Plötzlich auf Föhr. Rainer Ballnus

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Plötzlich auf Föhr - Rainer Ballnus

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zwölf Jahren war er jetzt Fi­lial­leiter in der Inselbank. Sie schau­te ein ganz klein wenig stolz auf ihren Mann.

      Vor dreißig Jahren hatte sie mit ih­ren Eltern zum ersten Mal Urlaub auf dieser In­sel gemacht. Sie war ganz be­geistert gewesen von dieser Familienidylle mit dem herrlichen Strand. Alles war so beschaulich gewesen und mit der Hek­tik in Kiel gar nicht zu ver­gleichen. Dort hatten sie mitten in der City in ei­ner Zweieinhalbzimmer-Wohnung beengt le­ben müssen.

      Sie konnte sich noch heute ganz genau an ihre erste Begegnung erinnern: Nach einer Woche Urlaub war ihr damals das Ta­schengeld ausgegangen und sie hatte von ihrem Sparkon­to noch einen kleinen ‚Nach­schlag’ abheben wollen. Da waren sie sich zum er­sten Male in der Inselbank am Schalter für Spareinla­gen begegnet, er schüchtern und mit Brille.

      Irgendwie hatte es gleich bei beiden ge­funkt. Denn noch am selben Abend waren sie verabre­det gewesen und schon ein Jahr später ver­hei­ratet.

      Viele Kinder hatten sie sich ge­wünscht. Irene seufzte tief, denn daraus war leider nichts ge­worden. Aber auf die Insel war sie mit ihm gezogen und sie waren glücklich.

      Längst wa­ren ihrem Mann von der Zentrale Angebote un­terbreitet worden, andere größere Filialen auf dem Festland zu übernehmen. Aber beide waren so verbunden mit diesem Stückchen Er­de, dass er jedes Mal abgelehnt hatte. Sie hatten ein gutes Auskommen und viele Freun­de, auf die sie sich wirk­lich ver­lassen konnten.

      Auch bei diesem Urlaub, den sie jetzt in den Bergen planten, war es eine Selbstver­ständlichkeit, dass ihre Nach­barn die beiden Katzen versorgten und auch sonst nach dem Rechten sehen würden.

      Ja, sie konnten sich schon glücklich schätzen und morgen sollte es in aller Frühe losgehen. Wenn al­les gut ging und der Autoverkehr ih­nen keinen Strich durch die Rechnung machte, dann könnten sie in der Nähe von Seefeld in Österreich ihr Appartement beziehen und sich genüsslich ih­rem Punsch widmen.

      „Denk' bitte daran, dass wir diesmal mei­ne neuen Bergstiefel mitnehmen“, un­terbrach Klaus Matthießen ihre Gedanken.

      „Und du ver­giss nicht, heute pünktlich nach Hause zu kommen. Du weißt ja, wir müssen früh schla­fen gehen“, mahnte Irene ganz bewusst. Sie kannte ihn nur zu genau. Da kamen dann kurz vor 16.00 Uhr noch altbekannte Kunden und schon wurde ein kleiner Plausch gehal­ten, der nicht selten in der gemütli­chen Gast­stätte genau gegenüber der Bank fort­gesetzt wurde.

      Kundenbetreuung nannte ihr Mann das, wenn er gelegentlich leicht ange­heitert nach der Tages­schau ziemlich klein­laut bei ihr um Verzeihung bat.

      „Na klar, Liebes! Das verspreche ich dir. Heute komme ich superpünktlich“, sprach's, nahm seinen Hut und Mantel, gab seiner Frau einen Kuss und machte sich auf den zehnminütigen Fußweg zu seiner geliebten Bank.

      Dabei hatte er ein fröhliches Lied auf den Lip­pen. Er sah wirklich keinen Grund, warum er ausgerech­net heute sein Versprechen nicht einhalten sollte, wo es doch in den wohlverdienten Urlaub ging. Und doch sollte es anders kommen, ganz anders.

      Gähnend reckte sich Karl in dem be­quemen Bett. Mit der rechten Hand taste­te er nach der Uhr auf dem Nachttisch. Ach du lie­be Zeit, schon halb elf, stellte er er­schrocken fest.

      Wirklich höchste Eisenbahn, wenn du es noch schaffen willst, am Vormittag zur Bank zu gehen.

      Das Geld rann einem auch nur so durch die Finger; und da­zu noch das neue Kleid für Madam.

      Ohne die Augenlider zu bewegen, fuhr er mit der linken Hand auf dem Bettlaken ent­lang, bis er den Oberschenkel seiner Frau spürte. Er war erst ver­sucht, ihn zu strei­cheln. Doch irgendetwas hielt ihn heute davon ab. Der gestrige Abend kam ihm in Erinnerung. Er hatte wirklich sehr nett angefangen und seine Frau war besonders bemüht gewesen, ihm zu ge­fallen.

      Das konnte er ja wohl auch er­warten, bei dem Preis für den „Fummel“, grinste er vor sich hin.

      Doch dann kam an dem Abend die große Wende.

      Eine Frau, ach was Frau, ein ras­siges Weib war schuld dar­an. Sie hatte mit einem männlichen Begleiter am Ne­ben­tisch Platz ge­nommen. Zufällig war ihr Stuhl so günstig gestellt gewesen, dass sich ihre Blicke gleich darauf getroffen hatten - und hängen geblieben waren.

      Das war ein Gefühl gewesen, durchzog es ihn auch heute Morgen noch.

      Zuerst zögerlich, dann immer drei­ster werdend hatte er den Augenkontakt gesucht und Gefallen an diesem Spiel­chen gefunden, so dass sich seine Frau darüber beschwerte, sie nicht gebührend beachtet zu haben.

      „Sind Sie noch länger hier?“, hatte die attrakti­ve Blonde ihn bei einer flüchtigen Begegnung an der Bar gefragt und dabei durch­blicken lassen, dass sie sich den ganzen Win­ter auf dieser herr­lichen Nordsee­insel erholen würde.

      Er hätte beinahe die beiden Mixge­tränke für seine Frau und sich fal­len gelassen, so erschroc­ken war er über ihren 'Vorstoß' gewesen.

      „Wie man's nimmt, eine Woche“, hatte er stot­ternd geantwortet und dann war auch schon seine Frau bei ihm gewesen, um ihm die Gläser aus der Hand zu­ neh­men und ihn zum näch­sten Tanz zu bitten. Da­menwahl hatte es ge­heißen.

      Ob sie etwas gemerkt hatte? Ich glaube nicht, beruhigte er sich, sie war wie immer gewesen. Ja, wie immer, das war es doch, was ihm nicht mehr gefiel. Alles war Gewohnheit ge­worden - auch das Liebesle­ben.

      Sicher, er konnte sich nicht be­schweren, sie war immer für ihn da, aber irgendwie war es immer das Gleiche.

      Gedanklich hatte er schon einige Ma­le mit dem Reiz einer neuen Begegnung gespielt, aber eben nur gedanklich. Und nun tat sich zum ersten Mal eine rea­le Chance auf. War es wirklich eine solche oder war es vielleicht nur eine so da­hin geworfene Bemerkung? Aber nein, diese glutvollen Blicke waren doch so einla­dend, so viel versprechend gewesen.

      „Karl! Bist Du wach?“

      Seine Frau war es, die ihn so abrupt aus seinen schwel­genden Gedanken riss.

      Diese Stimme - so schrill! Sie ging ihm im Au­genblick so richtig auf die Nerven und sofort war er wieder bei der Schönen mit ih­rem so melodischen und sanften Gesäusel.

      „Karl! So antworte doch! Ich weiß doch, dass du wach bist! Koch' bitte den Kaffee, aber nicht so stark, wenn ich bitten darf!“

      „Schrei' doch nicht so!“, gab er unwirsch zu­rück und schlug die Bettdecke zurück. Er hatte ohnehin keine Lust mehr, neben ihr im Bett zu liegen.

      Sie treibt mich ja regelrecht in die Arme der Blonden, dachte er, schlüpf­te in seine Pan­toffeln und war gerade auf dem Weg ins Bad, als Herta ihm hinterher keifte:

      „Ich schrei' ja gar nicht! Du brüllst doch!“

      Das hörst du dir nicht mehr länger an, grollte er innerlich und knallte die Badezimmer­tür hinter sich recht unsanft ins Schloss.

      Dabei hatte der Urlaub so gut ange­fan­gen. Er war Beamter und hatte es nicht ver­hindern können, vor vier Wochen befördert worden zu sein. Weißt du was, hatte er sei­ner Frau vorgeschlagen, wir fahren nach Wyk auf Föhr und machen mal ganz allein zwei Wo­chen Urlaub. Wir sollten einmal so richtig ausspannen. Die Kinder sind ja schließlich schon groß und können sich von den Omas ver­wöhnen

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