Im Vorhof zur Hölle. Beatrix Falkenstein
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Читать онлайн книгу Im Vorhof zur Hölle - Beatrix Falkenstein страница 3
Dann hörte ich immer wieder in meinem Kopf dieses Lied „Hallelujah“. Es machte mich so unendlich traurig und ich sah Dich immer wieder an meinem Grab stehen und weinen. Immer wieder dieses Lied. Kloß und Tränen. Und dieses Lied. Und Du in Tränen aufgelöst.
Plötzlich fiept mein Handy: Na, hast Du es hinter Dir?
Da warst Du. Ja, ich habe es hinter mir und es ist Krebs. Kann man das so schreiben? Eher nicht. Lieber anrufen.
Ich fühlte, wie Du am anderen Ende des Telefons zusammensackst und auch Deine Welt nun ruckartig zum Stehen gekommen war.
„Ich will nicht sterben“, flüsterte ich unter Tränen. Ich fühlte, wie Du Dich zusammen gerissen hast und Deinen Körper unter Spannung setztest.
„Das wirst du auch nicht, glaube mir.“
Dein Halt tat so gut, dass ich fast unbeschwert alles berichten konnte. Was gemacht wurde, was weiter passiert, wie es mir geht und wann ich heute nach Hause komme.
Mir ging ein einziger Gedanke immer wieder durch den Kopf: Ich will es niemandem sagen. Ich will mit niemandem darüber sprechen. Ich will kein Mitleid, keine Ratschläge und keine blöden Sprüche!
Im Büro war es nicht so schwierig. Nur der Kollege da und tief geschockt, aber „das wird sicher wieder“. Es gäbe ja Hoffnung, dass die Histologie am nächsten Tag etwas anderes sagt. Ich glaubte nicht an das Wunder, aber ihm tat es gut.
Abends trafen wir uns, umarmten uns weinend. Immer wieder liefen Tränen. Du hattest Angst; so wie ich. Wir mussten das irgendwie verarbeiten und uns neu sortieren.
Die Welt stand plötzlich still und alles war anders. Was ich damals noch nicht wusste, war die Tatsache, dass es auch nie mehr so wie vorher werden würde. Vielleicht würde es aber besser?
Kapitel 2
Am nächsten Tag wartete ich vergeblich auf den ersehnten Anruf. Im Geschäft konnte ich mich kaum konzentrieren. Um 15.30 Uhr rief ich dann selbst in der Brustklinik an.
Knappe Antwort: „Die Histologie steht noch nicht im PC, Sie müssen Montag wieder anrufen, ja?“
Für kurze 10 Sekunden resignierte ich, dann holte ich Luft und meine Stimme tönte eine gute Nuance lauter durch den Hörer: „Sie verstehen hier etwas nicht ganz. Ich habe Krebs und Sie sind aufgefordert, eigeninitiativ in der Pathologie anzurufen, weil davon nämlich das gesamte, für Montag terminierte Staging abhängt. Also, auf geht es. In 10 Minuten erwarte ich Ihren Rückruf bei mir.“
Ich legte auf. Nach weniger als 10 Minuten erhielt ich tatsächlich einen Rückruf: ein Karzinom, bösartig, Staging am Montag gesetzt.
Jetzt blieb ganz viel Zeit zum Grübeln, interpretieren und spekulieren. Ich wusste immer noch nicht, wie es weiter geht und hatte zu dem Zeitpunkt keine Vorstellung von dem Ausmaß der Behandlung, die mich treffen würde.
Ich versuchte mich abzulenken, zu lesen, aber meine Gedanken schweiften immer wieder ab. Als Du dann heim kamst, redeten wir so viel, bis wir wieder am Anfang standen. Wir weinten auch viel. Immer, wenn Du mich ansahst, stiegen Deine Tränen auf.
Das musste sich ändern. Wir konnten doch nicht nur noch mit geschwollenen Augen durch das Leben gehen. Aber das war die Trauerzeit, die man braucht, um mit der Diagnose fertig zu werden. Heute weiß ich das. Vorher tat es einfach nur unendlich weh, Dich so traurig zu sehen.
Am Montag ging es dann los: die erste Odyssee des Krebs-Marathons begann. Um 8.00 Uhr bekam ich in der Nuklearmedizin mein Technicium gespritzt. Dem Himmel sei Dank, dass ich privat versichert bin, so durfte in ins gute Wartezimmer und musste weniger lang warten.
Mit dem ersten Gift im Körper schickte man mich zum Röntgen der Lunge, danach hatte ich etwas Zeit für einen Kaffee und ging dann zum Oberbauchultraschall. Man setzte mich auf den Flur; ich strahlte ja und sollte die schwangeren Frauen nicht „erleuchten“.
Soweit waren alle Untersuchungen ohne Befund und ich ging nochmal in die Brustklinik, um meine Arbeitsunfähigkeit für diesen Tag abzuholen. Auf dem Weg traf ich meine Heilerin. Sie nahm mich mit in ihr Büro und um sich mit mir den Pathologiebefund anzusehen. Ich musste wieder weinen und sagte leise: „Ich habe solche Angst zu sterben. Wenn es hilft, nehmen Sie mir doch bitte beide Brüste ab!“ Sie kam um ihren Schreibtisch herum und nahm meine Hände in ihre.
„Sie werden nicht sterben, dafür werden wir gemeinsam alles tun, was nötig ist. Der Tumor ist ein G2, hormonabhängig und sehr gut behandelbar. Sie haben eine 84 %ige Chance, ohne Metastasen steinalt zu werden, das ist mehr wie bei allen anderen Tumoren. Eine Brustamputation hilft hier leider gar nichts, da das eine systemische Erkrankung ist.“
Man konnte also sagen, ich habe richtig Glück gehabt?
„Wir könnten Sie nächste Woche Freitag operieren und am Donnerstag müssen Sie zum Sentinel. Aber darüber reden wir, wenn ich die Ergebnisse aus der Nuklearmedizin habe. Können Sie am Donnerstag nochmal in meine Sprechstunde kommen? Ich schiebe Sie dazwischen.“
In diesem Moment durchfließt mich ein Hochgefühl. Ich bin zu allem bereit, ziehen wir in den Kampf!
Wie komisch sich das anfühlt in dieser Situation! Aber es hilft, es geht mir schlagartig besser. Ich danke ihr und gehe, um mir noch rasch die Bescheinigung für den Arbeitgeber zu holen und danach zum Knochenszintigramm zu gehen.
Das geht aber nicht so einfach, wie gedacht.
„Arbeitsunfähigkeit? Da müssen Sie später nochmal herkommen, es ist ja niemand zum Unterschreiben da. Am besten nach dem Szinti, da haben Sie ja dann noch genügend Zeit.“
Ich schaue die Schwester ungläubig an: wieder herkommen? Zum x-ten Mal durch das gesamte Klinikgelände marschieren, obwohl es mir wirklich nicht sehr gut geht? Sie nickt ungerührt.
Ich sage nur: „Vergessens Sie es, ich bin nicht hier, um die Fußwege der Uni zu erkunden.“
Dann drehe ich mich um und gehe.
In der Nuklearmedizin dauert es sehr, sehr lange. Mir ist kalt, ich habe Hunger, liege unbequem und die Kolleginnen dort sind wenig interessiert am Patienten. Zudem wird gerade auch ausgebildet. Ein junger MTRA-Schüler betreut mich. Er sollte noch viel lernen, bevor er alleine auf die Patienten losgelassen werden darf. Meine Fragen kann er mir nicht beantworten und einmal schiebt er den Tisch so heftig in die Halterung, dass ich ein Stück herunter rutsche. Er entschuldigt sich kleinlaut.
Ich bitte darum, aufstehen zu dürfen, aber er lehnt das ab.
„Sie müssen schon noch warten, ob die Bilder gut sind. Dann dürfen Sie sich erst wieder anziehen.“
„Ich muss aber zur Toilette.“
„Naja, dann gehen Sie mal hier schnell über den Flur.“
Als ich zurückkomme, ist die MTRA wieder da. Sie fragt mich, ob ich irgendwo schon mal etwas gehabt hätte, z.B. an der