Ganz für sich allein. Werner Koschan
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Und dann habe ich Angst. Hundserbärmliche Angst. Bisher war alles - na ja nicht gerade alles - irgendwie geregelt gewesen. Hunger, Sorge, Not, ja schon. Und nun, den abgetrennten Stern in der einen Hand, das nackte Jackett in der anderen spüre ich - Gott wie kitschig - den Hauch des Schicksals. Den Atem der vergangenen zweitausend Jahre. So muss es einem Fallschirmspringer beim ersten Absprung gehen. Bis dahin kann man beinahe alles rückgängig machen oder zumindest den letzten Schritt nicht tun. Nun kann ich nichts mehr rückgängig machen. In diesem Café habe ich mit ein paar Schnitten mein Leben aufs Spiel gesetzt. Und jetzt muss ich da durch, egal, was geschieht! Auf jeden Fall erst mal weg hier.
Ich verpacke die Klinge im Fettpapier, lege das Briefchen unter die Einlegesohle und schlüpfe in den Schuh. Den Mantel werde ich nicht liegen lassen. Das wäre ein schlechter Dank für die Freundlichkeit dieses Menschen. Tja, Chuzpe, wird dringend Zeit, dass ich selbst wieder etwas von meiner längst verschütteten Dreistigkeit zurückgewinne. Mir fällt unvermittelt meine Studentenzeit ein. Wieso gerade in diesem Augenblick? Beeilen sollte ich mich, statt in Gedanken herumzutrödeln. Aber es denkt sich ganz von allein. Dagegen kann ich nichts machen.
Wir mussten juristische Probleme lösen. Meine Aufgabe bestand darin, einen Fall aus dem Jahre 1925 zu beurteilen, in dem ein Sohn beide Eltern erschlagen hatte und nun um mildernde Umstände bat. Wie ich nach Recht und Gesetz hätte urteilen müssen, war mir bewusst. Andererseits wollte ich mal sehen, was geschieht, und zum Erstaunen meiner Kommilitonen und des Prüfungskomitees schlug ich vor, mildernde Umstände zu gewähren, da es sich bei dem Mörder nun ja schließlich um einen Vollwaisen handelte. Meine Kommilitonen lachten lauthals und die Prüfer schmunzelten über die Idee. Und wenn ich aus diesem ganzen Schlamassel herauskommen will, muss ich meine Unverfrorenheit, zumindest Stück für Stück davon, wirklich schnellstens wiederfinden.
Ich lege den Rucksack an. Dann wickele ich den Mantel auf links und hänge ihn mir dergestalt über die linke Schulter, dass er die Stelle verdeckt, an welcher vormals der Stern auf meinem Jackett befestigt war. Das erscheint mir doppelt sicher - na also, geht doch. Frechheit steh mir bei! Ein absurdes Gefühl, zwölf Jahre lang hatte ich den Kopf eingezogen und jederzeit den ... hm ... eingekniffen. Wenn es mir verboten worden wäre zu atmen, hätte ich vermutlich selbst dann zu gehorchen versucht; und nun, heute, durch unbegreifliche Verstrickungen getrieben, stolpere ich von einer Ungehorsamkeit in die nächste. Vor Furcht und Sorge sollte ich vergehen und was ist? Ich mache mir nur Sorgen um Carola. Wenn ihr nur nichts geschieht. Mir selbst bin ich beinahe völlig wurscht, mir macht diese ganze Geschichte sogar irgendwie Spaß. Mir graut vor mir selbst. Rund um mich herum geht die Welt zum Teufel, wegen dieser Teufel in Uniform, die mit der Teufelei begonnen haben und mir kommt es vor, als ob mich das nichts mehr angeht. Mir und mich - ulkigerweise hat der Berliner das gerade so wundervoll dialektisch definiert: Mir kann keiner, aber mich können sie alle!
»So. Und nun nix wie nach Hause. Vielleicht ist Carola ja schon da.« Ich rede zu mir selbst. Genau, vielleicht erwartet sie mich ja längst ungeduldig mit einer Tasse Tee. Gott, wäre das schön!
Da fällt mir ein, dass ich meine Kennkarte mit dem deutlich eingestempelten ›J‹ in der Manteltasche trage. Muss man ja stets mit sich tragen. Andererseits kann ich, falls ich kontrolliert werden sollte, nicht ohne Stern und mit J-Karte dastehen. Der Ausweis muss weg! Aber wenn etwas in der Forststraße schiefgeht, soll ich die Karte als Identitätsbeweis zeigen. Wieso eigentlich? Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Nur weil jemand eine J-Karte hat, bedeutet das nicht, dass er nicht doch von der Gestapo geschickt ist. Was nun?
Am besten stecke ich das Ding in die Unterhose - wird ja wohl niemand drin suchen wollen.
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