Im Schatten des Todes. Aris Winter

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Im Schatten des Todes - Aris Winter

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      Im Schatten des

      Todes

      Psychothriller

      Copyright: Aris Winter, Zürich 2018

      Covergestaltung: © VercoDesign, Unna

      Alle Rechte vorbehalten.

      Die Handlungen und Personen in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten oder Namensgleichheiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

      “Ich widme dieses Buch meinem Sohn Levin, der für mich die Welt bedeutet”

      Aris Winter

      Prolog

      Es war ein Freitagabend mitten im November. Schwacher Nieselregen fiel und ein kräftiger Wind blies durch die Strassen von Zürich. Ein regelrechter Herbststurm schien im Anmarsch zu sein. Das schlechte Wetter kam normalerweise aus dem Westen. Es zog vom nördlichen Atlantik her, über die britischen Inseln, nach Nordfrankreich bis es letztlich auch die Schweiz erreichte. Am Vortag wütete ein Orkantief über Frankreich, daher prognostizierten die Meteorologen, dass es heute die Schweiz treffen würde. Wenn auch nur in abgeschwächter Form. Auf der Webseite der französischen Tageszeitung gab es Bilder von entwurzelten Bäumen und abgedeckten Dächern. Diverse Flughäfen wurden zeitweise geschlossen. Auch das Bahn- und Strassennetz wurde vom Sturm stark beeinträchtigt. Autobahnabschnitte mussten gesperrt und über Nebenstrassen umfahren werden. Es gab dutzende Verletzte, aber glücklicherweise keine Toten. Immer wieder wirbelten leere Papiertüten und Blätter von den umliegenden Bäumen durch die Luft. Die Strassenlaternen schaukelten im Wind hin und her und die Glühbirnen flackerten teilweise so stark als würden sie nächstens durchbrennen. Ein klirrendes Geräusch der Seile, die gegen die Fahnenmasten des Vier-Sterne-Hotels peitschten, war dumpf durch die geschlossenen Fenster zu hören. Die Fahnen flatterten heftig im Wind und drohten von diesem mitgerissen zu werden. Noch trotzten sie ihm standhaft. Autos reihten sich auf der Strasse aneinander. Motoren heulten nervös auf. Räder quietschten beim Durchdrehen auf der nassen Fahrbahn. Hin und wieder ertönte ein lautes Hupen, wenn das vorderste Fahrzeug beim grünen Lichtsignal bei der Kreuzung nicht gleich losfuhr. Der Feierabendverkehr war in vollem Gange, doch die Menschen schienen nervöser zu sein als sonst. Es musste am Wetter liegen. Es war bereits dunkel und in den Fenstern der angrenzenden Häusern gingen die Lichter an. Die Menschen kamen müde und erschöpft von der Arbeit nach Hause und legten sich auf die Couch vor den Fernseher. Der Feierabend in ein stürmisches Wochenende wurde vom Kirchturm im Zentrum des Vorortes von Zürich eingeläutet. Es war sieben Uhr abends. Liam Brugger sass an seinem Laptop im Esszimmer und surfte seit gut einer Stunde durch das Internet. Er hielt seinen Kopf auf seine Hände abgestützt und liess seine Augen über die Zeilen eines Artikels gleiten. Sein blondes, kurzes Haar war zerzaust. Seine tiefblauen Augen glänzten im Licht des Bildschirms. Die Stirn lag konzentriert in Falten. Sein Dreitagebart machte einen etwas ungepflegten Eindruck und wucherte still vor sich hin. Kürzlich feierte er seinen neunundzwanzigsten Geburtstag mit einigen seiner Kollegen in einem nahegelegenen Restaurant. Es wurde gegessen, getrunken, angestossen und bis tief in die Nacht hinein gefeiert. Das Schonfristjahr, wie es seine Kollegen nannten, lief nun seit knapp einem Monat. Das letzte Jahr in welchem er noch unter dreissig sein würde. Von da an soll es angeblich abwärts gehen, ermahnten ihn seine Kollegen, ohne dabei konkrete Beispiele zu nennen. Seine Mutter prophezeite ihm bereits das Wohlstandsbäuchlein, das ihm enorme Sorgen bereitete. Beinahe täglich nach dem Duschen stellte er sich vor den Spiegel und fuhr sich mit der Hand über den flachen Bauch um zu sehen, ob er schon ein kleines Fettpolster angesetzt hatte. Sein äusseres Erscheinungsbild war ihm wichtig. Zwar war er nicht der Typ, der Dutzende Fotos von sich auf seinem Smartphone speicherte, oder irgendwelche Strandfotos in Badehose und mit Waschbrettbauch auf den sozialen Medien teilte. Dennoch mochte er sein Aussehen und betrachtete sich gerne im Spiegelbild. Obwohl er keine durchtrainierten Muskeln hatte wirkte er schlank und sportlich. Er trieb schon lange keinen aktiven Sport mehr. Früher spielte er Fussball in einem kleinen Verein. Er war ein ausgezeichneter Torhüter und träumte von einer Profikarriere, wie viele in seinem Alter, doch irgendwann kam die Zeit, wo er den Traum aufgeben musste. Er wurde zu alt und niemand interessierte sich für sein Können. Vielleicht fehlte ihm das gewisse Talent, oder er war einfach nie zur richtigen Zeit am richtigen Ort. An Neujahr dieses Jahres nahm er sich als Vorsatz, wieder regelmässig Joggen zu gehen. Er kaufte sich Laufschuhe und Sportbekleidung. Nach zwei Wochen warf er seinen Vorsatz bereits wieder über den Haufen. Die Laufschuhe lagen seither irgendwo im Keller und verstaubten. Die Sportbekleidung trug er nur noch, wenn er es sich zu Hause gemütlich machen wollte. Mit seinen knapp zwei Metern Körpergrösse lag er weit über dem Durchschnitt. Er trug ein graues Poloshirt und einen dunkelblauen Pullover darüber. Der Kragen des Polos hatte er elegant über den Kragen des Pullovers gefaltet. Die graue Sakko Hose gab einen gewissen Kontrast. Er hasste es, Kleider in den Geschäften zu kaufen. Sich in die Warteschlange vor den Umkleidekabinen zu stellen und stundenlang Kleider anzuprobieren die ihm nicht sonderlich gefielen. Doch kürzlich entdeckte er einen kleinen Onlineshop im Internet, der elegante Kleidung zu einem günstigen Preis anbot. Seither bestellte er seine Kleider nur noch dort und freute sich jeweils auf das Paket des Postboten. Am Freitag arbeitete er üblicherweise von zu Hause aus und somit begann für ihn das Wochenende bereits am Donnerstagabend. Obwohl er zu Hause produktiver arbeitete hatte er zwischendurch Freiräume, die er nutzte um Wäsche zu waschen, Kleider zu bügeln oder eine kurze Runde mit dem Staubsauger durch die Wohnung zu drehen. Doch heute musste er ausnahmsweise ins Büro, weil er eine Sitzung mit seiner Vorgesetzten hatte. Eine Besprechung über die neue Systemadministration. Eigentlich hatte er nichts gegen Sitzungen, doch er hätte lieber von zu Hause aus gearbeitet. Vor allem des schlechten Wetters wegen.

      Seit er von seiner Frau verlassen wurde spürte er in regelmässigen Zeitabständen Depressionen aufkommen. Vor allem samstags und sonntags, insbesondere bei miesem Wetter, überfielen ihn diese plötzlichen Anfälle von Lustlosigkeit. Es fühlte sich an als würde er in ein imaginäres Loch gesogen und hätte nicht mehr die nötige Kraft um sich selbst wieder daraus zu befreien. Im Sommer zwang er sich üblicherweise zu einem längeren Spaziergang am nahegelegenen Fluss entlang. Der Fluss entsprang aus dem Zürichsee und verlief stadtauswärts durch ein langes Tal. Der Vorort, in welchem er wohnte, lag inmitten dieses Tals kurz vor der Kantonsgrenze. Das Flussufer befand sich nur gut hundert Meter von seiner Wohnung entfernt, direkt neben der Bahnlinie. Am Fluss war es idyllisch, ruhig und verkehrsfrei. Überall gab es kleinere Waldstücke, einzelne Bäume und Grünflächen, auf welchen man sich zur Rast setzen konnte. Einige nutzten die Flächen zum Grillen oder Picknicken, andere legten sich gemütlich auf ein Badetuch und sonnten sich. Auf dem Fluss trieben Menschen mit ihren Schlauchbooten flussabwärts bis zur kleinen Staumauer, welche sich am anderen Ende des Vorortes befand. Es gab viele Jogger und Fahrradfahrer, die am Wochenende ihre gewohnten Runden drehten. Einmal, an einem schönen Herbsttag, spazierte er bis zu seinem Arbeitsort in der Nähe des Stadtzentrums. Dieser lag etwa zehn Kilometer weit entfernt. Nur um zu sehen, ob er den Arbeitsort auch zu Fuss erreichen könnte, doch er machte sich nicht ernsthafte Gedanken diese Strecke jeden Tag zu laufen. Schon gar nicht im Winter bei eisigen Temperaturen. Seit Beginn des Novembers gab es kaum noch regenfreie Tage und die Temperaturen bewegten sich um den Gefrierpunkt. Die Meteorologen sagten bereits den ersten Schnee voraus, der bis anhin aber noch ausblieb. Liam hasste den Schnee. Besonders in der Stadt, weil er sich dort schnell einmal zu Matsch verwandelte und zur Rutschgefahr wurde. Seine Runden entlang des Flussufers wurden entsprechend kürzer und meist war er bereits nach dreihundert Metern tropfnass und zitterte am ganzen Körper. In diesen Momenten verfluchte er das Wetter auf das Übelste und trotzdem hörte der Regen einfach nicht auf. Der Fluss stieg merklich an und überschwemmte Teile des Weges und deren Unterführungen, so dass ein Durchkommen schier unmöglich war. Seine Spaziergänge kamen zu kurz und im Büro gab es kaum Möglichkeiten für einen gesunden Auslauf. Meistens sass er acht Stunden vor dem Computer und bewegte sich höchstens zum Drucker oder zur Kaffeemaschine, die bloss ein paar Fussschritte entfernt waren. Dafür kam der Griff zum Zigarettenpäckchen an diesen Tagen umso häufiger als sonst. Je länger er in der Wohnung sass, desto stärker

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