Das Liebesprogramm. Dominik Rüchardt

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Das Liebesprogramm - Dominik Rüchardt

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großer Teil des Geschäftes von LifeRobotics. Nach einem kurzen Blick in die Wirtschaftsdaten pfiff sie zwischen den Zähnen. Die Abteilung für Fertilität machte zwar weniger Umsatz, aber sehr viel mehr Gewinn. Woher das Geld kam, war aus den Daten nicht erkennbar. Fasziniert sah sie einen Kurzfilm nach dem anderen an. Nette Wissenschaftler erklärten, wie LifeRobotics lenkend in die Vermehrung eingriff und wie sich die Qualität der Bevölkerung seither verbessert hatte. Film für Film stieg ihr Stolz auf ihren neuen Arbeitgeber und sie war noch gar nicht bei den Abteilungen, die sie besonders interessierten: den Robotern für Lebensbegleitung, oder auch Sexrobotern, wie sie im Volksmund genannt wurden.

      Doch zuvor blieb sie noch bei der Rechtsabteilung hängen. Deren Leiter, Francois Muller, hatte sie bereits kennengelernt. Sein Büro war gleich um die Ecke. Nun verstand sie sein selbstbewusstes Auftreten: Die Abteilung war fast so groß, wie die medizinische. Der Auftrag war umfangreich: Rechtliche Räume gestalten, mögliche Klagen vorher erkennen, Schaden und Schuld sorgsam trennen.

      Klaus Kluge erhält Besuch

      Schaden und Schuld waren auch die Mission Klaus Kluges. Das vergilbte Zimmer, in dem er im schlecht sitzenden Anzug auf dem Stuhl kippelte war der Gegenentwurf zu den Büros bei LifeRobotics. Ein sicher über hundert Jahre alter Schreibtisch stand tapfer auf seinen dünnen Beinen aus hellem Holz, die einst hellgelb gestrichenen Wände und der gefleckte Steinboden verbreiteten einen Hauch von Süden, was den etwas heruntergekommenen Gesamteindruck des Raumes unterstrich. Das Gebäude am Wiener Gürtel war ein vergessenes Gebäude im Stil des vorigen Jahrhunderts - das war auch der Grund, warum Klaus Kluge hier sein Büro hatte. Er hatte ein exotisches Vergnügen, das sich nur im Verborgenen, im Schutz der Abwesenheit von Sensoren und Lebensverbesserern ausüben ließ: er rauchte.

      Gebannt beobachtete Jenny Springer den immer länger werdenden Aschestummel, der sich jenseits der Glut an der selbstgedrehten Zigarette bildete. Fast vergaß sie, zu sprechen, so sehr wartete sie darauf, dass er endlich herunterfiele. Die Bekannte ihrer Freundin aus ihrem Kreis hatte sie zwar gewarnt, überrascht war sie trotzdem. Das Absurde der Situation half ihr allerdings auch, das zu tun, weswegen sie gekommen war.

      Es fiel ihr schwer, darüber zu sprechen. Es war etwas, das nicht sein durfte. Da war dieser seltsame Anwalt, der so, wie er vor ihr saß, ebenfalls nicht sein durfte, genau richtig.

      Er musterte sie von oben bis unten, mit einem Blick, so wissend und unbeteiligt zugleich, sie kam sich sofort völlig nackt vor. Erstaunlicherweise beschämte sie das nicht, sondern befreite sie. Und die rauchende Zigarette, die nahezu unbeweglich am Ende des sehr wohl beweglichen Körpers des Anwaltes ihren Aschestängel vergrößerte, tat das ihre, um sie in einen hypnoseartigen Zustand zu versetzen.

      In ruhigem, aber unmissverständlich klarem Ton trafen die Worte des Anwalts eines nach dem anderen bei ihr ein: „Den Tatbestand, den Sie beschreiben, Frau Springer, gibt es eigentlich nicht“, zwischen den Momenten der Stille sah er sie ernst an. „Wir müssen sehr sorgfältig ...“

      „Wollen Sie damit sagen, ich kann gar nichts tun?“

      „Aber nein, ganz und gar nicht“, er wedelte jetzt gefährlich mit der Zigarette, aber die Asche hielt. „Wir müssen nur alles immer doppelt denken, so wie es war und so, wie die anderen auslegen werden, wie es gewesen sein könnte.“

      Ein schwacher Duft scharfen Rauches schob sich in Jennys Gesicht und erinnerte sie daran, dass sie Schmerz spüren konnte. „Ich kann nur daran denken, wie es war“, ihr Ton war jetzt bitter, „obwohl ich nicht daran denken will“, sie schluckte, „aber ich muss andauern daran denken, es war so …“, jetzt kamen wieder Tränen, „ … so würdelos.“ Ihre Augen blickten wässrig und er sagte nichts, sah sie nur wieder an.

      Und sie atmete durch, schlug ihre Beine übereinander und meinte erschöpft, doch geduldig: „Ok, machen wir weiter?“

      Carolin West lässt ich Produkte zeigen

      „Fühlen Sie mal diese Haut“, zärtlich streichelte Gerd Meister über das Gewebe, es war samtig matt über ein Multifunktionsglied gespannt. „Bei den richtig guten Produkten kommt es weniger auf das Aussehehen an, das bekommen sie immer hin, die Geräusche auch, die eigentliche Kunst sind die Gefühle. Die spüren sie, die riechen sie. Die gehen wirklich tief ins Unterbewusstsein, in Bereiche, die angelegt wurden, lange bevor unsere Vorfahren Augen und Ohren hatten.“

      Carolin West folgte seinem Vorschlag und fuhr mit der Hand über das Material. Ein Schauer durchlief sie. Sie hatte es erst erlebt, vergangene Nacht. Sein Versprechen hatte es gehalten. Gerd Meister bemerkte das Glitzern in ihren Augen. Mit Kennermine setzte er fort: „Ich sehe, Sie kennen sich aus. Das benutzen wir im Intimbereich - sofern wir das bei Robots so nennen können“, er gackerte leicht, „an anderen Stellen haben wir dies.“ Er holte ein anderes, großflächigeres Stück hervor, einer Brust ähnlich. Carolin fuhr sanft darüber. „Fühlen sich Männerbrüste eigentlich immer so an?“

      Jetzt verengten sich Meisters Augen zu Schlitzen. „Jede Brust ist anders, aber die männliche Haut ist in der Regel dicker und härter als die weibliche. Wir können dieses Material aber steuern, je nach Bedarf.“ Er legte einen kleinen Hebel auf der Rückseite der Apparatur um, auf der die Haut gespannt war, und das feste Gewebe wurde sofort weicher. Die Qualitätsregeln gäben vor, erklärte er weiter, sie sollten sich an dem orientieren, was bei echten Menschen vorkam. Sie könnten aber natürlich messen, was die Kundinnen wollten und es waren nur zwei männliche Brusttypen die wirklich gut ankämen, die muskulöse mit der weichen Haut und die schlanke mit der festeren Haut. „Den normalen Mann finden sie vermutlich bei den Robots schon lange nicht mehr“, kicherte er dann. „Die normale Frau aber auch nicht.“ Carolin nahm das allerdings gar nicht wahr, sie war viel zu vertieft darin, die wechselnden Männerbrüste zu testen.

      Mit einer ausladenden Geste wechselte Gerd Meister das Thema. „Das hier ist unsere Material- und Komponentenforschung“, dozierte er. „Hier entsteht alles, was Sie anfassen können und was Sie anfasst. Wir haben hier einmal die Oberflächen und dort hinten geht es zu den Modulen.“ Mit einer ausladenden Geste verdrehte er seinen Arm wie in einer Tanzbewegung. „Wie entstehen Bewegungen und wie machen wir das Gesamtverhalten stabil.“

      Die Hallen sahen aus wie eine medizinische Hochschule, nur waren die Körperteile hier alle künstlich. „Wir liefern hier auch Prothesen, aber das Kerngeschäft sind die Roboter, der Gewinn ist einfach höher“, schloss Gerd Meister ab, nahm Carolin die Brust wieder weg und führte sie zu einer kleinen Türe am Ende des Saales.

      Die folgende Halle erschlug Carolin. Völlig ungezwungen standen halbe und ganze lebensechte Figuren herum, manche in Aktion, manche waren Hybride, teilweise wie Menschen, teilweise etwas anderes. Ein Möbel, ein Tier, ein Gefährt, jedes Körperteil konnte vorhanden sein oder nicht, jede Form erschien dabei in der Unschuld des puren Daseins. Es verschlug ihr die Sprache. Mitten im Gewimmel entdeckte sie eine Figur die ihr winkte. Automatisch wandte sich ihr Blick und sie erkannte ihn: tatsächlich, da stand ihr nächtlicher Gast. Modell Silvio. Das Winken war nur ganz leicht, aber sie sah, wie Meister sie beobachtete und lief rot an, der verlor aber kein Wort dazu. „Das ist eines unserer Premium Produkte“, erklärte er stattdessen gutgelaunt. „Hier ist eine Testversion, die wir auch schon echt einsetzen. Nach jedem Einsatz wird der Roboter gründlich gereinigt und ausgewertet, so können wir sie täglich weiter verbessern.“

      Carolin wurde vorsichtig. „Wie geht das, so eine Auswertung? Wird das alles gefilmt?“

      „Sicht, Tasten, Fühlen, Stimmen, Verhalten, alles wird protokolliert,

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