Im Schatten des Todes. Aris Winter

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Im Schatten des Todes - Aris Winter

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dort in die Limmatstrasse ein und überquerte den Limmatplatz. Dort begann die Langstrasse.

      Er versuchte in der Nähe einen freien Parkplatz zu finden. Doch das war ein schwieriges Unterfangen. Das Auto war in der Stadt Zürich mit Abstand das mühsamste Verkehrsmittel, für das man sich entscheiden konnte. Eine reine Zumutung. Nebst dem hohen Verkehrsaufkommen gab es Dutzende von Fahrradfahrer, die sich nicht an die Verkehrsregeln hielten. Passanten, die blind durch die Strassen irrten. Tram und Busse, die auf ihren Vortritt beharrten. Ewige Baustellen, die zu Verkehrsbehinderungen und Umleitungen führten und es gab kaum freie Parkplätze. Liam wusste in jenem Moment, warum er normalerweise mit dem Zug zur Arbeit fuhr. Bei der Trennung wurde ihr gemeinsames Fahrzeug auf Lena überschrieben, da sie Bernard täglich zur Kindertagesstätte brachte und auf dieses angewiesen war. Somit hatte er keine andere Wahl, als den öffentlichen Verkehr in Anspruch zu nehmen. Mittlerweile schätzte er diesen. Nach gut zehn Minuten schien das Glück auf seiner Seite zu sein. Direkt neben einem kleinen Geschäft fand er eine freie Parklücke. Gekonnt zirkelte er seinen Wagen zwischen zwei geparkte Fahrzeuge und stieg aus.

      “Ich bin gleich zurück. Du bleibst hier solange sitzen”, befahl er Lena. Er wollte sich alleine um die Schusswaffe kümmern und konnte keine dummen Fragen seiner Frau gebrauchen. Es gab oft Momente, in denen sie Dinge hinterfragte, von denen sie keine Ahnung hatte. Liam nervte sich jeweils ab diesem Verhalten. Vor allem wenn er merkte, dass ihre Gesprächspartner bereits mit den Augen rollten. Für den Kauf einer Schusswaffe musste er möglichst seriös wirken und dumme Fragen würden bloss zu weiteren Rückfragen und Skepsis führen. Er zupfte sich seinen Schal unter der Jacke zurecht und machte sich auf den Weg durch die Langstrasse. Tagsüber war es zwar ruhiger, doch der Müll, welcher auf der Strasse herumlag, verlieh dem Quartier etwas Schmutziges und Verruchtes. Es war mit Abstand die dreckigste Strasse der Stadt. Um die Ecke einer schmalen Seitengasse, erblickte er ein staubiges Schaufenster, welches Jagdbekleidung und Wanderschuhe ausgestellt hatte. Es war das einzige Geschäft in der Umgebung, das ihm passend schien, um sich eine Schusswaffe zu besorgen. Er betrat das Geschäft und stellte fest, dass er der einzige Kunde war. Obwohl es von draussen her einen heruntergekommenen Eindruck hinterliess, war es im Inneren des Geschäftes hell und modern eingerichtet. An den Wänden hingen Trophäen von geschossenen Tieren. Allerhand Geweihe von Steinböcken, Gämsen und Hirschen. Ausgestopfte Tierköpfe starrten ihn von den umliegenden Wänden aus an. An der hinteren Wand hingen Fischerruten und Jagdgewehre mit dazugehörigem Material. Im Mittelgang sah er diverse Kleiderständer mit Jacken, Hosen und Wanderschuhen sowie Gummistiefel und Regenpelerinen. Es roch eigenartig nach Natur, Holz und Kautschuk. Linkerhand neben der Eingangstüre befand sich die Kasse. Ein junger Verkäufer, ungefähr Ende zwanzig, mit schulterlangen, braunen Haaren und Brille mit breiter Umrahmung stand hinter einer Art Tresen aus schwerem Kirschholz. Mit seinem Vollbart und der Modekollektion des Geschäftes, die er trug, wirkte er wie ein Förster.

      “Wie kann ich ihnen helfen?”, fragte er mit tiefer Stimme. Liam stellte sich vor den Tresen und räusperte sich kurz.

      “Ich brauche eine Schussweste und eine neun Millimeter”, sagte er mit ernster Miene. Der Verkäufer lachte trocken.

      “Was haben sie denn vor?”, fragte er schliesslich, als er bemerkte, dass die Frage ernst gemeint war.

      Liam schwieg und warf ihm einen erwartungsvollen Blick zu.

      “Ich habe eine Faustfeuerwaffe, aber für Schusswesten sind sie hier an der falschen Adresse”, meinte der Verkäufer zögerlich.

      “Vielleicht probieren sie es weiter vorne bei der Polizeistation”, scherzte er. Liam grinste verlegen.

      “Normalerweise schiessen die Tiere bei der Jagd nicht zurück, daher brauchen Jäger auch keine Schussweste”, erklärte er freundlich. Liam war es sichtlich peinlich. Er brauchte keine weiteren Erklärungen.

      “Was haben sie für Faustfeuerwaffen?”, unterbrach er das Gespräch. Der Verkäufer verstummte und verschwand in die hintere Ecke, wo sich auch ein Lager befand. Als er wieder zurückkam legte er ihm eine schwarze Pistole auf den Tresen.

      “Ich kann ihnen diese empfehlen. Es ist eine halbautomatische Pistole. Zur Nachladung verwendet sie die Rückstossenergie. Das erspart ihnen nach dem Abfeuern eines Schusses das mühsame Nachladen von Hand. Etwas anderes kann ich ihnen leider nicht anbieten”, erklärte der Verkäufer freundlich.

      “Was ist das für eine Marke?”, fragte Liam. Die Waffe kam ihm bekannt vor.

      “Das ist eine SIG P220. Sie wird vom Schweizer Militär verwendet”, antwortete der Verkäufer.

      “Ich wusste gar nicht, dass ihr diese auch für die Jagd benutzt”, sagte Liam überrascht.

      “Ehrlich gesagt machen wir das auch nicht. Eigentlich ist es meine persönliche Dienstwaffe. Da ich aber die Schnauze voll hatte von diesen Militärs leiste ich seit kurzem Zivildienst und deshalb brauche ich sie nicht mehr. Also dachte ich mir spontan, ich könnte sie auf diese Weise loswerden. Das Zeughaus ist mir einfach zu weit entfernt.”

      Jetzt war es Liam der laut lachte. Der Verkäufer strich sich verlegen durch das Haar und richtete sich seine Brille zurecht.

      “Gibt es auch Munition? Oder muss ich mir diese selbst besorgen?”, fragte er, nachdem er sich wieder eingekriegt hatte.

      Der Verkäufer griff in seine Hosentasche und zog eine viereckige, graue Schachtel hervor.

      “Natürlich. Ich habe damals eine aus der Kaserne mitgehen lassen”, meinte er stolz.

      “Unglaublich”, sagte Liam kopfschüttelnd. Er starrte einen Moment lang auf die Waffe, welche auf dem Tresen lag.

      “Wieviel wollen sie dafür?”, fragte er schliesslich interessiert.

      “Nehmen sie es einfach mit. Ich bin froh wenn ich das Zeug los bin”, antwortete der Verkäufer und streckte ihm die Packung entgegen.

      “Einen Waffenschein habe ich selbstverständlich nicht”, meinte Liam beiläufig, als er die Waffe in seinen Händen begutachtete. Der Verkäufer schmunzelte.

      “Sehe ich aus wie ein Polizist?”, fragte dieser ironisch. Liam zuckte mit den Schultern und verabschiedete sich.

      Er steckte die Waffe mitsamt der Munition in die Innentasche seiner Jacke und fühlte sich wie ein Gangster.

      ‘Der Gangster der Langstrasse’ dachte er für sich und grinste süffisant. Zielstrebig ging er der Strasse entlang, zurück zum Hyundai.

      Lena musterte ihn unauffällig, als er sich wieder hinter das Lenkrad setzte.

      “Wo willst du jetzt hin?”, fragte sie, nachdem er den Motor gestartet hatte.

      “Zum Flughafen”, antwortete Liam, “ich habe während des Gesprächs mit Kevin in seinem Hintergrund eine Lautsprecherdurchsage gehört, welche ich nur vom Flughafen her kenne. Ich will ihn finden, bevor er uns entwischt. Sollte er sich ins Ausland absetzen sind wir erledigt.”

      Lena schwieg. Liam fuhr aus der Parklücke und folgte der Langstrasse, über den Limmatplatz zum Sihlquai, wo er die Limmat erblickte. Die Fahrt würde ohne Verkehr maximal zwanzig Minuten dauern. Es war eine der wenigen Strecken, die er beinahe auswendig kannte. Er folgte dem Sihlquai bis zu deren Ende. Dort kreuzte sich die Museumsstrasse, welche den Bahngeleisen des Sackbahnhofs entlang führte. Auf der linken Seite sah er das Nationalmuseum. Ein pompöses Haus, das aussah wie ein Schloss. Der Verkehr war zäh. Überall gab es Lichtsignale. Er rollte im stockenden Verkehr über die Walchebrücke, welche die Limmat

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