Blutlegende. Sofi Mart

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Blutlegende - Sofi Mart

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      Einzig Nathans Umsichtigkeit verdankte ich es, dass sich der Drink nicht komplett über mein neues Kleid ergoss.

      »Los, Süße, beweg dich, hab Spaß«, tänzelte Theresa um mich herum. Der dünne Stoff ihres purpurroten Kleides flatterte im Takt zu ihren Bewegungen. Ihre wasserblauen Augen leuchteten vor Begeisterung. Die Freude war ihr förmlich ins Gesicht geschrieben.

      Da ich nicht gern auffiel, kam reserviertes und steifes Herumstehen nicht infrage. Also verwarf ich alle Zweifel über meine Tanzkünste und tat, was Tess mir befahl. Ich hatte tatsächlich Spaß und hörte auf, mir über alles und jeden den Kopf zu zerbrechen.

      Tanzen, Tanzen und nochmals Tanzen! Endorphine durchströmten meinen Körper, ach, einfach alles, was der Enzymhaushalt hergab. Ich fühlte mich frei, leicht und absolut fantastisch.

       Dank dir, verrückte, süße Tess.

       ***

       Es war gewiss nicht leicht, unbemerkt in einen Club zu kommen, doch für Readwulf nicht im Ansatz eine Herausforderung. Er kletterte mühelos und äußerst elegant durch ein offenes Fenster im Damen-WC, um sich dann direkt vor zwei jungen Frauen aufzubauen.

       Beide betrachteten gerade aufmerksam ihr Spiegelbild und musterten sich dazu noch gegenseitig. Amüsiert über diesen doch sehr frauentypischen Anblick, erklärte er mit seinem charmantesten Lächeln: »Bitte stören sie sich nicht an mir, meine Damen, sie sehen heute Abend bezaubernd aus.« Als die beiden Grazien mit weit offen stehenden Mündern herumfuhren, entsprach diese Aussage auch nur im Entferntesten der Realität.

       Dass keine von beiden laut aufschrie, lag an Readwulfs umwerfendem Äußeren und der reglosen, freundlich-cool wirkenden Pose, die er unter dem Fenster, auf der anderen Seite des Raumes, einnahm.

       Bevor eine von ihnen doch noch die Beherrschung verlor, trat Readwulf näher und nahm die rechte Hand der näher stehenden Blondine für einen perfekten Handkuss in Beschlag. Danach war die Rothaarige dran.

       Natürlich hätte er die Begegnung mit den beiden Ladys vermeiden können, aber einen kleinen Scherz mit der Damenwelt gönnte er sich ab und an. Zu genau wusste er um seine Wirkung bei der holden Weiblichkeit und reizte diese schamlos aus.

       Schmunzelnd verabschiedete er sich: »Guten Abend die Damen.« Dann verließ er pfeifend die Örtlichkeit.

      Auf der Tanzfläche herrschte großes Gedränge. Es war stickig und heiß. Körper rieben sich aneinander. Nicht unbedingt der liebste Ort, an dem Readwulf sich aufhalten wollte. Seine Augen suchten die Menge systematisch ab: Hier ist sie nicht!

       Check: junge Frau, Anfang 20, groß, schlank, langbeinig, Löwenmähne,

       schwarzes Kleid, grüne Augen.

      

       Langsam bewegte er sich durch die tanzende Menge. Selbst als er angerempelt wurde, blieb er ruhig und entspannt. Aufregung oder Nervosität waren Fremdworte für ihn.

       Readwulf hatte alles im Griff. Immer!

       Er blickte zur Bar hinüber und sah den filmreifen Beinaheabgang zur Tanzfläche, den seine Zielperson gerade so verhindern konnte.

       »Ein kleines Schwarzes«, bemerkte er und verschwand zwischen den Clubgästen hinter seinem Opfer.

      Keine Sekunde verlor er sie aus den Augen, auch nicht, als sie offensichtlich alle Hemmungen verlor und in der Musik aufging. Dieses Verhalten entsprach nicht dem Profil, welches er seit einigen Tagen von ihr anfertigte. Sie erschien ihm wie eine fremde Person. Was hatten diese anbetungswürdige Tänzerin und die unsichere kleine Studentin gemeinsam? Konnte er sich so getäuscht haben? Wieso interessierte ihn das jetzt auf einmal so über alle Maßen?

      Sexy! Er zog die Augenbrauen leicht nach oben. Ihre Bewegungen wirkten animalisch, leicht und echt, kein bisschen aufgesetzt. »Kleine Raubkatze«, war alles, was ihm dazu noch einfiel.

       Als er sich gerade zurückziehen wollte, stand sie plötzlich stocksteif in der Menge. Eine Drehung! Sie blickte ihm tief in seine dunklen Augen. Ja, sie schaute ihn an. Irrtum ausgeschlossen!

       Wie konnte das sein? Hatte sie ihn doch in der U-Bahn bemerkt und jetzt wiedererkannt? Aber es war nahezu ausgeschlossen, dass sie ihn hier im Club entdeckte. Wieso starrte sie ihm jetzt so entgeistert direkt in die Augen? Fragen über Fragen häuften sich in seinem analytischen Verstand.

       Sie konnte unmöglich wissen, was er plante. Woher auch? Readwulf ging nicht unvorsichtiger als sonst vor, wenn er eines seiner Opfer observierte.

      Also was verdammt noch mal läuft hier schief? Er hielt ihrem festen Blick stand.

       ***

       Stopp!

      Ich atmete tief durch, mein Puls raste. Meine feine Nase lokalisierte diesen speziellen Geruch. Er schien nah zu sein, etwa zehn Meter entfernt. Ohne weiter Zeit zu verlieren, wirbelte ich einmal um die eigene Achse herum. Ich schaute direkt in seine fast schwarzen Augen, welche am äußeren Rand seiner Iris goldbraun zu leuchten schienen. Er sah verwirrt aus, starrte ziegenblöd zurück.

       Bastard, diesmal bist du fällig!

      Ohne einen weiteren Gedanken steuerte ich auf den mysteriösen Kerl zu. Nach circa drei Metern wurde jedoch mein Vorhaben von Nathan und meinem Metropolitan gestoppt.

      »Hier, bevor alles Eis geschmolzen ist. Auf gute Zusammenarbeit! Prost!« Er hielt mir zwinkernd das Glas vors Gesicht.

      Der Typ war natürlich weg, als ich wieder über Nathans Schulter blicken konnte. Dafür kam eine kleine Frau total aufgelöst den schmalen Korridor vom Notausgang herangestolpert.

      Völlig fertig und außer Atem brüllte sie, so laut sie nur konnte, in den Raum: »Eine Tote!« Sie holte Luft und: »Da draußen hinter dem Container.« Als nichts passierte, schrie sie: »Hilfe! Schnell!«

      Eine Tote. Hilfe? Und dann auch noch schnell? Ich beobachtete das Schauspiel unbeteiligt weiter. Wie hätte ich auch erklären sollen, dass ich diese Frau hören konnte, wo doch zwischen uns mindestens dreißig Menschen standen.

      Endlich erbarmte sich einer der Gäste und eilte nach kurzer Absprache mit der jämmerlich wirkenden Gestalt zum DJ. Dieser reagierte sofort, die Musik verstummte und über das Mikrofon hallte es in den Raum: »Bitte bleiben sie alle, wo sie sind. Ruhe bitte! Wir haben alles unter Kontrolle.« Die Menge verstummte und eine kurze Pause später kam: »Sam, ruf sofort die Polizei!«

      Das Wort ‚Polizei’ war zu viel für die Anwesenden. Bestimmt nahm die Hälfte von ihnen Drogen oder hatte welche dabei. Jedenfalls wollten alle nur noch weg und die vorher angemahnte Ruhe sprang augenblicklich in unaufhaltsame Panik um. Die aufgebrachte Menge spülte mich mit.

      Gerangel, Geschubse, einige Ellbogen im Rücken und zertrampelte Füße später, war ich im

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