Personen - Schutz. Jürgen H. Ruhr

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abgelenkt?“

      Ich nickte. „Aber nicht lange. Ibn sal Abdar hat die Frau sofort wieder in das Zimmer zurückgeschickt. Sie sollte sich etwas anziehen. Zugegebenermaßen hätte die Zeit aber gereicht, die Koffer auszutauschen. Ibn sal Abdar stand recht nah dort. Wenn ich es von Christine nicht besser wüsste, wäre meine erste Vermutung auch, dass Abdar die Koffer vertauscht hat.“

      „Okay, Jonathan. Wie ging es dann weiter?“

      „Die Frau verschwand wieder in dem Zimmer. Wenderlen sah noch einige Sekunden auf die geschlossene Türe, dann bat er den Araber die Überweisung vorzunehmen. Der kramte umständlich einen Laptop hervor, stellte ihn neben den Koffer auf den Tisch und in diesem Moment ging auch schon der Feueralarm los. Wenderlen reagierte sofort und kettete sich mit seinen Handschellen wieder an den Koffer. Jetzt wollten wir das Hotel verlassen, aber Ibn sal Abdar konnte seine Freundin ja nicht zurücklassen. Also verschwand er im Schlafzimmer. Ich klopfte an die Türe und er öffnete. Allerdings sei die Frau noch nicht ganz angezogen. Wir sollten schon einmal vorgehen. Also verschwand der Araber wieder im Schlafzimmer. In dem Moment floh Wenderlen in Panik aus dem Zimmer und schlug die Türe hinter sich zu. Chrissi und ich sind dann gleich hinterher.“

      Bernd hakte nach: „Gleich? Wie viel Zeit verging zwischen Wenderlens Verlassen des Zimmers und eurer Verfolgung?“

      Ich sah Christine fragend an. „Vielleicht zehn Sekunden.“ - „Nein, eher dreißig“, warf Christine ein.

      „Also zwischen zehn und dreißig Sekunden“, fasste Bernd zusammen. „Versucht euch zu erinnern: Wenderlen hatte nach der Begutachtung den Koffer geschlossen. Aber hat er auch die Zahlenschlösser verriegelt?“

      Chrissi und ich überlegten. „Nein, hat er nicht“, antwortete sie, „er hat lediglich den Koffer geschlossen.“ Ich nickte bestätigend.

      „Sicher?“ Bernd hakte erneut nach.

      „Ganz sicher“, bestätigten wir beide.

      „Wir haben Wenderlen dann auf der Treppe eingeholt. Zum Glück war er nicht in den Fahrstuhl gestiegen!“

      „Gut, fassen wir bis hierhin zusammen.“ Bernd nickte uns zu. „Ibn sal Abdar kann den Koffer nicht ausgetauscht haben. Die Diamanten befanden sich bis zu dem Zeitpunkt, da Wenderlen den Raum verließ, noch im Aktenkoffer. Der Koffer war verschlossen, aber nicht durch die Zahlenkombinationen gesichert. Und Wenderlen hatte zehn bis dreißig Sekunden Zeit.“

      Ich ahnte, worauf Bernd hinauswollte und auch bei Christine schien der Groschen gefallen zu sein. „Du meinst also“, begann ich, „dass Wenderlen selbst dahinter stecken könnte? Warum aber ist dieser Ibn sal Abdar dann verschwunden?“

      „Weil das Ganze vermutlich ein abgekartetes Spiel war. Eine Frage zu den Hotelgängen: Gab es vor oder in der Nähe des Zimmers etwas Besonderes?“

      „Was meinst du, Bernd?“, hakte Christine nach.

      „Ist euch da irgendetwas aufgefallen? Servierwagen, wie der Zimmerservice sie benutzt oder etwas Ähnliches.“

      „Vasen“, Christine hob die Hand, „oder besser gesagt: eine. Ungefähr einen halben Meter hoch. Irgendetwas Chinesisches. Die stand an der Wand Richtung Fahrstuhl.“

      Bernd sah uns ernst an. „Was ich jetzt sage, ist nur eine Vermutung: Die ganze Sache war geplant. Wenn Wenderlen die Diamanten auf seinem Weg zur Treppe in der Vase verschwinden ließ, war es für diesen Ibn sal Abdar ein Leichtes sie zu nehmen, während ihr mit dem Händler das Hotel verlassen habt. Abdar könnte gut und gerne unser Freund Holger Diester sein. Sam hat euch ja informiert. Diester saß wegen einer ähnlichen Betrugssache sechs Jahre im Gefängnis. Der Mann hat ein ellenlanges Vorstrafenregister und ist vor zwei Wochen aus der JVA Köln entlassen worden. Allerdings hat er nicht das Niveau solch eine Sache alleine durchzuziehen. Dazu ist Diester einfach zu dumm und deswegen hat man ihn damals ja auch ziemlich schnell geschnappt. Sollte der Plan allerdings von Wenderlen stammen ... Ich werde gleich morgen Jennifer auf diesen Wenderlen ansetzen. Sie soll doch einmal alles über seine Geschäfte herausfinden.“

      Jetzt meldete sich Sam zu Wort: „Da ist noch eine Sache, der ich vorher keine Bedeutung beigemessen habe: Kurz nach dem Feueralarm haben zwei Frauen durch die Tiefgarage das Hotel verlassen. Die eine mittelgroß und dunkelhaarig, die andere ziemlich groß und füllig. Viel war von der nicht zu erkennen, da sie ein Kopftuch trug.“

      „Das könnte Holger Diester alias Ibn sal Abdar mit seiner Gefährtin gewesen sein“, überlegte Bernd, „aber das sind alles nur Spekulationen. Gut, man kann euch also keine Vorwürfe machen. Ihr - hauptsächlich du, Christine - habt euch vorbildlich benommen. Ich werde einige Recherchen anstellen, beziehungsweise Jennifer einmal im Internet wühlen lassen. Sam wird euch in den nächsten Tagen noch auf euren Auftrag Anfang Mai bei diesem Schlagerfuzzi vorbereiten. Es sind nur noch wenige Tage bis dahin. Aber jetzt noch eine Frage: Christine, erzähl doch einmal, was es nun mit der Polizeikontrolle in Holland auf sich hatte!“

      VI.

      Sam bereitete uns auf unseren Job bei Wim Schlensbow so gut es ging vor. Er hatte eine Liste mit allen Eigenarten des Sängers zusammengestellt. Fast minuziös planten wir den Einsatz. Anders als bei den Übungen zuvor, drehte sich jetzt alles um Schlensbow.

      „Lasst uns das Ganze noch ein letztes Mal durchsprechen“, begann Sam. „Wie ihr ja wisst, seid ihr ab morgen auf euch alleine gestellt. Mein Zug nach Frankreich geht heute am späten Nachmittag.“

      „Wann bist du wieder hier?“, fragte Christine.

      „In ein paar Tagen. Der Kunde ist ein hoher Politiker, der sich zu Gesprächen in der Nähe von Paris aufhält. Sein Chauffeur und Bodyguard hat sich an irgendwelchen exotischen Speisen den Magen verdorben - richtig verdorben - und liegt im Krankenhaus. Deswegen springe ich als Ersatz ein. Einen genauen Zeitplan, wann der Politiker zurückfahren wird, gibt es noch nicht. Ihr müsst also ein paar Tage ohne mich auskommen.“

      Sam lachte leise. „Bei diesem Konzert dürfte aber nichts schiefgehen. Schlensbow droht keine Gefahr, seine Fans lieben ihn und euer Part ist eigentlich mehr Show ...“

      „Ja, ich weiß“, ergänzte ich, „unsere ‚Verkleidungen‘ liegen ja auch schon bereit.“

      Sam nickte. „Darin seht ihr aus wie echte FBI Agenten. Auf dem Outfit hat der Manager von Schlensbow bestanden. Und auch darauf, dass die Wichtigkeit des Gastes dadurch unterstrichen wird, dass ihr eure Bewaffnung erkennen lasst.“

      Christine stöhnte auf: „Gut, dass das ganze Spektakel nur zwei Tage dauert.“

      „Genau, Christine. Und da sind wir auch schon beim Thema. Schlensbow kommt mit dem Zug auf Gleis drei um siebzehn Uhr dreißig an. Bei ihm sind seine Band, sein Manager und ein paar Freunde und Freundinnen. Eure Aufgabe ist es zunächst, überpünktlich auf dem Bahnsteig zu erscheinen. Bernd versucht gerade einige Uniformierte zu bekommen.“

      „Uniformierte?“ Mir war nicht ganz klar, was Sam meinte.

      „Ja, Uniformierte. Bundesgrenzschutz zum Beispiel. Auch so eine Idee von diesem Manager. Die sollen den Parkplatz und den Bahnsteig abriegeln. Ähnlich wie bei einem Fußballspiel.“

      „Das wird ja immer besser“, murrte ich, „vielleicht sollten wir auch noch ein paar Zirkusclowns engagieren!“

      Sam

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