Der gelbe Himmel und die graue Ebene. Jörg Röske
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Читать онлайн книгу Der gelbe Himmel und die graue Ebene - Jörg Röske страница 3
Da stellte er sich wieder an die säumende Mauer, legte seine Hände auf den warmen Stein zwischen zwei Zinnen und spürte einen kühlenden und wohltuenden Luftzug. Jero schloss genießend die Augen, fühlte sich leichter und befreit vom notwendigen Metall, das ihn vor den Anschlägen der Täglichkeit schützte. Dabei vernahm er das leise Knattern des Gebälks und der Stricke und Seile seines Segelschiffs, das vertäut am Sturmfried lag, sich im Luftmeer sanft hin und her wog.
Jero bemerkte, dass er für einen kurzen und unbedachten Moment eingenickt war, wankte duselnd von der Zinnenmauer weg und legte sich auf den Boden aus schwarzem Stein.
Die Kühle des späten Abends weckte den Ritter und er fröstelte. Unwillkürlich richtete er sich auf und tastete - sich auf den rechten Arm stützend - nach innerer Orientierung. Es gelang ihm nicht, und es dauerte eine geraume Weile, bis er seinen Blick erhob und die dunkelblauen Wolken sah. Ein kleines Quantum Frische ließ den Ritter auf die Beine kommen, und in der Ferne sah er den letzten Hauch des lichten Tages.
Jero roch in den wohltuenden Abendwind hinein und genoss dessen Würze. Allmählich gewann des Ritters innere Substanz an Form und Gestalt, und er schritt die Zinnenmauer entlang. An seinem Schiff angekommen, dessen Deck sich nur wenig unter dem Mauerrand befand, bedachte er es mit einem prüfenden Blick und setzte dann seinen Weg fort.
Und da sprang - intensiv wie das Leuchten eines Smaragds - ein grünes Licht in den Blick des Ritters, der wie angewurzelt stehen blieb. Gleichzeitig schaute er in das Zentrum der Aufmerksamkeit und sah wieder jenen grünen Schimmer, der durch das offene Burgtor in den Burghof hineinschien.
Mysterium
Da riss ein Gedanke Jero aus seiner Starre. Er wähnte eine Bedrohung, schnappte sich den Gürtel mit dem Schwert und hängte ihn sich um. Dann kletterte er auf sein Segelschiff und hangelte sich von der Steuerbordseite an einem der vom Schiffsrumpf herabhängenden Seile hinunter zum Boden der graue Ebene. Dort angekommen, hob er die Scheide auf und zog das mattgrau und blankpoliert erscheinende Stahlschwert aus ihr heraus. Dabei sah er in die Richtung des Turmes mit dem Spitzdach, der der höchste war und Sanctuarium hieß. In der rechten das mit eckigen und runden Elementen ornamental verzierte Schwert haltend und mit der linken voraus spürend, schlich Jero nahe der Burgmauer zum Zentrum seines Blicks. Dieses erreicht, folgte er der Rundung des schmaleren Turms, tat dies jedoch langsam und mit Bedacht, denn auf der anderen Seite lagerte und lauerte das Unbekannte, das seinen Hort zu bedrohen schien. Kurz hielt der Ritter inne, umfasste bewusster und fester das schwere Stahlschwert, atmete einmal durch und überwand dann die letzte Distanz.
Vor ihm befand sich sein Burgtor in dunklem Frieden und er tat einige Schritte, schaute dann suchend umher. Jero hielt erneut inne, denn die Angreifer wähnte er nun in der Burg. Er stürmte los, bangte um seinen Hort. Mit schlagbereitem und auf Schulterhöhe erhobenem Schwert stand er vor dem Tor seiner Burg und schaute in die Dunkelheit des Hofs. Sein Blick flog umher, suchte nach der Bedrohung. Der Ritter war verwirrt, er sah niemanden, und hier gab es auch keinen grünen Lichtschein. Der nächste Gedanke ließ Jero zum Sturmfried eilen, den er leer und unberührt vorfand, und ebenso verhielt es sich mit dem Sanctuarium, das einst der Glockenturm einer Kirche gewesen sein soll.
Kriegswirren und umherstreunende Landsknechte hatten den Ort geplündert und in Flammen aufgehen lassen - so munkelten die Leute. Später hatte ein Unbekannter die Burg gebaut, und nach einer weiteren Zeit war Jero gekommen, hatte sie verlassen vorgefunden und war in das Schutzgemäuer eingezogen.
Den dritten Turm, der der kleine Turm genannt wurde, bedachte er nur mit einem flüchtigen Blick, denn zu ihm gab es keinen Zugang. Schon oft hatte er versucht, in ihn hinein zu gelangen und hatte keinerlei Tür, zu enge Schießscharten und ein äußerst stabiles Mauerwerk vorgefunden.
Einmal war er an einem Seil an der Außenwand hochgeklettert und auf das mit einer Zinnenmauer bewehrte und ebene Dach des kleinen Turms gelangt. Eine Luke mit einem Deckel aus Eichenholz hatte der Ritter vorgefunden, der sich nicht bewegen ließ - gleich, mit welcher Kraft und Anstrengung Jero an dem daran angebrachten Eisenring zog. Ein plötzlich aufgekommenes Gewitter hatte ihn vom kleinen Turm vertrieben und ihn Schutz im Sturmfried suchen lassen. Seitdem war der kleine Turm mit seinem Geheimnis in Vergessenheit geraten.
Nun stand der Ritter in dem Hof seiner Burg, starrte auf das offene Burgtor, senkte allmählich das schwere Schwert.
Dann ging er nochmals zum Tor, trat hindurch und spähte hinaus. Dort war alles friedlich. Der Ritter entdeckte in der weiten Ebene keinerlei Bewegung, und der kühle Abendwind strich Jero durch sein schwarzes Haar. Da roch er den sanften Wind und genoss mit geschlossenen Augen dessen Würze.
Blitzschnell öffnete er sie wieder, wähnte er doch einen Schatten auf ihn zu kommen. Doch die Landschaft vor ihm war unverändert, und mit seinem Schwert in der Hand strich er einmal um seine Burg herum.
Für diese Nacht schloss er das Burgtor, schob dessen Flügel zusammen und hob den schweren Riegel in die Halterungen aus Eisen. Dann kehrte er zurück zum Sturmfried, entledigte sich seines Schwertgürtels und legte sich auf seine Schlafstätte auf dem Quaderring. Das Stroh unter ihm knisterte, und in dieser Nacht trank er kein Bier, denn in ihm gärte anderes.
Orakel
Ritter Jero erwachte, sah einen morgendlichen und frischen Lichtstrahl, der durch die offene Turmluke oben im Turmdach ins Turmesinnere drang und den Schauenden mit seiner bläulichen und sanften Helle erfreute - eine seltene Geste der Natur. Jeros Lächeln war verhalten, kaum vernehmbar - war er doch ebenso kaum solche Dinge gewöhnt.
Eine Weile schaute er zu dem Lichtstrahl, der in seiner Art bestimmt war, mit dem Wollen zu erhellen. Jero spürte schon fast das Knistern des immanenten Lichtfeuers, das entzündet wurde durch die Partikel des Turmnebels, der in sanften Schwaden mit unendlicher Langsamkeit das Turmesinnere durchzog. Der Ritter fühlte eine Wärme in seinem Innern, und da stand er auf.
Er stieg die Steintreppe hinauf, die im Kreis an der Turmwand verlief und genoss die Sonne und den frühlingshaften Wind. Jero atmete tief die würzige Luft ein und als er seine Augen wieder auftat, bemerkte er ein zweites Segelschiff, das neben seinem sanft im Wind dümpelte.
Im nächsten Moment duckte er sich, denn einen Wimpernschlag davor hatte er das Heranrauschen einer Stahlklinge vernommen. Wenige Schritte vor sich entdeckte er seinen Morgenstern, der silbrig im Licht der Sonne glänzte und war mit einer Rolle vorwärts bei ihm. Schnell zog er den braunen Holzstiel aus dem grauen Lederschaft und schwang die gefährliche Waffe.
Die mit stumpfen Stacheln bewehrte Kugel traf die Stahlklinge, wehrte den nächsten Hieb ab - krachend und Funken stiebend. Laut wurde es auf dem Sturmfried, Edelmetall und harter Stahl krachten aufeinander - unerbittlich.
Jero schwang energisch seinen Morgenstern, hob auf den Angreifer ein, der schon fast verzweifelt und erfolgreich die heran sausende Kugel mit seinem Schwert abwehrte. Da schlug ein kräftiger Kugelschwung dem anderen das Schwert aus der Hand, so dass es durch die Luft flog, an die Zinnenmauer schmetterte und auf den Steinboden krachte.
Dann gab es einen Moment Ruhe, Jero spürte die warmen Strahlen der aufsteigenden Sonne und den leichten Wind, während er hinüber zu dem großen Mann sah, der in eine rostbraune und helmlose Rüstung aus Leder und Metall gekleidet war und des Ritters Blick erwiderte. Jero löste sich aus der stillen Verbindung, steckte den Stiel der brutalen Waffe in dessen Schaft und hängte sich den langen Gürtel um. Dann stieg er hinab, hinein in den Turm und öffnete das Holzfass, in dem