Im Schatten des Todes. Aris Winter

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Im Schatten des Todes - Aris Winter

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völlig in Rage und nervlich am Ende.

      “Wenn die Polizei wirklich alles schlimmer macht, dann müssen wir es eben auf die eigene Faust regeln”, meinte er schliesslich und schlug sich mit eben dieser bestätigend auf den Oberschenkel.

      In dieser Nacht hatte er kein Auge zugedrückt. Die Gedanken an seinen Sohn waren ständig präsent. Er hörte den Wind im Kinderzimmer. Der Vorhang peitschte gegen die Wand. Lena lag neben ihm im Bett und schluchzte vor sich hin. Liam wusste nicht, ob er sie trösten oder hassen sollte. Er hatte schnell einmal Mitleid wenn jemand um ihn herum anfing zu weinen. Wie konnte sie ihm das nur antun? Er hatte immer pünktlich die Alimente beglichen, sich um seinen Sohn gekümmert und sich regelmässig nach dem Wohlbefinden bei ihr erkundigt. Zum Dank kam sie mit einer verworrenen Geschichte und machte ihn zur Zielscheibe der Mafia. Er wälzte sich im Bett hin und her. Er musste sich einen Plan ausdenken. Doch er wusste nicht, wo er überhaupt hätte anfangen sollen. Die Gefahr lauerte an jeder Ecke. Nicht einmal in seiner Wohnung schien er mehr sicher zu sein. Immerhin hatten es diese Bastarde geschafft, unentdeckt in das Zimmer im vierten Stockwerk zu gelangen, ein Kind zu entführen und sich aus dem Staub zu machen. Vom Schockmoment bis zum Betreten des Kinderzimmers waren ungefähr dreissig Sekunden verstrichen und dennoch hatten sie es geschafft, unentdeckt zu fliehen. Liam wusste, dass er es mit Profis zu tun hatte und ohne Hilfe der Polizei würde es für ihn unglaublich schwierig werden, sie zu überlisten. Mehrmals stand er auf und ging ins Wohnzimmer. Er setzte sich auf die Couch. Stand wieder auf. Ging auf und ab. Im Kühlschrank fand er eine angefangene Flasche Wodka, die bestimmt schon mehr als ein Jahr lang dort drin lag. Er trank selten Alkohol. Schon gar nicht alleine. Aber jetzt brauchte er einen Schluck. Es schmeckte grässlich. Er goss den restlichen Inhalt der Flasche in den Abfluss. Dann dachte er an eine Zigarette, die er so gut hätte gebrauchen können, um sich zu beruhigen. Doch die Terrasse war zu gefährlich für ihn. Man hätte ihn gesehen, selbst ohne Licht in der Wohnung. Die Glut an der Zigarette hätte ihn womöglich verraten. Er konnte und wollte das Risiko nicht eingehen, wegen einer Zigarette erschossen zu werden. Er setzte sich erneut an seinen Computer und durchforstete das Internet nach bekannten Fällen von Kindesentführungen. Wie er schockiert feststellen musste kam dies gar nicht so selten vor. Teilweise wurden die Kinder von ihren eigenen Müttern ins Ausland entführt, damit die Väter den Kontakt verloren. Einige der entführten Kinder galten seit Jahren als vermisst, so dass die Polizei die Suche mittlerweile eingestellt hatte. Beim Gedanken an Bernard schnürte es ihm die Kehle zu. Er war machtlos und im schlimmsten Fall würde er Bernard nie wieder sehen. Hätte er vielleicht doch besser die Polizei eingeschaltet? Vermutlich hätte er unter den Fotos der vermissten Kindern irgendwann das Foto seines Sohnes entdeckt. Er klappte den Laptop zu und legte sich auf die Couch. Sein Blick suchte die Decke, doch es war zu dunkel, um sie zu erkennen. Es war einfach nur schwarz. Genauso dunkel und schwarz wie in seinem Herzen. Doch er konnte in jenem Moment absolut nichts dagegen tun. Ausser für seinen Sohn zu beten. Hin und wieder hörte er ein Auto, das unten auf der Strasse vorbeifuhr. Oder das Geräusch der Kirchturmglocken, dessen Schall vom Wind durch den Vorort getragen wurde. Doch seine wirren Gedanken liessen ihn einfach nicht einschlafen.

      Jagd und Flucht

      Nach einer schier endlos langen Nacht wurde es draussen wieder hell. Der Himmel war wolkenverhangen und es regnete noch immer. Mit dem Tageslicht hatte auch die Stärke des Windes wieder zugenommen. Es pfiff erneut durch die Ritzen des Fensters. Die Couch war ungemütlich und er spürte einen leichten Schmerz im Nacken. Er warf einen Blick ins Kinderzimmer und musste feststellen, dass sich in den letzten Stunden nichts verändert hatte. Glasscherben lagen über dem Fussboden verstreut herum. Das Fenster stand weit offen. Unter dem Fenster sammelte sich Regenwasser zu einer Pfütze und der Vorhang war vom Wind arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Das Bett stand leer und die Decke lag noch genau so zusammengefaltet auf der Matratze, wie sie Liam am Freitag zurückgelassen hatte. Ansonsten gab es keine Hinweise auf eine Entführung. Keine Schuhabdrücke, keine Stofffasern, keine auffälligen Gegenstände, nicht einen einzigen Anhaltspunkt. Vielleicht hätte die Spurensicherung der Polizei einen Hinweis liefern können, doch das Telefon lag mittlerweile kaputt in der Regenpfütze und liess sich nicht mehr einschalten. Er fragte sich, wie es die Typen geschafft hatten in die Wohnung einzudringen. Eine Frage, die ihm zum jetzigen Zeitpunkt niemand beantworten konnte. Vielleicht würde es sogar für immer ein Geheimnis bleiben.

      Er ging zurück ins Schlafzimmer. Lena schlief. Für Liam war es ein absurdes Bild.

      ‘Wie konnte sie bloss schlafen?’ fragte er sich. Also rüttelte er sie unsanft aus dem Schlaf zurück in die bittere Realität.

      “Wie sieht dein Plan aus?” fragte er direkt in ihr müdes Gesicht. Sie stöhnte.

      “Ich weiss es nicht”, murmelte sie, während sie sich die Augen rieb.

      “Wir brauchen ein Fahrzeug”, beantwortete Liam seine Frage. Lena setzte sich auf und stöhnte erneut.

      “Wo willst du denn hin?”, fragte sie verwirrt umher blickend, “du wirst dich in Gefahr bringen.”

      “Ich muss hier weg”, insistierte Liam. Er wurde sichtlich nervöser. Noch nie fühlte er sich so hilflos. Doch für ihn war klar, dass er nicht in der Wohnung bleiben konnte.

      “Ohne Risiko gibt es keinen Gewinn”, sagte er sich.

      “Ich frage meinen Nachbarn, ob ich mir seinen Wagen ausleihen darf”, sagte er bestimmt und verliess zielstrebig das Schlafzimmer. Er drückte zuerst sein Ohr gegen die Wohnungstüre und als er von draussen her keine Geräusche vernahm warf er einen prüfenden Blick durch den Türspion.

      Vorsichtig drehte er den Schlüssel und öffnete das Schloss. Es klickte unmerklich. Danach drückte er die Türklinke nach unten und öffnete die Türe einen Spalt breit. Im Treppenhaus war es ruhig und düster. Die Lampe, die über ihm an der Decke des Treppenhauses hing, war ausgeschaltet. Die Wohnungstüre seines Nachbarn lag in etwa drei Meter Luftlinie direkt gegenüber. Langsam setzte er einen Fuss auf den grauen Steinboden des Treppenhauses, beugte sich nach vorne und klopfte leise an die Wohnungstüre seines Nachbarn. Er hörte in dessen Wohnung Fussschritte näherkommen. Die Türe wurde geöffnet und ein junger Mann mit wilder Frisur erschien im Türrahmen. Er trug bloss schwarze Boxershorts. Das Kabel seines Kopfhörers schlängelte sich seinem durchtrainierten und Sonnenbank gebräunten Körper entlang. Auf der linken Brust prangte ein grosses Tattoo eines Löwenkopfes, mit gefährlich aufgerissenem Mund und scharfen Zähnen. Um den Hals trug er eine goldene Kette mit einem dezenten Kreuz als Anhänger. Als er Liam erblickte zog er den linken Stöpsel seines Kopfhörers aus dem Ohr. Liam musterte ihn und verfolgte ungläubig das Kopfhörerkabel, welches in seiner Boxershorts verschwand. Er fragte sich zugleich, ob es wirklich bequem sein konnte, seinen Ipod in der Unterwäsche herum zu tragen.

      “Guten Morgen Liam. Du siehst beschissen aus. Wie kann ich dir helfen?”, fragte sein Nachbar mit sarkastischem Unterton. Liam warf einen prüfenden Blick nach links in Richtung des Fahrstuhls. Der Nachbar tat es ihm gleich, ehe er ihn fragend ansah. Liam schüttelte eifrig mit dem Kopf, bevor dieser eine weitere Frage stellen konnte.

      “Darf ich mir deinen Wagen ausleihen?”, fragte er beinahe flüsternd.

      “Selbstverständlich”, antwortete der Nachbar, ohne die Lautstärke seiner Stimme auf den Flüsterton anzupassen und drehte sich zur Seite. Liam sah, wie er den Autoschlüssel von einem Nagel an der Wand entfernte. Nun wedelte er mit dem Schlüssel wild durch die Luft.

      “Ich hoffe du bringst ihn mir unversehrt zurück. Er steht unten in der Garage. Ich habe bereits die Winterreifen montiert, falls du damit in die Berge willst” meinte er mit einem künstlich ernsten Unterton und einem breiten Grinsen.

      “Natürlich”, antwortete Liam trocken, als er den Autoschlüssel entgegennahm. Er war froh, dass der Nachbar seinen Schlüssel nicht auch

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