Hand aufs Herz. Susanne Holzer Sybille Maier-Ginther
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Vielmehr dachte ich: Wenn ich auf alle Eventualitäten vorbereitet bin, kann mir auch nichts passieren und ich habe ALLES UNTER KONTROLLE. Deshalb kaufte ich Sommer-Bodies, Winterhosen, Planschbecken und Fellsack, ich shoppte Babyklamotten in jeglicher Größe vom Frühchen bis zum Mutantenkind, im Prinzip deckte ich mich mit sämtlichen Utensilien ein, die mir im Babygeschäft unter die Finger kamen, auch wenn ich bei der Hälfte davon noch nicht mal so genau wusste, was man damit eigentlich macht.
Aber wenn die 400. Baby-Shopping-Liste im Internet sagte, ich bräuchte „Spieler“, „Vaporisator“ und „Moltonunterlage“, dann würden sie damit wohl bitteschön auch recht haben!
Einen ersten Dämpfer versetzte mir in meinem Kaufrausch gleich mal meine Mutter, als ich ihr stolz meine ersten Besorgungen präsentierte. Mit geschultem Babykrankenschwester-Blick sortierte sie 90% davon mit den Worten „Zu klein!“, „Zu eng!“, „Zu synthetisch!“, „Zu wenig warm!“, „Zu unpraktisch!“ oder sonst irgendwelchen „Zus“ aus. Stattdessen packte sie mich ins Auto, fuhr mit mir zum nächsten Maximarkt und kaufte dort die gesamte Batterie an Stramplern, Jäckchen und Mützchen leer.
Was meine Mutter jedoch mit sinnvollen Dingen (ja, ich geb’s zähneknirschend zu, dass ihre Sachen praktischer waren als meine Koala-Flauschi-Ohren) mühsam aufzubauen versuchte, wurde von den eifrigen Verkäuferinnen sämtlicher Salzburger Babygeschäfte sogleich wieder zunichte gemacht, womit wir auf Punkt 2 zurückkommen: Erpressung.
Ich kann nur jeder Schwangeren empfehlen, sich vorher genau zu informieren, was sie wirklich haben will. Geht man nämlich so ahnungslos wie ich ins Rennen, hat man bereits verloren. Wer nichts weiß, muss ja bekanntlich alles glauben – und das machen sich die Fachverkäuferinnen von heute mit ihrer perfiden Strategie der unterschwelligen Drohung gnadenlos zunutze. Es ist ja nicht so, dass sie einem befehlen würden, das jeweils teuerste Stück im Laden zu kaufen, nein, sie versuchen es über die Hintertür des schlechten Gewissens!
Kaum schiebt man einen Kinderwagen im mittleren Preissegment durch die Gänge, rauscht die eifrige Frau vom Fach heran und flötet etwas von Kurvenstabilität und Luftzufuhr, sieht man einen preiswerteren Autositz auch nur von der Seite an, werden die fatalen Crash-Test-Statistiken hervorgekramt und erlaubt man sich, die Babymatratze im Preisbereich „Monatslohn“ nicht gleich in den ohnehin schon bis obenhin vollgestopften Einkaufswagen zu befördern, folgt das Killerargument: „Ja, natürlich können Sie auch die Billigere nehmen! Aber ich sage nur: Plötzlicher Kindstod!“
Und dann sei mal so selbstbewusst und geh trotzdem mit der Billigsdorfer-Matratze zur Kasse, begleitet von den tadelnden Blicken der gesamten Verkäuferschaft, von der sie nicht ganz zu Unrecht vermuten, dass das Lehrmädchen im Hintergrund bereits das Jugendamt kontaktiert…!
Man möchte meinen, dass man diesem Teufelskreis endlich entkommt, wenn das Kind auf der Welt ist und man am eigenen Leib erfahren musste, was man alles für Blödsinn gekauft hat. Aber nein, der sinnlose Konsumrausch nimmt auch mit Kind weiterhin seinen traurigen Lauf. Dass das Gras auf der anderen Seite immer grüner ist, wissen nämlich leider auch schon die Kleinsten und als Mama fällt man wirklich jedes Mal darauf rein. Ist man nämlich bei anderen Mamas eingeladen, spielt das eigene Kind dort einfach herzzerreißend brav mit einem fremden Spielzeug, trinkt plötzlich literweise das sonst verhasste Wasser aus dem fremden Trinkbecher oder hört im fremden Tragetuch urplötzlich mit dem Dauergebrüll auf.
Also fährt man als motivierte Mutter noch am Nachhauseweg zum nächsten Babyladen, kauft Spielzeug, Trinkbecher und Tragetuch nach und freut sich wie ein Schnitzel, dass damit auch zu Hause die Welt in Butter sein wird. Ich brauche Ihnen jetzt wohl nicht wirklich zu sagen, dass der kleine Terrorist daheim das neue Spielzeug natürlich keines Blickes mehr würdigen wird und einen Tobsuchtanfall ungeahnter Dimensionen erreichen wird, wenn man das nagelneue Tragetuch auch nur aus der Verpackung pult...
Die einzige Ausnahme stellte hier die Diskonter-Strandmuschel dar, die wir nach unserem letzten Ausflug zum See natürlich auch unbedingt haben mussten. Nein, Noah hat sich nicht brav hineingesetzt und dort wie ein Engel mit seinem neuen Spielzeug gespielt. Aber immerhin saß er – für diese Zeit ein wahrer Rekord – für bestimmt eine ganze Stunde lang grinsend zufrieden und brüllfrei in seiner Wippe, während er seinen studierten Akademiker-Eltern hämisch dabei zusah, wie sie verzweifelt die testweise im Wohnzimmer aufgebaute Strandmuschel nur mehr mithilfe von drei Youtube-Tutorials wieder zusammenlegen konnten.
Forenlos glücklich
Einen Tag nach dem positiven Schwangerschaftstest (übrigens durchgeführt mit dem ersten Morgenurin um exakt 03:23 Uhr früh), bekam ich plötzlich Anzeichen einer Regelblutung. Ich geriet in Panik und ließ mich sofort ins Krankenhaus einliefern – und das am Ostersonntag! Ich hatte so lange darauf gewartet und nun sollte es nicht bleiben wollen? Das konnte doch nicht sein! Kurzerhand erklärte ich der ratlosen Ärztin, sie solle bitte IRGENDETWAS tun, schließlich sei ich Privatpatientin! Sie erklärte mir aber nur geduldig, dass sie noch nicht mal feststellen könne, ob ich überhaupt schwanger sei.
Am Ultraschall sieht ein befruchtetes Pünktchen nämlich anfangs genauso aus wie der Uterus vor der Regelblutung. So kamen drei bange Wochen des Wartens auf mich zu, in denen ich immer wieder Blutungen hatte und mir jedes Mal von den Ärzten sagen lassen musste, sie könnten (noch) nichts sehen und erst recht nichts sagen. Obwohl mir das wahnsinnig weh tat, glaubte ich ganz fest weiter an die Schwangerschaft – den Gedanken eines möglichen Abgangs konnte ich einfach nicht ertragen.
Wie so oft suchte ich Rat in einem der zahlreichen Internetforen zum Thema Kinderkriegen. Und ganz ehrlich, solche Foren sind das Schlimmste überhaupt, um nicht zu sagen der digital gewordene Schwangerschafts-Antichrist! Wenn man unbedingt ein Kind möchte, kann man offensichtlich wirklich ALLES analysieren und gemeinsam mit den anderen totdiskutieren. Das geht von Bildern des Zervixschleims bis hin zur Analyse der Blähungsattacken der werten Mitstreiterinnen. Bei jedem kleinsten Anzeichen, dass diesmal etwas anders sein könnte, drückt man sich die Daumen und wünscht sich im Kollektiv ganz fest, dass es geklappt hat.
Ich schreibe zwar sehr abschätzig über diese Foren, war aber selbst Teil dieser Parallelwelt, wenn auch meist nur als passiver Spanner. Haargenau erfährt man dort, wie oft und wie und wieso überhaupt man mit seinem Partner „sexeln“ darf (so heißt das nämlich bitte im Forum!) und ist am Boden zerstört, wenn man wider besseren Wissens gegen eine der gefühlt 3.492 Verhaltensregeln verstoßen hat.
"Keksi1981" meinte jedenfalls ohne mit der digitalen Wimper zu zucken, meine unbegründete Euphorie vor den Tagen sei ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Tage keine Tage werden, also eines der gefühlt 567 Anzeichen für eine Schwangerschaft. So weit so gut – und sie sollte recht behalten, verdammt noch mal! Als ich endlich den nächsten Termin beim Frauenarzt bekam, schlug da plötzlich das mikroskopisch kleine Herz meiner Tochter auf dem Bildschirm.
Der Arzt wusste nichts von meiner Krankenhaus-/Forumodyssee und meinem großen Bangen und meinte nur ganz lapidar: „Jawohl, hier schlägt es, das kleine Herz!“ Er war ganz schön überrascht, als ich ihn daraufhin ohne Vorwarnung mit Tränen in den Augen ganz fest drückte! Ich war schwanger!!
Und damit fing der Spaß erst richtig an: Von einem Tag auf den anderen durfte ich vom Online-Forum der Werden-Wollenden ins Forum der Bange-Zitternden wechseln. Und während man noch denkt „Endlich!“, stolz den Mutter-Kind-Pass wie die goldene Mitgliedskarte zum Billionaire‘s Club in Händen hält und sich ständig sanft übers Bäuchlein