Wo du hingehst, will ich nicht hin!. Wilma Burk

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Wo du hingehst, will ich nicht hin! - Wilma Burk

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erscheinen ließ? Waren es die Illusionen, die sich in dem strahlenden Blick meiner Schwester Traudel ausdrückten, mit denen sie in die Ehe ging, genauso wie ich an meinem Hochzeitstag? Und was konnte man aus dem Blick meiner Nichte Susanne lesen, die doch bewusst sagte, solche Illusionen, wie Traudel und ich, wie unsere Generation sie noch hatte, die wollte sie sich erst gar nicht machen? Sie glaubte ja, so natürlich, so realistisch über alles zu denken. Nein, sie machte sich bestimmt nichts vor, Ehe - na gut, aber ohne Ehe wäre es auch nicht anders, meinte sie. Nur wegen der Kinder, wegen der immer noch veralteten gesellschaftlichen Meinung und der Gesetze, hatte sie ja gesagt. Sie hätte lieber allen bewiesen, dass man auch ohne Ehe genauso gut, wenn nicht noch besser miteinander leben könnte. Doch war das nicht auch eine Illusion, nur eben auf andere Art als bei Traudel und mir?

      Ich stellte die Bilder zurück zu den andern, zu dem, auf dem Konrad liebevoll lächelte, zu dem, wo sich Mama an Papas Arm festhielt und voller Zuneigung zu ihm aufsah, zu dem, das meinen Bruder Bruno mit Frau und Tochter in Australien zeigte, und zu dem, auf dem die drei noch jungen, übermütig grinsenden Kinder von Traudel und Karl-Heinz zu sehen waren. Da stand meine Nichte Susanne als Älteste, die nun schon eigene Kinder hatte, neben ihrem Bruder Klaus und ihrer kleinen Schwester Regina. Der kleine Nachkömmling Regina fiel auf durch ihre eigenwillig jungenhaft kurz geschnittenen roten Haare. Sie mochte nun einmal keine langen Haare. Als Mama das durchsetzen wollte, hatte sie einfach die Schere genommen und sich selbst einen entsetzlichen Fransenkopf geschnitten. Karl-Heinz hatte sich darüber kaputtgelacht und sie gleich fotografiert, er konnte die Empörung von Mama und Traudel nicht teilen. Sein Liebling, das Nesthäkchen, war ihm recht in ihrer burschikosen Art, wo doch sein Sohn Klaus so ein sensibler, feinsinniger, langhaariger Typ war, gar nicht ein Junge, wie er ihn gern gehabt hätte. Klaus, heute zweiunddreißig Jahre alt, war auch später eine homosexuelle Beziehung mit einem Mann eingegangen. Mit ihm lebte er seit vielen Jahren in München zusammen. Beide arbeiteten dort in einer bekannten Modefirma, Klaus in seinem Traumberuf als Modedesigner. Nur schwer hatte sich Traudel damit abgefunden. Karl-Heinz dagegen meinte, wenn der Junge nur so glücklich werden kann, dann müsse man es hinnehmen. Regina aber, jetzt einundzwanzig Jahre alt, war so, wie es ihm gefiel, sie teilte seine Interessen. Stundenlang konnten die beiden über die neuesten Autotypen fachsimpeln. Sie war eben ganz seine Tochter. Sie hatte gerade bei ihm in der Werkstatt eine Lehre zum Kfz-Mechaniker hinter sich gebracht und wollte unbedingt sobald als möglich ihren Meister machen, denn eines Tages sollte sie das „Autohaus Roth“ übernehmen und weiterführen. Klaus hatte nie Interesse daran gezeigt, und Susanne hatte es bald verloren, als sie ihr erstes Kind bekam und eigenwillig darauf bestand, trotzdem Robert nicht zu heiraten, aber mit ihm zusammenzuleben. Dann hatte sie ihre ganze Kraft und Begeisterung in den Aufbau dieser heruntergekommenen Boutique gesteckt. Manchmal verstand Karl-Heinz Susanne, seine Große, nicht. Doch er würde es ihr nie sagen.

      Ich konnte mir denken, was Karl-Heinz dazu sagte, dass Susanne ihre Geschäfte aufgeben und mit Robert hierher ziehen sollte. Wahrscheinlich hob er abwehrend beide Hände, falls Traudel ihn um seine Meinung drängte. „Diese Entscheidung ist schwierig genug, da mische ich mich nicht auch noch ein. Das müssen die beiden allein miteinander ausmachen“, so oder ähnlich würde er sich äußern. Doch dass Traudel sich einmischte, konnte er bestimmt nicht verhindern. In Gedanken hörte ich, wie sie Robert Vorwürfe machte.

      Und welcher Meinung war ich? Wenn ich ehrlich war, so hoffte ich, Susanne würde nachgeben und bald wieder in meiner Nähe leben. Ich freute mich auf sie, auf Robert und ihre drei Kinder. Christine, die Älteste davon war temperamentvoll und manchmal eigensinnig mit ihren dreizehn Jahren. Dagegen war Daniela die Ruhige, die sich mit ihren erst zehn Jahren bereits fast mütterlich um ihre dreijährige Schwester Petra kümmerte. Und diese Kleinste konnte recht bockig sein, wenn wieder niemand Zeit für sie hatte. Geheiratet hatten Susanne und Robert erst, als Daniela bereits unterwegs gewesen war. Bei Susanne und Robert war immer Hektik. Schwer fiel es beiden, ihre unterschiedliche Berufstätigkeit mit den Verpflichtungen für die Kinder zu verbinden. So mussten sich die Kinder daran gewöhnen, mal hier und mal da zu sein, bei den Eltern eben nur, wenn diese es einrichten konnten. Ehrgeizig waren sie beide, und Robert als Arzt offensichtlich so erfolgreich wie Susanne in ihrem Geschäft. Wie oft war Margot, die Frau unseres langjährigen Freundes Helmut, eingesprungen und hatte die Kinder zu sich geholt, wenn Susanne wieder einmal nicht wusste, wo sie die drei lassen sollte.

      Margot hatte sich dafür entschieden, ihre Berufstätigkeit aufzugeben, um für ihre beiden Kinder, Niklas und Katja, Zeit zu haben. Um Geld brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, ihr gehörte von ihrem Vater her die Hälfte der Baufirma „Zumbold“, die Helmut mit ihrem Bruder zusammen leitete. So fand sie nicht nur Zeit für ihre Kinder, sondern auch noch für die Kinder von Susanne. Ich hörte, wie sie einmal zu Susanne sagte: „Was würdet ihr berufsbesessenen Frauen nur ohne uns Nurhausfrauen tun?“ Doch was Margot auch sagte, es klang nie vorwurfsvoll. Stets bemühte sie sich, Verständnis zu zeigen. So verband diese beiden Frauen eine tiefe Freundschaft, obgleich sie nicht nur sehr verschieden waren, sondern zwischen ihnen auch noch ein großer Altersunterschied bestand. Margot war zweiundfünfzig Jahre alt und Susanne vierunddreißig.

      Bestimmt würde Susanne versuchen, sich für die Entscheidung bei Margot Rat zu holen. Wozu aber sollte man ihr raten? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie Robert diese Chance in seinem Beruf vereiteln würde. Traudel allerdings sah wohl nur den Nachteil für Susanne. Sie lehnte sich dagegen auf, dass Susanne einfach alles, was sie sich erarbeitet hatte, seinetwegen aufgeben sollte. Traudel und Susanne, Mutter und Tochter, sie waren Geschäftsfrauen durch und durch, darin waren sie sich ähnlich. Weder Traudel noch Susanne konnte ich mir als „Nurhausfrau“ wie Margot vorstellen. Obgleich ich mitunter meinte, für ihre Kinder wäre es besser, die Mutter zu Hause zu haben. Doch Susanne erklärte dann nur, sie sei nicht zum Faulenzen geboren. War das wirklich ihre Meinung, dass Frauen nur faul seien, die der Kinder wegen zu Hause blieben und nicht für eigenes Einkommen und spätere gesicherte Altersversorgung arbeiten gingen? Das allerdings sagte sie nie, wenn Margot in der Nähe war. Denn Margot, das war eben etwas anderes, sie hatte den Wohlstand in die Ehe mit Helmut mitgebracht, sie brauchte sich nicht um ihr Auskommen zu sorgen, so glaubte Susanne. „Aber trotzdem weiß ich nicht, wie Margot es aushält, immer nur zu Hause zu sein?“, fragte sie manchmal nachdenklich.

      Julchen kam und stupste mich. „Was ist heute los, Frauchen, ich muss Gassi gehen, hast du das vergessen?“, schien sie sagen zu wollen.

      Ich lachte, kehrte in die Gegenwart zurück und machte mich fertig zu unserem ersten Spaziergang am Morgen.

      *

      Kapitel 2

      Ich nahm die Hundeleine vom Haken und trat mit meinem eifrig vor mir her springenden Hund aus Haus und Garten auf die Straße. Es war ein schöner Morgen. Frühling lag in der Luft, ein milder Wind umfächelte mich und sträubte das seidige Fell von Julchen. Auf den grünen Bergen um Neuwied lag ein goldener Schein der Morgensonne. Nur zu einer Seite hin ließen die Berge den Blick offen und frei über den weiten Himmel schweifen, sonst schlossen sie Neuwied wie beschützend ein. Wir gingen die Straße entlang, an deren Ende der Wald begann. Wir begegneten manch anderem Hund mit Herrchen oder Frauchen, die aus dem Wald zurückkehrten. „Guten Morgen, hat Sie auch die Sonne so früh aus dem Bett geholt oder ihr Hund?“, rief mir jemand zu. Man kannte sich vom häufigen Gassigehen. Die Hunde beschnupperten sich kurz, dann gingen sie weiter, jeder in eine andere Richtung irgendeinem Geruch nach. Wir waren noch stehen geblieben, wollten noch ein paar Worte miteinander austauschen. Die Hunde aber drehten sich um, als wollten sie fragen: „Kommt ihr endlich?“ Lachend trennten wir uns. „Was soll man da machen, also seien wir brav und folgen unseren Hunden“, sagte ich. „Na dann bis zum nächsten Mal“, antwortete das Herrchen, „vielleicht lassen sie uns dann ein bisschen mehr Zeit zum Reden.“

      So war das mit den Hunden. Und Julchen bestimmte meistens auch, wo wir entlanggingen, wenn ich ihr, wie heute, gedankenverloren hinterhertrottete.

      Susannes Problem

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