Im Schatten des Todes. Aris Winter

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Im Schatten des Todes - Aris Winter

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So wie jetzt verhielt er sich nur wenn er an Fieber litt und krank war.

      Lena, die Frau die er in den letzten Monaten so schmerzlich vermisst hatte, stand plötzlich vor ihm und bat ihn um Hilfe. Früher musste ihr Liam jeweils einen Maulkorb verpassen, damit das ewige Gerede ein Ende nahm und nun stand sie neben ihm und schwieg. Ihr Gesicht war farblos. Die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Eingepackt in einer dicken, schwarzen Daunenjacke wirkte sie wie ein kleines, unschuldiges Mädchen. Liam selbst war völlig irritiert und mit der ganzen Situation komplett überfordert. Er hätte an diesem Abend so ziemlich alles erwartet, aber mit ihr hätte er nicht im Traum gerechnet. Er machte eine kurze Handbewegung zum Wohnzimmer, während er die Jacke auszog und den Schal löste. Von der Wohnungstüre her ging es durch einen schmalen Flur, auf welchem sich links drei Zimmer und rechts zwei Badezimmer befanden. Direkt hinter der Wohnungstüre Bernards Spielzimmer, welches mit Spielsachen vollgestopft war. In der Mitte Bernards Schlafzimmer mit dem Jugendbett, dem Kleiderschrank und dem Wickeltisch sowie das grössere Zimmer mit dem Ehebett, in welchem er sich seit der Trennung so alleine und einsam fühlte. Am Ende des Flurs erstreckte sich links das Wohnzimmer und rechts das Esszimmer. Eigentlich war es ein einziger, grosser Raum. Doch der Fussboden im Wohnzimmer war mit Parkettbelag und der des Esszimmers mit Keramikplatten ausgelegt. Die schwarze Ledercouch im Wohnzimmer bildete die hintere Ecke. Davor stand ein kleines, rundes Tischchen mit einer Glasplatte auf einem grossen, weissen Teppich. An der Wand gegenüber, direkt neben dem Fenster, hing ein Flachbildfernseher, den er seit Monaten nicht mehr eingeschaltet hatte. Darunter stand ein rechteckiges Möbel, in welchem Liam seine DVDs verstaute. Das Esszimmer bot Platz für einen rechteckigen Holztisch und vier schwarzen Lederstühlen. Eine Lampe mit drei Leuchten hing tief darüber und erhellte den Raum. Dahinter befand sich eine kleine, moderne Küche. Liam war ein grauenhafter Koch und die Küche sah aus, als wäre sie seit langem nicht mehr benutzt worden. Dafür stapelten sich ein Dutzend leerer Pizzaschachteln eines Lieferdienstes in der Ecke. Vom Esstisch her sah man direkt auf die kleine Terrasse. Dort stand ein Sessel aus Rattan mit weichen Kissen zwischen zwei kleinen Palmen und verlieh ihr einen Hauch von Urlaubsstimmung. Zumindest wenn die Sonne auf die Terrasse schien.

      Liam trank einen kräftigen Schluck Eistee und stellte die Flasche in den Kühlschrank. Danach setzte er sich auf die Couch und wartete auf eine Reaktion seiner Frau. Seit sie ihn im Treppenhaus umarmte hatte sie kein einziges Wort mehr gesagt. Sie stand mittlerweile hinter einem der Stühle am Esstisch und starrte wortlos auf den Bildschirm seines Computers. Im Kinderzimmer hörte er seinen Sohn mit den Spielzeugautos spielen. Der Regen prasselte wieder stärker gegen die Fensterscheibe.

      Plötzlich klingelte es an der Wohnungstüre. Lena zuckte zusammen, setzte sich auf den Stuhl vor dem Computer und deutete Liam wild gestikulierend an, sitzen zu bleiben. Wieder klingelte es an der Türe. Diesmal mehrmals hintereinander. Liam blickte zu Lena und sah eine Träne über ihre Wange kullern. Einen Moment lang wurde es still. Liam erhob sich aus der Couch und löschte sämtliche Lichter in der Wohnung. Obwohl sie im vierten Stockwerk waren hätte man das Licht von draussen her gesehen. Die Besucherparkplätze befanden sich direkt unter seinem Wohnzimmerfenster. Langsam verstand Liam den Ernst der Lage, auch wenn er noch keine Details der Geschichte kannte. Der Gesichtsausdruck seiner Frau sprach Bände. Er hatte sie noch nie derart verängstigt erlebt. Regungslos sass sie auf dem Stuhl und starrte auf den Bildschirm.

      “Er will ihn holen und dich töten”, murmelte Lena plötzlich und ohne ihren Blick vom Bildschirm zu lösen.

      “Was?”, fragte Liam ungläubig. Er stand im dunklen Flur und schaute nach rechts zum Esszimmer. Der Bildschirm war nun die einzige Lichtquelle in der Wohnung. Er sah nur noch die Umrisse ihres Kopfes, welcher über der Stuhllehne hervor lugte.

      “Wer?”, fragte Liam weiter, “wer will mich töten?”

      Es klang so surreal und trotzdem spürte er, wie sein Puls schlagartig in die Höhe getrieben wurde. Einerseits war da Lena, die noch vor ein paar Tagen gesagt hatte, dass sie über ihn hinweg sei und ein neues Leben begonnen habe. Und andererseits das mysteriöse Klingeln an der Haustüre sowie die Tränen in Lenas Gesicht.

      “Was sollen wir jetzt tun? Die Polizei rufen?” fragte Liam schockiert.

      “Nein” sagte Lena. Nun löste sie endlich den Blick vom Bildschirm. Liam sah ihre funkelnden Augen als sie den Kopf zu ihm umdrehte. Es war eine Mischung aus Angst und Panik. Eine Träne glitzerte auf ihrer Wange.

      “Wenn wir die Polizei rufen, wird alles nur noch schlimmer.”

      Liam musterte sie skeptisch.

      “Was würde schlimmer werden?”, wollte er wissen.

      “Die Verfolgung”, antwortete Lena und deutete mit dem Zeigefinger auf die Wohnungstüre. “Sie werden dich solange suchen, bis sie dich gefunden haben. Bis die Polizei aktiv wird, bist du längst tot.”

      “Das ist noch nicht die ganze Geschichte, oder?”, fasste Liam zusammen. Nie zuvor hatte sie sich derart merkwürdig verhalten. Mit ihrem vom weissen Licht des Bildschirms angestrahlten Gesicht in der dunklen Wohnung sah sie aus, als wäre sie gerade einem Horrorfilm entsprungen. Lena schüttelte den Kopf und senkte ihren Blick zu Boden.

      “Was ist los, verdammt?”, fragte Liam. Seine Stimme klang mittlerweile deutlich verzweifelter.

      Unverhofft klopfte jemand gegen die Wohnungstüre. Nun war es Liam, der zusammenzuckte. Ein Schauer lief ihm kalt über den Rücken. Seine Knie zitterten unweigerlich. Er fragte sich zugleich, wie die Person, die nun vor seiner Wohnungstüre stand, überhaupt ins Treppenhaus gelangte. Jemand musste ihr die Eingangstüre ins Haus geöffnet haben, denn normalerweise war diese verschlossen. Lena kroch unter den Tisch. Wieder hämmerte jemand mit der Faust gegen die Türe. Das Holz knarrte und vibrierte unter dem heftigen Schlag. Liam hörte eine männliche Stimme.

      “Ich weiss dass ihr hier drin seid. Also öffnet gefälligst die Türe.” Lena deutete Liam an, dass er still sein soll. Liam nickte ihr zu. Er legte sich langsam auf den Fussboden und robbte vorsichtig zum Kinderzimmer. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Es war das Mittlere der drei Zimmer. Etwa drei Meter von der Wohnungstüre entfernt. Als er dort ankam, streckte er den Arm nach oben, um die Türklinke herunter zu drücken und die Türe zu öffnen. Als ihm dies gelang musste er beinahe die Augen zusammenkneifen, da ihn das Licht, welches aus dem Kinderzimmer flutete, unweigerlich blendete. Er erblickte seinen Sohn auf dem Fussboden sitzend vor seiner Spielzeugkiste. Bernard inspizierte konzentriert die Details seiner Spielzeugautos. Mindestens ein Dutzend verschiedener Autos lagen neben ihm auf dem Fussboden. Diverse Typen und Marken im Miniaturformat. Offenbar hatte er nicht bemerkt, dass Liam die Türe geöffnet hatte und ihn beim Spielen beobachtete. Behutsam zog er die Türe wieder zu und kroch zurück zum Esszimmer. Der Unbekannte hämmerte ein letztes Mal kräftig gegen die Wohnungstüre. Der Schlüsselbund, welcher im Schloss steckte, gab ein lautes, klirrendes Geräusch von sich. Lena kauerte unter dem Tisch. Es machte den Anschein, als würde sie kaum noch atmen.

      “Ich komme wieder, das schwöre ich euch”, sagte die Stimme vor der Wohnungstüre mit einem verbissenen Unterton. Liam hörte wie sich die Schritte entfernten. Er atmete auf und legte sich auf den Rücken. Den Blick gegen die Decke gerichtet. Die Hände auf der Brust liegend. Er fühlte seinen pochenden Herzschlag bis zum Hals. Nie zuvor fühlte er eine solche Panik in sich. Lena kauerte noch immer unter dem Tisch. Es dauerte einige Minuten bis sie sich wieder auf den Stuhl gesetzt hatte.

      “Soll ich das Licht anmachen?”, fragte Liam nach einer Weile der Stille. Er flüsterte nun beinahe, da er der Stimme des Unbekannten nicht vertrauen konnte. Vielleicht stand er wieder vor der Wohnungstüre und lauschte ihren Stimmen. Das ganze Haus war enorm ringhörig. Solange er nicht wusste, was hier vor sich ging, versuchte er sich ruhig zu verhalten und keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Er warf einen fragenden Blick

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