Der Tag des Präsidenten. Dirk Fettig

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Der Tag des Präsidenten - Dirk Fettig

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      Dirk Fettig

      Der Tag des Präsidenten

      Erzählung

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Morgenempfang

       Beim Frühstück

       Der Presseempfang

       Die Gemahlin

       Bei der Geliebten

       Die Opposition

       Der vielseitig Begabte

       Impressum neobooks

      Morgenempfang

      Mühsam quälte sich an diesem Morgen eine zähe, trübe und gleichsam erblasste Sonne aus ihrem Nachtlager hinter dem Horizont hervor. Ihr morgendlicher Blick lastete zunächst schwer auf den Rabatten, in denen Gladiolen, Krokusse, Freesien und viele weitere Schwertliliengewächse, ebenso wie die Hyazinthen, Rittersporn und nicht zuletzt auch Amarant dem aufstrebenden Morgen eher skeptisch gegenüber zu stehen schienen. Denn obgleich hier in prächtigen Blütenständen und Hochblättern alle nur erdenklichen Farben, von dunklem Blau, über zartem Rosa, sattem Purpur, leuchtendem Orange und Gelb bis hin zu intensivem Rot sich ausbreiteten, so sprachen doch die gesenkten Köpfe der floralen Schönheiten eine andere Sprache. Und die Tautropfen zwischen den Gräsern des präsidialen Gartens wirkten heute wie stumpfe Glasscherben, wo sie ansonsten funkelnde Diamanten waren.

      Auch in den verschiedenen Baumgruppen der weitläufigen, annähernd parkähnlichen Gartenanlage des Präsidentenpalastes hatte an diesem Morgen offensichtlich der Missmut Einzug gehalten. Die uralten Eichen, Buchen und Erlen blickten denkbar verdrießlich, müde und düster in das ausgedehnte Rund.

      Doch nicht allein in dem botanischen Umfeld äußerte sich diese bedrückende Empfindung. Selbst der morgendliche Gesang des gesamten Vogelvolkes schien gehemmt und gewissermaßen mit lediglich halber Kraft vorgetragen zu sein. Die Triller wirkten längst nicht so brillierend, die Flötentöne bei weitem nicht so klangvoll wie noch Tags zuvor, als die morgendliche Sonne im strahlenden Glanz eines herrlichen Frühlingstages wohl mit dem rechten Bein zuerst aufgestanden war.

      Heute dagegen schien das linke am Zug gewesen zu sein.

      Und wie merkwürdig, selbst der präsidiale Vergnügungspark schien an diesem Morgen aller seiner Erheiterung versprechenden Glanzstücke überdrüssig geworden zu sein. Zumindest schauten die gruseligen Gestalten der Geisterbahn, in welcher gegenwärtige politische Widersacher des jetzigen Präsidenten sich neben historisch unumstrittenen Schauergestalten vom Schlage eines Hitler, Mussolini oder Goldfinger in den Gespenstertrupp einreihten, griesgrämiger denn je aus der Wäsche.

      Den Rummel hatte der augenblickliche Hausherr – dem eigenen Bekunden und einer offiziellen Presseerklärung nach sowohl sich selbst als auch seiner Palastbevölkerung – vor etwa zwei Jahren dort für einige hunderttausend Taler errichten lassen. Peinlich berührt zeigte sich allerdings erst letztens das Referat für Öffentlichkeitsarbeit als bekannt wurde, dass es noch niemandem aus dem Umfeld der dienstbaren guten Geister des Präsidentenpalastes vergönnt gewesen war, mit einem Fuß oder einem anderen Körperteil dieses Terrain betreten zu dürfen...

      Bislang wurde allerhöchstens einmal im halben Jahr ein Reinigungstrupp unter strenger Beaufsichtigung durch die besagte Geisterbahn, um die niedliche Achterbahn mit immerhin einem ordentlichen Looping, zwischen der Wildwasserbahn und an der Schießbude vorbei bugsiert. Näher als mit einem sehnsüchtigen Blick hatte dabei noch kein Bediensteter die Attraktionen in Anspruch nehmen dürfen.

      Keine Spur von Munterkeit war ringsumher auszumachen, als der Hausherr zerzaust, stoppelig und noch in seinen Pyjama gekleidet an diesem Morgen das rote Empfangszimmer im Südflügel des Präsidentenpalastes betrat. Mit eingekniffenen Augen über seiner breiten Boxernase, so dass kaum die Farbe der Pupillen auszumachen war (ein Blick in seinen Pass belehrt darüber, dass der Präsident eisblaue Augen hatte) blieb er zunächst auf der Schwelle stehen, um sich ein Bild von der Ausgangssituation zu machen.

      Es war wie jeden Morgen die gleiche: er wurde bereits erwartet. Ein junger, derzeit eher bleicher Mann mit glatten, wächsernen Wangen und energisch-spitzem Kinn harrte seines Staatsoberhauptes. Benjamin Wolffsohn, der als Berater, Vertrauter und bisweilen auch Freundesersatz dem Präsidenten zur Seite stand, war schon früh auf den Beinen gewesen um höchstpersönlich die Frühstücksbereitung für seinen Brotherrn überwachen zu können. Nachdem er dem Präsidenten die Morgenzeitung auf dem Frühstückstisch an der üblichen Stelle bereitgelegt hatte – der Präsident selbst las ausschließlich den `Tilt´; über die wichtigsten Inhalte aller übrigen Presseorgane ließ er sich in vereinfachter, verdichteter Ausführung von seinen Mitarbeitern unterrichten... Nachdem Benjamin dies etwa fünf Minuten zuvor erledigt hatte, überblickte der Präsidentenvertraute bei der Gelegenheit nochmals den angerichteten Frühstückstisch und nickte sich selbst zufrieden zu.

      Eigentlich fühlte sich Benjamin Wolffsohn nicht für die Überwachung der Frühstücksbereitung zuständig. Doch wofür war er zuständig? Die genaue Bestimmung, eine angemessene Amtsbezeichnung des aufstrebenden, juristischen Jungakademikers war zweifellos nicht jedermann im Staat, ja nicht einmal im unmittelbaren Umfeld des Präsidenten einwandfrei entschlüsselt, die wenigsten hätten etwas zu seinem ungefähren Werdegang, zu seiner Herkunft, seinem persönlichen Umfeld, geschweige denn zu seinen Ambitionen zu sagen gewusst. Nur soviel war jedem, der ihn einmal kennen lernte, klar: der Mann besaß viele Talente!

      Demnach wäre die trefflichste Amtsbezeichnung für Benjamin Wolffsohn wohl die einer `grauen Eminenz´ gewesen...

      So manchem schien er zwar lediglich nach Art einer eifersüchtigen Gouvernante um einen verzogenen Bengel zu glucken - als persönliches Kindermädchen quasi... Doch wurde diese Einschätzung selbstverständlich nur abseits großer Gesellschaften und hinter vorgehaltener Hand in dunklen Ecken unter Freunden kund getan... - Indessen hätte man sicherlich dem jungen Mann hiermit bei weitem zu wenig Ehre erwiesen!

      Denn er war der Mann im Hintergrund; er war der, der die Fäden zog; der, der die Richtung bestimmte, wenn der Präsident wieder einmal zwischen mehreren Stühlen saß...

      Doch davon wusste, wie schon erwähnt, kaum jemand...

      Nun stand er mit seinen Einsfünfundachtzig fertig gebügelt und gestriegelt, adrett und nett und strahlte seinem Herrn und Meister das gewinnende Lächeln entgegen, welches dieser so sehr an ihm schätzte. Der Präsident hatte das bislang zwar noch nicht in der Form geäußert, doch Benjamin

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