Schlange an.
Typisch!
Ich schmunzelte verlegen in der irrealen Hoffnung, unsichtbar zu sein. Der bullige Türsteher winkte uns durch und öffnete sofort das rote Absperrseil. Mit: »Dank dir Honey«, und einem umwerfenden Lächeln revanchierte sich der dunkelhaarige Wuschelkopf, der meine Hand fest umklammert hielt.
Theresa hasste es, wenn man sie so nannte. Sie war Nathans kleine Schwester und ein emotionales Feuerwerk. Woher sie diese Energie nahm, war mir ein Rätsel. Auch mich wickelte sie mit ihrer unbeschwerten Art um den kleinen Finger.
»Metropolitan?« Ohne meine Antwort abzuwarten, deutete Tess Nathan an, ihre Bestellung aufzugeben. Er fügte sich, und drei Minuten später stand ich mit einem Cocktail an der Bar.
Der Club war schummrig, aber erfüllt von bunten Lichtern. Bodennebel auf der großen Fläche vor mir ließ die Beine der tanzenden Menge fast bis zum Knie verschwinden. Die Latino-Rhythmen wummerten in meinen Ohren, aber meine Hüfte wippte von allein im Takt mit. Meine Augen passten sich den Lichtverhältnissen an.
Schön hier...
Weiter kam ich nicht mit meinen Gedanken. Tess packte mich erneut am Arm und zerrte mich ohne Rücksicht auf Verluste oder