Hand aufs Herz. Susanne Holzer Sybille Maier-Ginther
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Zu dem Kugelbauch-Event waren natürlich auch die angehenden Papis geladen. Zu meiner Belustigung waren die meisten von ihnen sowas von co-schwanger, dass sie neben ihren unförmigen Partnerinnen gar nicht weiter auffielen. Manche von ihnen rutschten unbehaglich auf den harten Plastikstühlen herum (so viel zur Wellness-Hotel-Atmosphäre!), andere schauten nur verlegen durch die Gegend oder unter vorgehaltener Hand Laola.tv auf dem Handy. Ganz findige Exemplare (ein paar Streber gibt es immer) stellten natürlich artig Fragen, die die sechs Hebammen mit Engelsgeduld – oder besser gut getarnter Genervtheit – beantworteten.
Mein Mann kam erst mal eine halbe Stunde zu spät. Für mich war das völlig ok, ich war froh, dass wir es überhaupt gemeinsam geschafft hatten, bei dem Arbeitspensum, das wir beide zu der Zeit hatten. Von der Eventleiterin wurde er aber natürlich mit hochgezogenen Augenbrauen bedacht – und ich mit den mitleidigen Blicken der brütenden Mitstreiterinnen.
Leider fand in den ersten 30 Minuten nur eine allgemeine Vorstellungsrunde der Hebammen statt, sodass mein Mann die Chance verpasste, dem nachfolgenden Highlight des Happenings zu entkommen: dem Wunder Geburt in Bewegtbild, in schön ausgeleuchteter Panoramaansicht mit exzellent authentischer Tonübertragung. Letztere war noch dazu quasi im asynchronen Echo zu hören, da im Kreißsaal nebenan gerade das Real-Life-Szenario im Gange war und die Wände offensichtlich dünn wie Papier (diesmal war der Hotelcharakter durchaus authentisch).
Während die meisten Frauen die Vorführung mit stoischer Ruhe an sich vorbeiziehen ließen, wären die Männer allesamt – und zwar auch die Streber – wohl am liebsten geschrumpft und gasförmig durch den Türspalt entwichen, da bin ich mir ganz sicher. Nach einer kurzen allgemeinen Schockstarre stellten sich die „persönlichen Begleiterinnen“ dann dem Face-to-Face-Gespräch. Wer noch nicht komplett fertig war, durfte sogar mit der Dame seiner Wahl noch den Kreißsaal besichtigen und einen Termin für den persönlichen Geburtsvorbereitungskurs vereinbaren.
Im Nachhinein glaube ich, dass man den Kreißsaal wirklich nicht vorher sehen muss. Denn eigentlich reicht vollkommen, was man bereits aus dem Fernsehen kennt – das Bild jenes Stuhls, der neben dem elektrischen wohl als einer der unbehaglichsten seiner Klasse gilt. Die kleine Badewanne, für die ich mir extra einen schicken Bikini besorgt hatte, dient meines Erachtens ohnehin nur zur Dekoration – die Lust aufs Plantschen ist zumindest mir in der Sekunde vergangen, als mir eröffnet wurde, dass ein Einlauf durchaus zum Standardprogramm einer Privatklinik mit Wellness-Hotel-Atmosphäre gehört.
Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass persönliche Geburtsvorbereitungskurse total überbewertet werden. Nachdem ich meine persönliche Hebammen-Favoritin auserwählt hatte, dachte ich, ebendiese würde sich geehrt fühlen, sich eingehend mit mir und meinen Wehwehchen beschäftigen zu dürfen. In meiner Vorstellung würde sie mir voller Stolz quasi die Hand halten, bis ich selbst als frischgebackene, talentierte Wundermutti das Ruder übernehmen und mich mit meinem kleinen, strahlenden Bündel den Herausforderungen und Freuden des Elterndaseins hingeben würde. Wehmütig würde sie uns noch einmal zuwinken, während sie sich insgeheim dachte, dass ich wohl die beste und tapferste Schwangere war, die sie je „persönlich begleiten“ durfte.
In Wahrheit gab mir die liebe Frau jedoch erst mal ihre alte Handynummer, sodass ich regelrecht in Atemnot geriet, als wenige Tage später tatsächlich eine Blutung auftrat und ich schnell Hilfe und Beruhigung am Telefon benötigt hätte. Stattdessen verkündete mir eine Computerstimme relativ unpersönlich, dass unter diesem Anschluss leider niemand zu erreichen sei. Im Hinblick auf das, was noch kommen sollte, versprühte die Telefonansage aber noch einfühlsamen Charme. Als ich nämlich endlich über mein Wahlkrankenhaus die richtige Nummer herausgefunden hatte und mir mitgeteilt wurde, dass ein Wechsel zu einer anderen Hebamme aufgrund der großen Nachfrage nicht mehr möglich sei, bat ich meine ursprünglich Auserwählte zähneknirschend um einen „persönlichen Geburtsvorbereitungskurs“.
Mit einem milden Lächeln tat diese dann noch meine Blutungen ab, bevor sie mir einen Termin gab, der just mitten in ihrem Urlaub lag, was ich aber erst wieder über das Krankenhaus herausfinden musste, nachdem sie nicht aufgetaucht war. Bei dem nächsten vereinbarten Termin kam ihr eine Geburt dazwischen, was zugegebenermaßen noch gerade so als Entschuldigung durchging. Und nachdem ich tagelang wieder vergeblich versucht hatte, sie zu erreichen, kam meine Kleine – drei Wochen zu früh und „begleitet“ von einer mir vollkommen fremden, dafür aber sehr lieben Hebamme auf die Welt. Ganz ohne Vorbereitung, einfach so.
Der Super-Mom-Moment
Eines der obersten Gesetze des Mütter-Daseins müsste lauten: Immer wenn du denkst, jetzt hast du's raus, ist es Zeit für die nächste Katastrophe. Gemeinerweise hat man diese „Heureka, ich bin Super Mom!“-Momente ja ohnehin selten genug, aber wenn man mal so dreist sein sollte, sich einen zu gönnen, weil man es gerade geschafft hat, neben seinem wachen Kind einen Kuchen zu backen/ohne Babykotze-Flecken am Shirt das Haus zu verlassen/nicht vor 07.00 Uhr aufzustehen, kann man sich sicher sein, dass die Strafe auf dem Fuß folgt.
Bei mir stellte sich diese Erkenntnis ein, als ich Noah mit etwa fünf Wochen zum ersten Mal zum großen Präsentations-Termin in die Agentur brachte. Unsere ersten Wochen waren reichlich holprig verlaufen und wie „Super Mom“ hatte ich mich noch nicht mal im Traum gefühlt. Dass ich mich überhaupt traute, mit Noah allein das Haus zu verlassen, an den 45 Minuten entfernten Arbeitsort zu fahren und zu riskieren, dass er dort das gesamte Agenturgebäude in Grund und Boden brüllte, war auch eher aus Notwendigkeit denn aus Übermut entsprungen: Mein Mann rotierte von einer Magendarmgrippe wirklich schwerstens gebeutelt quasi nonstop zwischen Toilette und Bett und ich wollte ihm den Luxus einiger Stunden ohne Babygeheul bescheren.
Ich packte also Noah ins Auto, fuhr mit ihm auf die Autobahn und stellte zufrieden fest, dass er bereits nach fünf Minuten tief und fest eingeschlafen war. Noch zufriedener war ich, als Noah auch noch den gesamten Agentur-Besuch verschlief. So konnte ich ungestört die Runde durchs Haus drehen und mich in den „Ooohs“ und „Aaaaahs“ der Kollegen sonnen, die meinten, dass Noah das bravste Kind der Welt sei. Wäre Noah auch nur eine Sekunde wach geworden, wäre diese Illusion natürlich sofort wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen, aber für wertvolle zwei Stunden konnte ich mal so tun, als wäre bei uns alles in Butter.
Nachdem ich mir von sämtlichen Kollegen im Haus versichern hatte lassen, wie süß mein Kind war und wie viele Haare es nicht hätte, verabschiedete ich mich wieder und beschloss, mit Noah noch einen kleinen Spaziergang zu machen. So schob ich also den Kinderwagen durch das kleine Dörfchen und setzte mich am See kurz auf eine Parkbank, um einen Müsliriegel zu essen. Und als ich da so saß, mir die Schokolade vom Mund wischte, vor mir die Enten am sonnenbeschienenen See, neben mir der Kinderwagen mit meinem wunderbaren, schlafenden Sohn, da dachte ich mir für einen kurzen Moment: „Eigentlich klappt das doch alles ganz prima!“
Und da war er, mein erster (und vermutlich letzter) Super Mom-Moment! Der Gedanke hatte noch nicht mal richtig meine letzte Gehirnwindung passiert, als er auch schon wieder zerstört wurde: Gedankenverloren hatte ich in meiner Tasche nach dem Autoschlüssel geangelt, um mich mit Noah nach meinem erfolgreichen Ausflug wieder auf den Weg nach Hause zu machen. Seltsamerweise fand ich den Schlüssel nicht sofort. Beunruhigt schaute ich nochmal genauer nach. Kein Schlüssel. Schon in diesem Moment machte sich ein grummeliges Gefühl in meiner Magengegend breit (und nein, es war nicht die Magendarm-Grippe meines Mannes. Die erwischte mich erst drei Tage später, als wir zur Feier unseres Hochzeitstages fein essen gehen wollten und den Tag stattdessen damit ausklingen lassen mussten, dass mir mein