Verfluchtes Erbe Gesamtausgabe. T.D. Amrein
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Читать онлайн книгу Verfluchtes Erbe Gesamtausgabe - T.D. Amrein страница 33
Merz schreckte hoch. Er brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass er in einem Bett lag.
Das wird mich immer verfolgen, dachte er verzweifelt. Am besten wäre, gar nicht mehr zu schlafen. Er stand auf und schlich ans Fenster. Es war inzwischen still und dunkel geworden. Keine Lichter mehr im Ort. Merz sah in den Himmel: Ein Sternenmeer, wie er es noch nie gesehen hatte.
Einige Zeit betrachtete er fasziniert den Himmel. Jetzt verstand er, weshalb man es, die Milchstraße nennt.
Wie klein man sich vorkommt. Und wenn ich das jetzt Cécile zeigen könnte, dachte er.
Er hatte normalerweise nicht so Sehnsucht nach seiner Frau. Er liebte es, auch Mal allein zu sein. Aber jetzt hätte er sie gern in den Arm genommen.
Den Rest der Nacht verbrachte er zwischen Bett und Fenster. Wieder einzuschlafen, fürchtete er sich. Endlich wurde es hell. Merz machte einen kleinen Spaziergang. Die Frische des Morgens fühlte sich gut an.
Als er das Hotel wieder erreichte, saß die junge Dame vom Empfang im Frühstücksraum und blätterte in einer Zeitung.
Merz freute sich außerordentlich, jemanden zu treffen, mit dem er ein paar Worte wechseln konnte. Deshalb überwand er alle Hemmungen und sprach sie an.
„Guten Morgen, junge Frau. Schon an der Arbeit?“
Sie lachte. „Arbeit kann man das nicht nennen. Ich stehe immer früh auf.“
Merz fragte, ob er sich ein wenig zu ihr setzen dürfe. Sie hatte nichts dagegen.
„Kaffee“, fragte sie.
Merz nickte, „ja gern, wenn es nichts ausmacht.“
Sie verschwand in der Küche und kehrte bald wieder mit zwei vollen Tassen zurück. „Bitte. Mit Milch und Zucker.“
„Danke“, antwortete Merz knapp. Die ganze Zeit überlegte er sich, was er zu ihr sagen konnte, ohne aufdringlich zu wirken.
Sie nahm wieder die Zeitung zur Hand. Einen Moment hielt sie inne, „wollen Sie lesen?“
Merz lachte auf. „Ich kann mir ein wenig die Fotos anschauen, meinen Sie?“
„Entschuldigen Sie. Ich wollte Sie nicht kränken“, sagte sie kopfschüttelnd.
„Kein Problem“, gab Merz zurück. „Wo haben Sie eigentlich so gut Deutsch gelernt?“
„Meine Mutter stammt aus Deutschland. Zuhause sprechen wir deutsch, wenn Vater nicht da ist“, antwortete sie.
„Ach so“, sagte Merz. Er wollte das Gespräch gerne noch ein wenig fortsetzen. Aber er hatte Mühe, passende Worte für eine Unterhaltung mit einer jungen Frau zu finden.
Nach einer Weile sagte sie ein wenig schaudernd: „Da hat ein Tourist bei uns Leichenteile gefunden.“
Merz nickte. „Ja, das war ich.“
„Sie?“ Sie sah ihn erstaunt an. „Sie haben das gefunden? Wie schrecklich, können Sie überhaupt noch schlafen. Das muss ja furchtbar sein.“
Mitleidig sah sie ihn an.
Merz freute sich über das Mitgefühl, das sie zeigte. Seine Hemmung zu sprechen schwand. „Ja, das war grausig. Ich finde keine Ruhe mehr. Deshalb bin ich auch schon draußen. Sonst schlafe ich gerne etwas länger.“
Sie sah in an. „Das sollten doch Ihre Ferien sein? Die sind jetzt verdorben?“
„Ich will mich nur noch ein wenig erholen. Dann fliege ich nach Hause“, bestätigte er.
„Eigentlich wollte ich hier einen Mann finden.“ Er kramte das Foto von Dornbach aus seiner Jackentasche und legte es vor ihr auf den Tisch.
Sie musterte das Bild. Dann nahm sie es in die Hand, betrachtete es genauer. „Der hat vor einigen Tagen bei uns gewohnt. Er spricht auch deutsch, ich erinnere mich genau. Moment“, sagte sie und verschwand hinter einer Tür.
Merz blieb zurück, wie vom Donner gerührt. Dornbach hatte hier gewohnt. Wieder fand er ohne Mühe etwas heraus, nachdem er die Suche bereits aufgegeben hatte.
Sie kehrte zurück, schwenkte ein Papier in der Hand. „Wir machen von ausländischen Gästen immer eine Kopie vom Ausweis. Sehen Sie?“
Merz blieb für einen Moment sprachlos. Der Reisepass von Dornbach. Zwar stand Jens Müller als Name drin, aber das Foto zeigte eindeutig seinen Mann.
Merz stotterte leicht: „Können Sie mir das überlassen?“
„Ich kann Ihnen eine Kopie davon machen, wenn Sie wollen, das ist kein Problem“, sagte sie und verschwand wieder.
Kurz darauf legte sie ihm das Papier hin. „Sind Sie vielleicht ein Detektiv oder sogar von der Polizei?“
Merz wehrte ab: „Aber nein. Ich möchte ihn aus persönlichen Gründen sprechen. Ich habe zufällig erfahren, dass er hier in der Nähe Urlaub macht.“
Sie gab sich damit zufrieden, und Merz zog sich zurück auf sein Zimmer. Viel länger hätte er sich nicht mehr beherrschen können. Er wollte ihr aber nicht zeigen, wie sehr sie ihm geholfen hatte. Er trommelte mit den Fäusten auf sein Bett. Am liebsten hätte er laut gebrüllt. Das kam jedoch, um bei den anderen Gästen nicht aufzufallen, nicht in Frage.
„Jetzt habe ich dich!“, murmelte er vor sich hin. „Dornbach oder Müller hat ausgespielt.“
Damit lag der Beweis, den Reuter brauchte, vor ihm. Etwas Besseres hätte er gar nicht finden können.
Dornbach war am Leben. Er reiste unter falschem Namen. Er konnte nicht mehr behaupten, dass er nur zufällig überlebt hatte. Mit diesem Papier hatte Merz sein Ziel mehr als erreicht.
Eine Euphorie überkam ihn. Für einen Moment dachte er nicht mehr an die Leiche, sondern fühlte sich rundum zufrieden.
Er legte sich auf sein Bett. Das Papier behielt er dabei in der Hand, und überlegte sich, wie er weiter vorgehen wollte.
Ich muss sofort nach Frankfurt. Der Kommissar wird Augen machen. Das Mädchen vom Hotel kann mir einen Flug buchen. Das reicht vielleicht sogar noch für heute, überlegte er.
Andererseits wollte er jedoch nicht auffallen. Sie könnte Fragen stellen, wenn er derart Hals über Kopf abreiste.
Also fliege ich morgen, entschloss er sich. Ich muss ja auch noch das Boot zurückgeben. Und außerdem kann ich mich auch noch ein wenig erholen. Merz entspannte sich zusehends. Wie schön, einfach ein wenig zu liegen und seinen Erfolg zu genießen.
Kurz vor Mittag suchte er erneut den Empfang auf. Er hatte sich Notizen gemacht, was die junge Dame für ihn organisieren sollte. Einen Flug nach Frankfurt buchen. Nachfragen, wann er die Fähre nach Kristiansand besteigen konnte. Diesen Krag anrufen, damit der sein Boot abholte.
Sie versprach, alles zu erledigen.
Merz