Vermächtnis der Sünder Trilogie. Angelika Merkel
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Ihr dunkles langes Haar flatterte im Wind, der durch die entstandene Schneise hindurch wehte. Eine verirrte Schneeflocke landete auf dem Schwert aus Sternenerz.
Der Koloss, dem sie rittlings ihr Schwert in den Nacken getrieben hatte, hauchte mit einem gurgelnden Laut aus seiner Kehle endgültig seinen letzten Atemzug aus. Kurz schielte sie auf das nun leblose Tier neben sich, während sie ihre beinahe ebenmäßigen Lippen zu einem Strich zusammenpresste. »Was bist du?«, knurrte sie dem lebenden Flugtier zu. Vor ihr, getrennt von einem halb geborstenen Stamm einer eben noch himmelshohen Tanne fauchte das letzte Ungeheuer als Antwort erneut auf. Es stampfte hin und her, als wollte es eine Schwachstelle seiner Gegnerin ausmachen.
Celena blickte entlang der gleißenden Schneide dem Feind entgegen, welcher plötzlich aufzuglimmen begann. Sein Leuchten tauchte den umgebenden Wald in einen grünbräunlichen Farbton. Die Kriegerin erinnerte sich an die Worte Luteks, die dieser in den Tunneln des Tempels ausgerufen hatte. »Ich stehe hier als die rechte Hand der Vergeltung.« Das hatte er laut ausgesprochen. Gleich darauf überkam ihr die Erkenntnis dieser Worte. Es war das kurze Aufflackern uralten Wissens aus längst vergangener Zeit.
All die Wege, die durch die Dunkelheit und Schatten glitten. All die Pfade, die tiefer und tiefer in das Herz von verderbter Finsternis hinab stießen. All das konnte ebenso in das Licht des Tages hinein führen.
Die Sonne hatte sie niemals wirklich gesehen. Nicht ein einziges Mal hatte sie ihre warmen Strahlen tatsächlich auf ihrer Haut genossen. Denn diese verbarg sich hinter dickflüssigem Nebel des Verfalls.
Die Sterne aber leuchteten. Wie jetzt, da sie sich schimmernd auf der Schneide des Schwertes widerspiegelten.
Laut lachte die junge Tousard auf. Sie begriff.
Er war niemals weg gewesen. Der Höchste der Götter hatte seine Augen stets besorgt auf die Seinen gerichtet. Die Sterne. Und jener Himmel über ihr war voller Sterne. Doch wenn die Sonne von den trüben Schlieren des Wahnsinns verhüllt war, wieso leuchteten die Sterne weiterhin? Er. Er hatte den Vorhang des Verfalls geöffnet, um seine Botschaft zu senden. Aber niemand hörte ihm zu oder sah hinauf. Mit Ausnahme von Lutek. Er hatte zu Estrellia und Afalach, dem Stern und seinen Soldaten hinaufgeblickt.
In diesem Moment wusste Celena, dass sie das Richtige tat.
»Ich bin der Spross des Schöpfers«, brüllte sie dem Flugmonster entgegen. »Ich bin dein Untergang. Deine Vernichtung!«
Kein Schritt wollte sie weichen. Keinen Fingerbreit Boden wollte sie diesen Unseligen überlassen. Denn dies war das Land ihrer Väter. Jene Urahnen, die das Grauen über sie brachten, als sie das Nest dieser Wesen aufstöberten. Daher musste dieses Ding vor ihr durch ihre Hand ausgelöscht werden.
Der Derkoy schien ihre Gedanken zu erraten. Augenblicklich sprang das noch junge Tier, welches sie um ein zweifaches überragte, auf sie zu. Celena wich einige Schritte zurück, während die Himmelschneide das Monstrum streifte. Dem geifernden Maul entkam sie um Haaresbreite. Rasch wandte sie sich dem Drachenwesen wieder zu.
Alle vier Beine versteift, versuchte es seinen Lauf abzubremsen und schlitterte durch den tiefen Schnee. Nicht weit von ihr entfernt kam es zum Stillstand. Aus der tiefen Einritzung seiner Flanke quollen dicke Blutstropfen in den weißen Untergrund. Fauchend drehte es sich zu ihr um. Heißer Atem brodelte der jungen Kriegerin entgegen.
Während sie versuchte, der Hitze auszuweichen, hatte das halbwüchsige Wesen den Abstand verringert. Das einsetzende Schnappen, des mit scharfen Zähnen besetzten Maules konnte sie mit dem Schwert abwehren. Mit einem weiteren Streich der Klinge bescherte sie dem Wesen einen zweiten tiefen Schnitt in das graue Fleisch. Der Derkoy schwang wutentbrannt seinen Kopf zu ihr herum. Diesmal war es ihr nicht möglich, auszuweichen. Der harte Schädel rammte gegen ihren Brustkorb, sodass der jungen Frau augenblicklich die Luft aus der Lunge gepresst wurde. Celena taumelte nach Atem schnappend gegen den Stamm hinter sich. Erneut schmeckte sie Blut. Es war ihr Eigenes, welches ihr Mund füllte. Gleichzeitig fühlte sie Schwäche. Nicht die Wucht des Schlages war es, die sie kraftlos wirken ließ. Etwas anderes griff nach ihrer Stärke.
Benommen schüttelte sie den Kopf.
Es durfte nicht sein. Sie hatte den Erzgott, einen jenen der alten Urgötter, die sich dem Bösen verschrieben hatten, erschlagen. Dieser niedere Abkömmling sollte nicht ihr Tod sein. Schon gar nicht als Kind des Schöpfergottes. Nicht hier und nicht jetzt.
Mit äußerster Willenskraft erhob sich die Adelstochter. Zittrig in den Knien stand sie schwächelnd auf den Beinen, die Himmelsschneide in ihrer Rechten. Aus ihrem Mundwinkel tröpfelte Blut. Entschlossen zu siegen, spuckte sie den roten Lebenssaft aus und zog endgültig ihr zweites Schwert. Ihre Muskeln drohten zu versagen, als sie beide Klingen keuchend anhob.
»Mit Zorn erhebe ich die Hand, denn mein ist die Macht, die vernichtet«, murmelte sie.
Kaum beendete sie ihre Worte, griff das Drachenwesen erneut an.
Deirdre, die in sicherer Entfernung auf Feuerwind saß, stockte der Atem. Nicht wie erwartet wich Celena dem Untier aus. Im Gegenteil, sie stemmte ihren Fuß gegen den Stamm hinter sich und stieß sich mit all ihr verbliebener Kraft ab.
Der faulig riechende Atem des Monsters, welcher es siegesgewiss aufriss, stieg der Kriegerin in die Nase. Ihre beiden Schwerter von sich gestreckt schoss sie auf den Derkoy zu. Sie verfehlte die Kehle, doch schaffte sie es, in ihrer Entschlossenheit einer der Vorderklauen abzutrennen. Aufbrüllend vor Schmerz suchte das junge Gezücht humpelnd den sicheren Abstand.
Durch die Energie ihres Absprungs rollte Celena durch das rotgesprenkelte Weiß des Winters. Die eine Klingenspitze gegen das Flugtier gerichtet, federte sie mit dem anderen Schwert ihren Schwung ab. Hockend, ein Knie auf den gefrorenen Boden abgestützt, kam sie zum Stillstand. Verbissen beobachtete sie ihren Kontrahenten, der von Schmerz gepeinigt zornig einen neuen Angriff anstrebte.
Ein schrilles Pfeifen hielt es davon ab. Unentschlossen blickte das Ungetüm zu Celena und dann in Richtung des Rufes. Ein zweites lang gezogenes Pfeifen brachte es zur Besinnung. Knurrend und fauchend zog sich der Derkoy humpelnd zurück.
»Genau! Lauf schnell zu deinem Meister, bevor ich …«, keuchte sie Blut spuckend hinterher. Ein stechender Schmerz in Rippenhöhe ließ die Kriegerin aufstöhnen. Die eine Klinge fallen lassend, presste sie ihre Hand in die Seite. Entkräftet sackte die Adelige in sich zusammen.
* * *
Dünne Rauchfahnen stiegen von eingeäscherten Hausruinen in die frostige Luft empor. Das halbe Dorf lag unter verkohlten Balken, dazwischen verstümmelte, leblose Körper. Roter gefrorener Lebenssaft der getöteten vermengte sich mit dem Weiß des Schnees zu einem rosafarbenen aufgeweichten Untergrund. Nur das Blut der erschlagenen Derkoys wurde schwärzlich und hinterließ mattdunkle Flecken.
Nervös tänzelnd schritt der Rappe mit seiner doppelten Last zwischen den qualmenden und blutigen Überresten in Richtung des Zentrums der Ortschaft. Sie steuerten direkt auf den Pulk von Überlebenden zu, in deren Mitte Deirdre den Jungkönig erblickte. Er saß am Boden und hielt einen Mann in seinen Armen.
Kaum kam Feuerwind zum Stillstand,