Angelo. Martin Renold

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Angelo - Martin Renold

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trat in den düsteren Raum. Er blickte sich um. Es war niemand da. Hinter dem Fenster, greifbar nahe, hing die Uhr an der Kette.

      „Beeile dich!“, sagte eine Stimme in ihm. Er schaute sich nochmals um. Wirklich, er war allein. Angelo streckte seine Hand aus. Jetzt fasste er die Uhr. Das kalte Metall machte ihn schauern. Er zog. Die Kette fiel vom Nagel und schlug rasselnd auf einen Bilderrahmen nieder. Angelo schrak zusammen. Schnell steckte er die Uhr mitsamt der Kette in die Tasche und trat wieder vor die Tür. Der Mann stand droben an der Gasse und spähte in die andere Straße hinein.

      Angelo begann zu laufen, in die andere Richtung, um die nächste Ecke, durch die nächste Gasse. Er lief, so rasch er konnte. Erst weit weg vom Ort seiner Tat blieb er stehen. Er griff in seine Tasche. Er fühlte etwas Festes, Rundes, aber es war nicht mehr kalt. Er nahm es in seine feuchte Hand. Die Uhr war schön, und er hätte sie gerne noch länger betrachtet. Aber er musste sie wieder in die Tasche zurückstecken.

      Er wischte sich den Schweiß von den Händen an der Hose ab. Dann ging er weiter, vorsichtig um sich blickend, ob ihn niemand verfolge. Kein Mensch, nur das schlechte Gewissen verfolgte ihn.

      Auf der Piazza Colonna traf er seine Freunde.

      „Hast du die Uhr?“, fragte ihn Mario leise. Angelo nickte.

      Sie gingen gegen die Piazza Venezia hinunter.

      „Kommt hier in diese Gasse!“, sagte Mario und zog seine Kameraden mit sich.

      „Gib mir die Uhr!“, forderte er Angelo auf.

      Der zog sie aus der Tasche und übergab ihm die Uhr mit der silbernen Kette, die daran hing.

      „Sie ist schön“, sagte er, und sein Blick streifte sie mit Stolz. Am liebsten hätte er sie behalten.

      „Was machst du damit?", fragte Lorenzo.

      „Kommt mit, ihr werdet es gleich sehen“, forderte Mario sie auf.

      Sie gingen wieder zurück über die Piazza Colonna und die Via del Tritone hinauf.

      „Bleibt hier und wartet!“, befahl Mario, nachdem sie eine Weile gegangen waren. „Ich kenne einen Jungen, der mir Füllfederhalter dafür gibt. Er hat sie mir versprochen, wenn ich ihm die Uhr dafür bringe“

      Mario ging.

      „Was ist das: Füllfederhalter?“, fragte Angelo.

      Lorenzo hob die Schultern. Er wusste es auch nicht. „Das ist etwas zum Verkaufen“, sagte er nach einer Weile, „etwas, wofür wir Geld bekommen.“

      Angelo war zufrieden. Mario würde schon wissen, was Füllfederhalter sind, ihm konnte man vertrauen. Er war nicht umsonst der Älteste und Größte. So viel wie Mario wusste gewiss niemand. Wie klug hatte er sich doch alles ausgedacht mit dieser Uhr.

      Als Mario zurückkam, trug er zehn Füllfederhalter bei sich. Drei gab er Lorenzo und drei Angelo. Den Rest behielt er.

      „Was sind das?“, fragte Angelo.

      „Füllfederhalter“, sagte Mario.

      „Aber was macht man damit?“, wollte Angelo wissen.

      „Verkaufen“, erwiderte Mario.

      „Siehst du, wie ich dir gesagt habe“, warf Lorenz dazwischen, stolz, dass er es gewusst hatte.

      „Aber ich meine, wenn wir sie verkauft haben, was machen dann die anderen damit?“, bohrte Angelo weiter.

      „Die schreiben Briefe“, erklärte Mario, „siehst du, so“, und er nahm einen Füllfederhalter und schrieb in großen Buchstaben ROMA auf eine Speisekarte, die vor einem Restaurant angehängt war.

      Angelo und Lorenzo staunten.

      „Zweitausendfünfhundert Lire kostet einer. Unter der Hälfte dürft ihr sie nicht verkaufen.“

      „Und für die Hälfte dürfen wir sie geben?“, fragte Lorenzo.

      „Ja“, sagte Mario, „aber nur wenn ihr nicht mehr dafür bekommt.“

      “Warum dürfen wir sie dann für die Hälfte geben, wenn sie zweitausendfünfhundert Lire kosten?“, fragte Angelo.

      „Dummkopf“, erklärte ihm Mario, „sie sind eben nur die Hälfte wert, aber man muss zuerst immer dass Doppelte verlangen. Das macht man so.“

      Angelo verstand. Wenn Mario sagte, dass man es so macht, dann stimmte es, und man musste es so machen.

      „Natürlich könnt ihr sie nur den Amerikanern verkaufen“, belehrte sie Mario, die amerikanischen Soldaten haben viel Geld und kaufen alles. Das weiß ich von dem Jungen, der mir die Füllfederhalter gegeben hat. Der hat einmal einem Amerikaner ein Abzeichen von einer italienischen Uniform verkauft und dafür viel Geld erhalten. Man muss nur aufpassen, dass einen kein Polizist sieht.“

      Sie trennten sich, denn es war Zeit, sich wieder einmal etwas Essbares zu suchen.

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